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Ausgabe:

1980

Spalte:

428-430

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pesch, Rudolf

Titel/Untertitel:

Das Markusevangelium, II: Kommentar zu Kap. 8,27 - 16,20 1980

Rezensent:

Räisänen, Heikki

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6

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des Kol will sie unter der Autorität des Paulus bekämpfen.
Daß der Kol ein redaktionell bearbeiteter echter Brief sein
könnte, wird als Ansicht von Auslegern zwar referiert, aber
nicht diskutiert.

Der Eph wurde um 90 geschrieben; ihm diente Kol als
literarische Vorlage. Als Hauptproblem erkennt Schenke mit
Recht die Bestimmung von Anlaß und Zweck des Epheser-
briefes; er reflektiert freilich nicht, daß sich dies Problem
in entsprechender Weise schon bei den mit Eph parallelen
Abschnitten des Kol, die schwerlich der Bekämpfung der
kolossischen Häresie dienen können, stellt. Der Verfasser
des Eph soll ein judenchristlicher Paulusschüler sein, der
sich gegen ein extremes Heidenchristentum für die Einheit
der Kirche aus Juden und Heiden einsetzt — schwerlich der
Anlaß des Eph. M. E. hat die Ansicht von E. v. Dobschütz
(Die ev. Theol. 1927, 9) am meisten für sich, Eph habe die
ursprünglich selbständige Sammlung Eph—Kol—Phlm eingeleitet
. Die Frage nach dem Anlaß des Eph (und der entsprechenden
Passagen im Kol) fällt dann mit der Frage nach
dem Anlaß dieser Sammlung zusammen und läßt sich auf
diese Weise leichter einer Antwort zuführen.

Zum 2Thess folgt Schenke dem kritischen Konsensus. Der
Brief ist eine nachpaulinische Imitation des IThess, um 90
abgefaßt, einer schwärmerischen Naherwartung zu begegnen
. Dabei räumt Schenke ein, daß 2,2 „dem Wortlaut nach
eigentlich besagt ,der Tag des Herrn ist da' (und eben nicht
,der Tag des Herrn steht unmittelbar bevor'...)" (192).
Warum er sich dennoch „vom Zusammenhang her" gezwungen
sieht, die als falsch erkannte Übersetzung zu wählen, ist
unverständlich; denn nicht der Zusammenhang von 2,2, sondern
dessen vorgefaßte Deutung veranlaßt diesen kecken
Gewaltstreich, der nicht schon dadurch wissenschaftlich
gerechtfertigt ist, daß er einer unwissenschaftlichen communis
opinio entspricht. Und wie ein Brief, der in der (fingierten
) Situation um ca. 50/52 sagt, der Tag des Herrn sei zwar
jetzt noch nicht da, er komme aber bald (2,7), vierzig Jahre
später (!) einer Naherwartung widersprechen (statt
sie nicht vielmehr begründen) kann, bleibt gleichfalls ein
Geheimnis dieser communis opinio.

Den IPetr (§14) hat K.M. Fischer bearbeitet. Der
Brief, in dessen Inhalt informativ eingeführt wird, dient
der Tröstung und Stärkung christlicher Gemeinden in
Kleinasien während der domitianischen Verfolgung. Daß er
im Zusammenhang mit den Paulusbriefen behandelt wird,
hat seinen Grund in der interessanten These, der IPetr sei
ein deuteropaulinischer Brief ; nur einem Versehen in der
frühen Textüberlieferung habe man es zuzuschreiben, daß
drei Buchstaben vertauscht und aus einem ursprünglichen
PAULUS in 1,1 ein PETRUS wurde. Man fragt freilich, ob
eine Einleitung, mag sie noch so sehr das Tübinger Geschichtsbild
repristinieren wie die vorliegende, über die
Tübinger hinausgehend selbst für die Zeit um 95 noch die
Antithese Petrus—Paulus festhalten muß, statt mit der Synthese
zu rechnen (vgl. 234f.), die das merkwürdige Versehen
des Abschreibers, das sich in der ganzen Uberlieferung
durchgesetzt haben soll, überflüssig machte.

Die Pastoralbriefe werden relativ kurz behandelt. Der
nachpaulinische Ursprung (um 100) und der antignostische
Charakter sind evident. Die Elemente der Kirchenordnung
in den Pastoralbriefen erklärt Schenke, eine von H. W.
Bartsch ausgeführte Anregung von Dibelius weiterführend,
so, daß ihnen eine ausgeführte Kirchenordnung aus einem
anderen Kirchengebiet zugrundeliegt, welche der Verfasser
der Pastoralbriefe auch in das paulinische Missionsgebiet
hinein verpflanzen wollte.

Die überzeugende Grundthese der vorliegenden Einleitung
in das paulinische und paulinistische Schrifttum, daß
nämlich auch das authentische Erbe des großen Apostels
zunächst im Lichte der nachpaulinischen Redaktion betrachtet
werden müsse, führt konsequenterweise zu einem abschließenden
§ 16 über die Redaktion und Sammlung der
Paulusbriefe. Nach 70 sei in der Paulusschule der vorhandene
Nachlaß des Apostels nach und nach so bearbeitet worden
, daß „aus den Gelegenheitsschreiben allgemein nützliche
Lesebücher" entstanden (240). Daß dies in der vorliegenden
Form (z. B. zwei Korintherbriefe) geschah, führt
Schenke darauf zurück, daß die Briefe des Paulus „etappenweise
aus der Versenkung wieder auftauchte(n)" (241). Aber
die Einheitlichkeit der Redaktion des ältesten Korpus Pau-
linum läßt sich m. E. aus vielerlei Gründen nicht bestreiten:
Das literarische Verfahren ist völlig gleichförmig; im 1 und
2Kor finden sich Stücke desselben Originalbriefs (ZNW 64,
1973, 263ft); die von Schenke mit Recht für redaktionell angesehenen
Abschnitte Rom 13,1—7 und IThess 2,15 f. zeigen
die gleiche .apologetische' Tendenz usw. Auch vermag ich
nicht einzusehen, warum die heute vorliegenden Briefe als
Leseschriften besser geeignet sein sollen als die ursprünglichen
Schreiben. Auch daß das von ihm vorausgesetzte, allerorts
und vielfältig angewandte Verfahren als solches in der
antiken Welt analogielos wäre, bedenkt Schenke nicht. Es
muß also doch mit einer singulären, konkret motivierten
Aktion gerechnet werden. Wie es sich damit aber auch verhält
: Dieser abschließende Paragraph ist als solcher ein
Fortschritt der Einleitungswissenschaft überhaupt. Es ist zu
hoffen, daß in Zukunft die Probleme der Paulusbriefe nur
noch im Zusammenhang mit ihrer Sammlung und
Herausgabe besprochen werden.

Ausführliche hilfreiche Register erschließen das sauber
gesetzte Buch.

Berlin (West) Walter Schmlthals

Pesch, Rudolf: Das Markusevangelium. II: Kommentar zu
Kap. 8,27-16,20. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1977. XVI,
576 S. gr. 8° — Herders theologischer Kommentar zum
Neuen Testament, II, 2. Lw. DM 135,-.

Der erste Band des großen Markus-Kommentars von
R.Pesch erschien 1976 (vgl. ThLZ 104, 1979 Sp. 112-115).
Nach Jahresfrist liegt nun auch der abschließende zweite
Teil vor. Über die hohe Bedeutung dieses Werkes für die
Evangelienforschung kann kein Zweifel bestehen.

Der zweite Teil enthält den Kommentar zu Mk 8,27-16,8,
einen Anhang über die nachmarkinischen Evangelienschlüsse
, ein Nachwort zur gegenwärtigen Bedeutung des
Evangeliums, sowie zwei exkursartige Ausführungen und
sieben Exkurse. In diesen werden u. a. die vormarkinische
Passionsgeschichte, das Messiasgeheimnis, die AbenUmahls-
überlieferung und der Prozeß Jesu behandelt. Die Existenz
des Messiasgeheimnisses als eines markinischen Theologu-
menons wird vom Vf. rundweg bestritten; der früheren
Forschung wird er dabei allerdings kaum gerecht. Die Behandlung
der bei P. in zentraler Stellung stehenden Men-
schensohnchristologie in einem eigenen Exkurs wäre durchaus
angebracht gewesen.

Die zweite Hälfte des Evangeliums wird von P. in drei
Hauptteile unterteilt: „Der Weg des Menschensohnes zum
Leiden und die Kreuzesnachfolge der Jünger" (8,27—10,52);
„Jesu messianische Demonstration und Lehre im Tempel"
(11,1—12,44); „Die Passion Jesu und die Verkündigung seiner
Auferweckung" (14,1—16,8). Zwischen den beiden letzten
Hauptteilen hat Markus nach P. die eschatologische Rede
13,1—37 eingeschoben; dieses Kapitel besaß demnach für
ihn besondere Aktualität.

Auch für den zweiten Teil des Evangeliums stellt sich P.
Markus als den „konservativen Redaktor" vor, der nur selten
in seine Überlieferungen eingreift. Eine partielle Ausnahme
bildet Kap. 13, wo der Evangelist seine eigenen Intentionen
energischer als sonst zum Zuge kommen läßt.
Markus habe in diesem Kapitel „eine aus der Zeit des jüdischen
Krieges stammende christliche Apokalypse" benutzt,
die wahrscheinlich das Orakel war, mit dem die judäischen
Gemeinden zur Auswanderung ins Ostjordanland aufgefordert
wurden (266). Die Rede zeugt von einer akuten Naherwartung
, die Markus zu entschärfen sucht. Freilich hat
P. auch hier eine neue Sicht von der Redaktionstätigkeit des
Markus gewonnen, u.zw. im Vergleich zu seiner 1968 er-