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Ausgabe: | 1980 |
Spalte: | 305 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Dogmatik |
Autor/Hrsg.: | Lotz, Johannes Baptist |
Titel/Untertitel: | Was gibt das Christentum dem Menschen? 1980 |
Rezensent: | Petzoldt, Martin |
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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 4
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Lötz, Johannes B..- Was gibt das Christentum dem Menschen?
Grunderwartungen und Erfüllung. Frankfurt/M.: Knecht 1979.
215 S. 8°. geb. DM 26.80.
Diese hier gebotenen „Auseinandersetzungen" (6f) mit dem
heimlichen oder offenen Vorwurf, daß das Christentum veraltet
sei, wissen sich dem Leitmotiv des Vaticanum II, dem „aggiorna-
mento" verpflichtet. Voraussetzung des Vf. ist die Erkenntnis,
„daß die christlichen Gehalte seinem [sc. des Menschen] innersten
Sehnen entsprechen" (7). Der Weg führt in acht Abschnitten
von der Frage nach dem Menschen über die Gottesfrage, Sote-
riologic, Wahrheitssuche, Kraft und Macht, Gemeinschaft, Le-
bcnscrfüllung zu der Titelfrage des Buches. Die Darstellung
ergibt für den Vf., daß die Hinkchr und die „Rückkehr zum
Christentum" (198ff) einzigartige Bedeutung gewinnt, daß Enttäuschung
(200ff) über und Empörung (205ff) gegen Christus
nicht zur Freiheit und Selbstfindung des Menschen führen, daß
es auch im Glauben weder zur Unterbewertung des Menschlichen
noch zur Überbewertung des Christlichen kommen darf
(208ff) und daö schließlich im Christlichen menschliche Grunderwartungen
und deren Erfüllung ineinsfällt. (212ff). „Christ-
scin" ist „das einzigartige, unersetzliche Glück des Lebens" (215J.
M. p.
Pannenberg, Wolfharl: Die Bestimmung des Menschen. Mensch-
sein. Erwählung und Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht [1978]. 123 S. 8° Kleine Vandenhoeck-Reihc, 1443.
Kart. DM 9,80.
Fünf Beiträge sind in diesem Bändchen zusammengefaßt, in
denen .der abstrakte Individualismus, der die klassische Er-
wählungslehre charakterisiert", zum „Gegenstand der Kritik"
gemacht wird (Nachwort, 114). Damit ergibt sich ein gewisser
Zusammenhang zu früheren anthropologischen Überlegungen
des Vf., die 1962 unter dem Titel „Was ist der Mensch?" in der
gleichen Reihe erschienen. Freilich erscheint das Begriffsinstrumentarium
inzwischen stärker auf Theologie hin entwickelt,
wenn sowohl theologisch-anthopologische als auch vor allem
ekklcsiologische Leitbegriffe (bes. der des Gottcsvolkes) in den
dem Vf. eigenen geschichtstheologischcn Zusammenhang eingebracht
werden. Die fünf Kapitel sind zuerst an verschiedenen
Universitäten Amerikas und Englands vorgetragen und englisch
veröffentlicht worden (1. Die Bedeutung des Individuums
in der christlichen Lehre vom Menschen; 2. Die gesellschaftliche
Bestimmung des Menschen und die Kirche; 3. Erwählung
und Volk Gottes; 4. Das christliche Imperium und das Phänomen
einer politischen Religion im Christentum; 5. Erwählung
und Geschichte). Besonders gedankt wird W.-D. Hauschild, der
die Aufmerksamkeit des Vf. auf einige interessante Texte richtete
, die der 4. Vorlesung ein eigenes Gepräge gegeben haben.
M. p.
Dawe, Donald G.: The Divinily of the Holy Spirit (Inierp. 33,
1979 S. 19-31).
Geyer, Hans-Georg: Wahre Kirche? Betrachtungen über die
Möglichkeit der Wahrheit einer christlichen Kirche (EvTh 38,
1978 S. 470-495).
Jüngel, Eberhard: Das Sein Jesu Christi als Ereignis der Versöhnung
Gottes mit einer gottlosen Welt: Die Hingabc des
Gekreuzigten (EvTh 38, 1978 S. 510-517).
Krcck, Walter: Kirche und Kirchenorganisation. Einige Fragen
zu Helmut Gollwitzers Kirchenthesen (EvTh 38, 1978 S. 518
bis 526).
Peters, Albrccht: Die Bedeutung der Katechismen Luthers innerhalb
der Bekenntnisschriften (Luther 50, 1979 S. 27-32).
Sdllink, Edmund: Gottes Handeln durch die Taufe als ökumenisches
Problem (KuD 24, 1978 S. 164-180).
Praktische Theologie: Allgemeines
Fischer, Wolfram: Pfarrer auf Probe. Identität und Legitimation
von Vikaren. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammcr
[1977]. 175 S. 8° = Kohlhammcr Urban-Taschenbücher, 630.
T-Rcihe. Kart. DM 12,-.
Die Krise des evangelischen Pfarrerberufes wird seit fast
hundert Jahren in unzähligen Veröffentlichungen dargestellt,
beschworen, untersucht. Fischer geht mit seiner in Münster vorgelegten
, hier gekürzt publizierten soziologischen Dissertation
in den Hintergrund des vielschichtigen Problems. Er möchte
wissen, „wie Pfarrer und angehende Pfarrer diese Krise verarbeiten
, um in ihrem Berufsfeld handlungsfähig zu werden
oder zu bleiben" (9). Er fragt, wie sie ihr Theologe-scin „legitimieren
".
Kap. 1 (9-37) bringt zunächst eine historisch-systematisic-
rendc Skizze der Berufskrise. Die gesellschaftlichen, theologischen
, kirchlichen und religiösen Determinanten werden auf
den Schnittpunkt der Krisenlinien in der Berufsposition des
evangelischen Pfarrers zugeführt. In der „lcbcnsgeschichtlichcn
Aufschichtung" beim einzelnen Theologen fallen Entschcidun
gen für „die ganze theologische Karriere" (35). Die Präzisic-
rung der Forschungsfrage leitet über zum 2. Kap. (37-64). Hier
wird der soziologische Theorierahmen mit dem begrifflichen
Instrumentarium dargestellt. Unter „Legitimation" versteht
Fischer (positiv!) den Gewinn neuer Begründungs- und also
Sinnzusammenhänge, nachdem bisherige Wisscns-Typisierungcn
in Spannung zum aktuellen Handeln geraten sind. In diesem
Suchprozeß steht die Identität auf dem Spiel. Sie wird als
lebenslänglicher Balance-Akt beschrieben - „horizontal als Balance
zwischen objektiven, angetragenen Typisierungen und
individuellen Motivationen, vertikal als Phasierung und Rcde-
finition biographisch erworbener angesichts neuer Erfahrungen
* (50). Am Schluß dieses Kapitels wird der methodisch
empirische Ansatz markiert, durch Überlegungen von A. Schütz,
W. Schapp und A. C. Danto vorbereitet: 31 Vikare aus zwei
evangelischen Landeskirchen in der BRD wurden vom Vf. in
offenen, „nondirektiven" Interviews zum Thema „mein Leben
als Theologe" befragt. „Es kam darauf an, daß die interessierenden
Legitimationen nicht abstrakt und losgelöst von ihren
Entstehungsgeschichten produziert wurden, sondern daß beim
Erzählen von sclbstcrlcbten Geschichten im ständig mitlaufenden
Vorgang des Bewertens die positiven oder negativen Selbst
verortungen in den relevanten Intcraktionsfcldern sichtbar
wurden" (64). Die phänomenologische Ergcbnisdarstcllung
nimmt sekundäre soziologische Deutungen zurück, um „die primären
alltagsweltlichen Deutungen der Vikare" zu präsentieren.
„Phänomenologie lebensgcschichtlichen Legitimationsmanagements
bei Vikaren" ist die Überschrift des dritten, ausführlichsten
Kapitels (65-157). Hier kommen die Vikare zu Wort.
Fischer beginnt lcbcnsgcschichtlich mit den Äußerungen, die
sich auf die Zeit vor der Wahl des Theologiestudiums beziehen.
Er kann kerngemeindliche, volkskirchlichc und pietistisch
gemeinschaftsoricnticrtc Positionen unterscheiden. Alle Vikare
hatten bis zum Studienbeginn ein „Rclcvanzsystem aufgeschich
tet", das noch in den „Kategorien eines religiös-kirchlichen
Deutungsrahmens" bleibt und in diesem seine Legitimation hn
det. Mit dem Theologiestudium kommt die Kriscnproblematik
in Sicht: „Ausdünnung der religiös-kirchlichen Karriere". Eine
Vikarsstimme dazu:.....hab bis dahin also auch immer noch
gebetet, konnte nicht mehr beten, war alles beschissen und so
(lacht etwas). Es war also ein totaler Bruch und ein totales
Chaos . . ." (91). Je nach Position erfolgen unterschiedliche
Einstellungen auf den theologischen Studienbetrieb. Über die
Hälfte der Befragten betätigen sich politisch, „durchweg in
sozialistischen Traditionen" (109). Abgesehen von der sich nach
außen abschließenden pietistisch-gcmcinschaftsoricnticrten
Gruppe gewinnen die meisten Befragten während des Studiums
im Blick auf das große Kriscnproblcm ein gescllschafts- und
Ihcologic-kritisches Rclcvanzsystem (121). Dies wird in der
Zeil des Vikariats nochmals modifiziert. Auffällig ist dabei, daß