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Ausgabe:

1978

Spalte:

572-575

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Fischel, Henry A.

Titel/Untertitel:

Rabbinic literature and Greco-Roman philosophy 1978

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 8

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kel, um die Berücksichtigung der LXX-Äquivalent« und um häutigere
Ausarbeitung der Wortfelder. Auch der Satz ist sehr präzis,
ich habe diesmal keinen störenden Druckfehler gefunden.

So bleibt diesmal mehr Baum für einige sachliche Randbemerkungen
. Zu gillab. (Sp.5): Es ist ein besonders gelungener Artikel
mit vorbildlich bearbeitetem Wortfeld (13 andere Worte, aber alles
auf nur 10 Spalten!). - Zugaläl (Sp.21): Die hier vorgelegte Skepsis
über den (m. E. doch wahrscheinlichen) Zusammenhang von
gäl und galäl scheint mir zu groß und kaum berechtigt. An der
Stelle wäre wohl eine Untersuchung der Verba mediae geminatae
und der mit ihnen verwandten biliteralen Nomina. Die Vorarbeiten
(bes. von Botterweck und Moscati) liegen vor. - Zu gän (Sp. 3ö):
Da liegt eine ausgezeichnete Bearbeitung der mythologischen Vorstellungen
der damaligen Umwelt vor. üb aber in Dtn 11,10 und
1 Kön 21,2 „ein völlig profaner Gebrauch vorliegt", ist mir zweifelhaft
. Die Wendung gän hajjajrseq zeigt vielmehr nach Ägypten als
in die bloße Botanik. Ahnlich ist mir fraglich, ob gän in Gen 2,8
„eine rein geographische Bezeichnung" sei. Die Aussagen im mythischen
Stil sind oft mehrschichtig, Mythologie und Geographie
durchdringen einander. Übrigens ist der Vf. nur einige Zeilen weiter
bereit zu gestehen, daß in der „Vorstellung von einem Baumgarten
das Wort 'eden.Wonne' mitschwingen" konnte.-Zu gaepam
(Sp.56ff.): Eine sehr wertvolle Beschreibung des Weinbaus in
Palästina mit Spezifizierung vieler Weinbautermine! - Zu gorsen
(Sp. 66): Wohl eine fleißige Sammlung von Material, aber das Ergebnis
, daß nämlich im AT „der profane Charakter der Tenne gesichert
sei", klingt mehr wie ein Postulat des Skeptikers und weniger
wie ein wirklicher exegetischer Ertrag. Ich bin - im Bezug auf
gorsen - nämlich gerade vom Gegenteil überzeugt, und zwar auf
Grund der Textgeschichte des AT. Die alten Tradenten haben aus
polemischen Gründen manches im AT sorgfältig verdeckt und umgedeutet
, entmythisiert und entkultisiert. Mit solchen Verschiebungen
muß man bei der kritischen Arbeit ständig rechnen.
Mit Genugtuung möchte ich bemerken, daß die meisten Mitarbeiter
des ThWAT über diese Problematik im klaren sind. - Zu dib-
bah (Sp. 79): Hier findet man versteckt eine knappe, recht gut
dokumentierte Übersicht über bä'äl zebüb; einiges kommt noch
einmal bei zebul (Sp. 531). - Zu dabäq (Sp. 84ff.): Vorbildlich theologisch
durchgedacht! - Zu dabar (Sp.89-133): Es ist der bisher
längste Artikel des Wörterbuches, u. zw. mit Recht. Eine besondere
Erwähnung verdient die ausführlich bearbeitete Umwelt, wie
auch der Versuch, die Wurzeln dbr und 'mr semantisch zu unterscheiden
. Der Unterschied ist sicher in der richtigen Richtung gesucht
, doch scheint es mir, daß man es noch einfacher und deutlicher
sagen könnte, etwa so: 'mr - informatives Reden, dbr - in
Bewegung bringendes Reden (vgl. dabar - Ereignis!). Natürlich ist
das Problem der semantischen Differenzierung der beiden Wurzeln
durch die Textgeschichte und die Überlieferungsschichten recht
kompliziert geworden und die beiden Verben hatten ihre eigene
Bedeutungsentwicklung. - Zu dag (Sp. 139): Besonders gelungen!
Überhaupt gehören die Artikel von den beiden Hauptherausgebern,
Botterweck und Ringgren, zu den reifsten und geschliffensten Arbeiten
des ganzen Wörterbuches. - Zu däl (Sp.221): In bezug auf
die geringere Bedeutung des Begriffs scheinen mir die 23 Spalten
zu viel. Dagegen finde ich durchaus richtig, daß dam (Sp. 248-266)
18 Spalten umfaßt. Der Artikel ist präzis bearbeitet, besonders die
religionsgeschichtlichen Zusammenhänge, die immer einen wertvollen
Einblick in die Denkstrukturen der Umwelt des AT eröffnen.
Auch den theologischen Ergebnissen stimme ich gerne zu; nur zur
Spalte 256 möchte ich eine kleine Randbemerkung beifügen. Dort
liest man: „Ähnlich ist auch Gen 9,5 zu übersetzen: . . . euer Blut,
von jedem Einzelnen, werde ich einfordern." Im Hebräischen steht
hier: 'set"dimkaem lenäpsotekaem 'aedros. Die Rektion wie auch
der Kontext zwingen m. E. zu einer anderen Auffassung: „Jedoch
euer Blut, das eurer Seelen, will ich heimfordern" (so M.Buber).
Das Rätsel klärt hier der Vers 4: 'äk"basar benapso damo = doch
Fleisch, in dessen Seele (= Lebenshöhle) noch sein Blut ist, sollt
ihr nicht essen. - Zu dsersek (Sp.288-312): ausführlich bearbeitetes
Wortfeld, 11 andere Ausdrücke! - Zu hsebsel (Sp.336): Bei der
Suche nach etymologischen Zusammenhängen wäre wohl auch bl
zu erwägen. - Zu ha jäh (Sp. 393-408): In der Spalte 406 ist eine
Deutung des Tetragramms, am Ende eine kurze Erwähnung der
Auseinandersetzung Boman - Barr. - Zu här (Sp. 459 ff.): Sehr ausführliche
Bibliographie, ein wichtiger Kxkuis über die Berg-Nabel-
Mitte- Vorstellung, überhaupt sohl' inhaltsreich! Und wieder nur
eine kleine Randbemerkung zu Sp.473: Zu der Wendung tabbür
ha'araas bemerkt der Autor des Artikels, daß die Bedeutung Nabel
für das biblische Hebr. nicht bestätigt werden kann, so daß die
Deutung „Nabel (Mitte) der Erde" unhaltbar erscheint. Das Problem
kann man aber auch von der anderen Seite anfassen: Wenn
man bedenkt, wie sorgfältig die alten Tradenten ähnliche mythische
Vorstellungen ausgemerzt haben, kann die jetzige Situation im
Text des AT eine absichtliche, spätere Umdeutung und Bearbeitung
und nicht eine ältere Überlieferungsstufe widerspiegeln. Und
in diesem Fall hätten doch die alten Vertreter der religionsgeschichtlichen
Schule mehr Recht, als man ihnen heute gemeinhin
bereit ist zuzugestehen. - Aus der Doppellieferung 5/6 finde ich besonders
zwei Artikel - beide von Kodar-Kopfstein - erwähnenswert
: zahab (Sp.534f.) mit einem vorbildlich bearbeiteten Wortfeld
und mit einer neuen, tiefen Erklärung der religiösen Funktion
des Goldes im Altertum; und häg (Sp.730f.) mit einem sehr sorgfältigen
, völlig überzeugenden Versuch, die Verwirrung um die altisraelitischen
Feste zu klären.

Am Ende möchte ich meine schon früher hier geschriebenen
Worte der Anerkennung und Dankbarkeit an alle Mitarbeiter und
besonders an die Redaktoren des Wörterbuches wiederholen. Es
kostet wirklich viel Mühe und Zeit, in diesem großen Werk einen
Satz zu finden, zu dem man berechtigt ein Fragezeichen setzen
könnte. Es ist ein Genuß und ein Privileg zugleich, diese großartige
Synthese des Wissens über das AT in den Händen zu haben und
mit ihr arbeiten dürfen.

Prag Jan Heller

JUDAICA

Fischel, Henry A.: Rabbinic Literature and Greco-Roman Philoso-
phy. A Study of Epicurea and Rhetorica in Early Midrashic
Writings. Leiden: Brill 1973. XII, 201 S. gr. 8° = Studia Post-
Biblica, ed. by J. C. H. Lebram, XXI. Lw. hfl. 52,-.

Henry A. Fischel sucht in seiner Arbeit nachzuweisen, daß das
rabbinische Judentum Gedanken und Vorstellungen der griechischrömischen
Philosophie nicht nur aus dem Bereich des Piatonismus
und der Stoa - wo dies längst wissenschaftlich gesichert ist1 -,
sondern auch des Epikureismus aufgenommen hat. Geht man von
den philosophischen Systemen aus, so spricht manches gegen Fischeis
Annahme; denn Anknüpfungspunkte für jüdisches Denken
boten zwar der Piatonismus durch seine Integration der Gottesidee
und die Stoa durch ihre Lehre von der Vorsehung, nicht aber
hat sie der Epikureismus aufzuweisen mit seiner Leugnung des
Wirkens Gottes und seinem Hedonismus. Stellt man freilich die
Tatsache in Rechnung, daß in der Philosophie und Literatur der
ausgehenden griechisch-römischen Antike, zumal in der Rhetorik,
ein weitgehender Eklektizismus herrschte und das Judentum in
der Aufnahme des Gedankengutes seiner Umwelt gleichfalls eklektisch
verfuhr, so ist ein Einströmen auch epikureischer Gedanken
in das rabbinische Judentum nicht auszuschließen, und Fischeis
Versuch erhält seine Berechtigung.

Gegenstand der Untersuchung ist nicht die Gruppe von Texten,
welche die Epikureer bei Namen nennt (m-np^DN o. ä.); denn aus
ihnen ist ein Einfluß des Epikureismus nicht abzuleiten. Es handelt
sich durchweg um polemische Auseinandersetzungen mit dieser
Philosophenschule, welche eine nur oberflächliche und einseitige
Kenntnis ihrer Lehren verraten, sofern nicht überhaupt der
Begriff „Epikureer" in verallgemeinertem Sinn für Gottesleugner
oder lose Spötter verwendet wird.

F. wählt vielmehr die Traditionen um die Tannaiten Ben Zoma,
Ben Azzai, Acher und R. Akiba, da er in ihnen — wenn auch der
Name „Epikureer" nicht fällt - auf Anklänge an epikureische Gedanken
und Wendungen, dazu auch Themen und Prägungen der
griechisch-römischen Rhetorik, gestoßen ist.

Die Untersuchung ist in vier Teile gegliedert, deren erste drei,
wie aus dem Vorwort (S. IX-XII) hervorgeht, ursprünglich als
selbständige Aufsätze geschrieben worden sind. Da überall die glei-