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1978

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

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rarkritische, formgeschichtliche und stilkritische Untersuchungen
zum Deuteronomium, 1967), K. 4 und 5 von N.Loh-
flnk (4,1-10 in: Höre, Israel!, 1965, K. 5 in: Das Hauptgebot
, 1963) behandelt worden. Von seinen Vorgängern, unter
denen er besonders N. Lohfink wegen seines Verfahrens,
„komplizierte Scheinstrukturen" zu konstruieren (S. 5), hart
kritisiert, unterscheidet sich S. Mittmann in der konsequenten
Anwendung einer minutiösen Literarkritik.

Im ersten Teil „Literarkritische und traditionsgeschichtliche
Untersuchung der Teilabschnitte" (S. 8—163) wird jeder
der zehn Sinnabschnitte, in die M. seinen Textkomplex
einteilt, zuerst einer eindringenden literarkritischen Analyse
unterzogen. Mit beeindruckender Akribie, unerbittlicher
Sachlogik und anscheinend untrüglichem Scharfblick für
Widersprüche und Nähte zerlegt M. den Text in „strati-
graphische Einzelelemente" und arbeitet dabei auch Merkmale
zusammenhängender Schichten heraus. Diese literar-
kritischen Operationen sind außerordentlich diffizil, sie betreffen
oft kleinste Bestandteile des Verses. Jedoch werden
die Entscheidungen in umfassender Argumentation begründet
und nach allen Seiten hin abgesichert. In einem zweiten
methodischen Schritt, der „traditionsgeschichtlichen Synthese
", resümiert M. zunächst die Ergebnisse der Analyse
und ordnet die zusammengehörigen Textelemente einander
zu. Diese Zusammenfassungen sind unerläßlich, da die verschlungenen
Operationen M.s den Leser oft ratlos lassen
oder ihm ein Puzzle zumuten. Das macht sich an den Stellen
kräftig bemerkbar, an denen sich M. (in Exkursen) derartige
Resümees erspart (S. 110 f. zu Num 27,12-23; S. 145 ff.
zu Ex 19,1 - 20, 21; 24,1-18).

Das eigentliche Kernstück der „traditionsgeschichtlichen
Synthese" aber ist der Vergleich mit den Paralleltraditionen
, meist im Pentateuch, seltener in den Geschichtsbüchern
. Auch hier geht M. ins Detail, zerlegt die Parallelen
in ähnlicher Weise in ihre literarischen Schichten (Exkurse
zu Num 13-14; 32; 27,12-23 und 20,1-13; zu Ex 19,1 - 20,
21; 24,1—18) und stellt ihre Beziehungen zu den Schichten
der deuteronomischen Texte fest, die sich in der Regel als
literarische Abhängigkeiten darstellen.

Eine endgültige Zusammenfügung der verschiedenen
Schichtbestandteile und ihre Beurteilung bietet der zweite
Teil „Stratigraphische und traditionsgeschichtliche Synthese
des Gesamtabschnitts" (S. 164—184). Die Grundschicht
(Gr) des Komplexes findet sich nur in den Kapiteln
1, 2 und 5 (Eine Übersetzung enthält Anhang I, S. 180
bis 182). Ihr erzählerisches Gerüst bildet ein aufgenommenes
Itinerar, das vom Horeb über das Gebirge Seir (1, 2a)
bis zur Wüste von Moab (2, 8b) führt. Ihre inhaltlichen
Schwerpunkte sind die Kundschaftergeschichte in K. 1 und
Theophanie und Bundesschluß am Horeb in K. 5 (jeweils
im Grundbestand), die als Kontrastparallelen aufeinander
bezogen sind: Der Ungehorsam Israels am Amoritergebirge'
bedeutete einen Bruch des Horebbundes, der nun in der
Steppe von Moab durch eine erneute Proklamation der
Bundesverpflichtungen für die zweite Generation aktualisiert
werden mußte (Die bei so enger Zusammenrückung
von K. 1 und 5 besonders auffällige Schwierigkeit, daß von
einem Generationswechsel überhaupt nicht die Rede ist,
wird von M. nicht diskutiert). Gr ist ein geschlossenes, planvoll
konzipiertes Werk aus einer Hand. Sie setzt Ex 19—24
JEDtr und Num 13 f. JDtr voraus, kennt aber P noch nicht.
Zeitlich folgen zwei pluralische Redaktionsschichten
. Die erstere, PI1, durchzieht alle Kapitel. Sie
zeigt die Tendenz, Gr mit der Pentateucherzählung (incl.
PS) auszugleichen und aus ihr aufzufüllen, sowie sie mit den
Landnahmetraditionen des Buches Josua zu verbinden. PI2
findet sich ebenfalls in allen Kapiteln, hat eine stärker
paränetisch-parakletische Intention und zeigt das Bestreben
, den vorgegebenen Text noch stärker an den Pentateuch
anzugleichen. Andere Bezüge zeigen, daß ihr offenbar der
Zusammenhang Genesis bis Könige als geschlossenes Werk
vorlag. An dieser Stelle lehnt M. die These M. Noths ab, in
Dtn 1.1 —4, 43 beginne das deuteronomistische Geschichtswerk
, da sie auf der unzutreffenden Annahme der literarischen
Einheitlichkeit basiere. Die wichtigsten Verbindungen
zum Josuabuch stammten von PI2, der jedoch ein Ergänzer
und nicht der Verfasser eines umfassenden Werkes sei (Die
älteren Schichten fallen erst recht aus, da PI1 auf den Pentateuch
, Gr auf das deuteronomische Gesetz hin konzipiert
sei). Eine weitere, singularische Redaktionsschicht
(Sg), deren Intentionen von den jeweiligen
Kontexten her bestimmt werden, wird schließlich noch behandelt
. Die anderen Schichten kann der Leser einer tabellarischen
„stratigraphischen Aufgliederung" (Anhang II,
S. 183 f.) entnehmen. M. rechnet neben den Hauptschichten
Gr, Pl>, PI2 und Sg noch mit einer Redaktion vor Sg (in K. 2
und 3) und einer nach Sg (bes. in K. 4), außerdem stellt er
„Nicht klassifizierbare Ergänzungen" zusammen. Das Bild
der sieben Spalten wird aber noch komplizierter, da innerhalb
der Redaktion vor Sg 3—5 sukzessive Schichten angegeben
werden. Das Buch schließt mit dem Verzeichnis der
Literatur (darin fehlen zwei Titel: der S. 73 A. 31 zitierte
Aufsatz des Vfs. sowie der S. 145 ff. genannte Titel: E. Zen-
ger, Die Sinaitheophanie, Würzburg 1971) und der Abkürzungen
.

Es handelt sich um ein Werk, das mit seinen komplizierten
Erwägungen dem Leser nicht gerade entgegenkommt.
Beeindruckend ist die Akribie und Konsequenz des Verfahrens
. Aber gerade dieser Vorzug ist es wohl auch, der
andererseits die stärksten Bedenken hervorruft: Ist nicht
der Scharfsinn oft allzu groß, die Sachlogik allzu unerbittlich
, die Textzerlegung allzu weitgehend, kurz: die Literarkritik
allzu radikal und einseitig angewandt? Andere Erklärungen
für Spannungen im Text als literarische, etwa
überlieferungsgeschichtliche, werden kaum in Betracht gezogen
. Die Bedenken verstärken sich im Blick auf das vorgelegte
Ergebnis. Ein literargeschichtlicher Prozeß, den lite-
rarkritische Operationen unterstellen, muß im Bereich des
Vorstellbaren bleiben, aber das erscheint hier kaum noch
als gewährleistet. Man möchte noch manche Fragen an diese
Untersuchung stellen, so an die aufgewiesenen (oder durch
die Methode präjudizierten?) literarischen Abhängigkeiten
und an die damit zusammenhängende Spätdatierung der
Schichten. Aber alles dies mag der weiteren Diskussion über
das Deuteronomium vorbehalten bleiben, in der dieses Buch
sicher eine wichtige Rolle spielen wird.

Berlin Winfried Thiel

Astour, Michael C.: Ezekiel's Prophecy of God and the Cu-
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Freedman, David Noel: Pottery, Poetrv. and Prophecy: An

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Davies, W. D.: From Schweitzer to Scholem: Reflections on

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