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Ausgabe:

1979

Spalte:

553-559

Autor/Hrsg.:

Hertzsch, Erich

Titel/Untertitel:

Meditation in der Kirche 1979

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 8

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Wiederum ist höchst aufschlußreich, wie Küng argumentiert.
Die Zuwendung zum „Gott der Bibel" erfolgt um der „Konkretisierung
" willen (bisher wurde „abstrakt" von Gott geredet
). Wichtige Gesichtspunkte sind bereits im Zusammenhang
mit dem „neuen Gottesverständnis" gewonnen worden:
Gottes Weltlichkeit und Geschichtlichkeit (640).

Teil G verdiente als eine Art spezielle Gotteslehre eine ausführliche
Würdigung; aus Raumgründen können wir aber nur
einen kurzen Überblick bieten. Es beginnt mit dein „Gott der
nichtchristlichen Religionen" (643ff). Der Gottesglaube der Religionen
, so lautet das Ergebnis, „erweist sich als vieldeutig
und widersprüchlich. Er ruft nach Klärung" (669). Hier wird
offenkundig methodisch ähnlich verfahren wie in den vorausgegangenen
Kapiteln (Unklares weist hin auf die Notwendigkeit
von Klärung).

Die nächsten Abschnitte behandeln den „Gott der Bibel" und
den „Gott Jesu Christi". Die Klärung, die hier erfolgt, beschreibt
den biblischen Gottesglauben als „in sich stimmig,...
rational verantwortbar und ... in einer mehrtausendjährigen
Geschichte bewährt" (685). Diese Einsicht wird u. a. auf das
Verhältnis von „Gott und Welt" angewandt, wobei besonders
die Ausführungen zur Schöpfung Beachtung verdienen (694ff).
Am Schluß des Nachdenkens über den „Gott der Bibel" steht
der für Küngs Bibelverständnis charakteristische Satz: „So haben
wir uns wieder neu auf den Gott der Bibel besonnen,
ohne biblizistisch die Ergebnisse der Philosophie zu überspringen
" (728; vgl. schon ähnlich 634).

Da geht man an den letzten Abschnitt des Buches („Der
Gott Jesu Christi") möglicherweise mit der Frage heran, ob
sich weitere Belege für ein Bibelverständnis finden, das u. a.
von der Besorgnis geleitet ist, nur ja nicht philosophische Einsichten
mit Hilfe der Bibel vorschnell zu überspringen. Die
Vermutung scheint sich zunächst zu bestätigen, denn Küng beginnt
mit-Bloch! (729). Aber dann wird von Gott dem Vater
gesprochen, und das Schema, das wir schon kennen, wird jetzt
innerbiblisch verwendet: „Wenn Jesus von Gott redet und
wenn er in seinem Namen handelt, macht er deutlich, was im
Alten Testament vage war, macht er eindeutig, was dort mehrdeutig
erschien" (733).

Der nächste Aspekt ist „Gott durch Jesus Christus" (740ff)
und behandelt u. a. das Verhältnis Gott — Jesus im wechselseitigen
Bedingtsein. Hier werden dann auch christologische
Probleme erörtert; sehr wichtig ist das zur Gottesherrschaft
Gesagte (743ff), von dem aus weiter gefragt wird, was das
•■Christliche" am christlichen Gott sei. Die Antwort lautet: Das
Christliche am christlichen Gott ist dieser Christus selbst . . ."
(755). Für die Ethik bedeutet das: als Kriterium gilt „die
Nachfolge Christi" (756). Das Buch klingt aus mit knappen
Hinweisen zur Pneumatologie und einer resümierenden Schlußthese
, die als Antwort auf die Frage nach der Existenz Gottes
»ein vor der kritischen Vernunft verantwortetes, klares, überzeugtes
Ja" formuliert, nachdem noch einmal die Hauptetappen
des Nachdenkens genannt worden sind (767).

Das Buch von Hans Küng, das wir hiermit ausführlich, aber
nicht erschöpfend vorgestellt haben, ist als Ganzes ein leidenschaftliches
Plädoyer für das unbedingte und vorrangige Ernstnehmen
der Gottesfrage. Diejenigen Theologen, die der Gottesfrage
aus den unterschiedlichsten Gründen ausweichen, sind
durch diese längst fällige Untersuchung entschieden herausgefordert
. Viele ihrer Argumente sind widerlegt, und das Pathos
ihres Verzichts auf die Rede von Gott wird hoffentlich
immer weniger Widerhall finden. Das betrifft sowohl die Gottesfrage
allgemein als auch die besondere Problematik der
Existenz Gottes. Ebenso haben Küngs Ausführungen die Ungereimtheiten
einer „atheistischen" Theologie und ähnlicher
Versuche erneut aufgezeigt (darin zeigt sich ein mangelndes
Ernstnehmen des Atheismus).

Wer wie der Rezensent mit dem Verfasser im Prinzipiellen
übereinstimmt, ist gefragt, wie er zu den einzelnen Schritten
bis hin zur „Bewahrheitung" der Existenz Gottes steht. Dazu
ist im Verlauf unseres Berichts schon einiges angemerkt worden
. Jetzt sollen noch einmal zwei Probleme genannt werden,
über die weiter nachgedacht werden müßte. Zum einen geht
es um die Methode bzw. den Denk- und Erkenntnisweg des
Verfassers. Die Schlüssigkeit wird dadurch erreicht, da5 der
nächste Schritt immer schon im vorausgegangenen angelegt ist.
Es wird der Eindruck einer unausweichlichen Abfolge erzeugt,
die schließlich zu dem erwünschten Ziel führt. Tatsächlich
liegt aber eine Fülle von Einzelentscheidungen vor, die die
Gesamtkonzeption ermöglichen, aber nicht als alternativlos
oder unausweichlich erweisen können. Das gilt m. E.
auch für eine der Hauptthesen des Buches: „Das Grundrätsel
des Lebens dürfte kaum zu lösen sein, wenn man die zentrale
Frage, die Gottesfrage, nicht zu Gesicht bekommt" (531). Hier
wäre daran zu erinnern, was Bonhoeffer in „Widerstand und
Ergebung" zu diesem Thema ausgeführt hat.

Das zweite Problem ist das Verhältnis zur Bibel. Die Bedeutung
biblischer Bezüge gerade für die Gottesfrage wird wohl
von Küng zu niedrig angesetzt. Der Beitrag der Bibel zur Erkenntnis
der Fraglichkeit der Wirklichkeit wird faktisch übergangen
und auch derjenige zur Bewältigung dieser Fraglichkeit
. Auf die seltsame Besorgnis, philosophische Erkenntnis mit
Hilfe der Bibel zu „überspringen", wurde schon hingewiesen.

Der Verfasser hat den Weg zwischen Vatikanum I und Karl
Barth gesucht und zu finden gemeint. Es wird vermutlich noch
mehr Leser geben, denen es wie dem Rezensenten geht, der
seine Position zwischen Küng und Barth zu erkennen meint.
Doch soll ganz nachdrücklich unterstrichen werden, daß die
Betonung des (auch) rational verantwortbaren Gottesglaubens
ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung ist. Es
geht dabei m. E. um den Gottesglauben als menschliche Möglichkeit
. Man wird freilich stärker als Küng das Angewiesensein
dieses Glaubens auf Offenbarung betonen müssen und zugleich
deutlicher den Entscheidungscharakter eben dieses
Glaubens herausstellen. Eine unbefangene Analyse der Wirklichkeit
wird kaum bis zur Notwendigkeit des Gottesglaubens
vorstoßen können, wohl aber bis zu seiner Möglichkeit. Die
Notwendigkeit und Unausweichlichkeit dieses Glaubens ergibt
sich allein aus der Offenbarung.

Meditation in der Kirche

Von Erich Hertzsch, Jena

Ernst Sommerlath zum 90. Geburtstag

In Band III der RGG2, der 1929 herauskam, sucht man vergeblich
nach einem Artikel über Meditation (M.). Aber im gleichen
Jahre erschien Friedrich Rittelmeyers bahnbrechendes
Buch „Meditation", das den bezeichnenden Untertitel „Zwölf
Briefe über Selbsterziehung" trug. Seitdem ist die Literatur
über das Thema „Meditation" unübersehbar groß geworden.
Pionierarbeit leisteten die „Berneuchener" A. D. Müller (Ethik,
!937, 120ff), O. Haendler (Homiletik, 1941, 149ff), K.B. Ritter
(M. als Mittel der Menschenbildung, 1957). Folgenreich war,
daß der demselben Kreis angehörende Psychotherapeut Carl

Happich eine enge Verbindung zwischen ärztlicher und pastoraler
M. herstellte (Anleitung zur M., 1938).

1957 veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft „Arzt und Seelsorger
" eine grofje Tagung mit dem Generalthema „M. in Religion
und Psychotherapie", die so großen Anklang fand, daß sie
mehrmals wiederholt werden mußte. Unter den Vortragenden
waren die Professoren der Medizin Karlfried Graf Dürckheim,
Günter Elsässer, Eckhart Wiesenhütter, die katholischen Theologen
Emanuel v. Severus OSB, Hugo Rahner SJ, Joh. Lötz SJ,
die evangelischen Theologen Karl Bernhard Ritter, Friso Mel-