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Ausgabe:

1978

Spalte:

21-23

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Penar, Tadeusz

Titel/Untertitel:

Northwest Semitic philology and the Hebrew fragments of Ben Sira 1978

Rezensent:

Prato, Gian Luigi

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

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schieht, sondern in steter Wechselwirkung mit ihrer semantischen
Bedeutung erörtert werden. Der Wechsel z. B. von
Suffixkonjugation (Perfekt) zu waw-PK (Narrativ) im Bericht
über vergangenheitliche Ereignisse scheint mir keineswegs so
beliebig zu erfolgen, wie es R. voraussetzt. Dahinter dürften
Bedeutungsveränderungen stehen. Gleiches gilt für eine Anzahl
von Stellen, wo parallele frühpoetischc und standardpoetische
morphologische Erscheinungen von R. als gleichrangig und
unbedenklich austauschbar behandelt werden. Wenn eine
solche Glcichrangigkeit semantisch nicht gegeben wäre, ergäbe
sich ein ganz anderer und viel differenzierterer Kritcricn-
katalog. Darauf sollte die alttestamentliche Wissenschaft ihr
Bemühen richten, wenn sie ihre Exegese objektiver oder allgemeingültiger
erscheinen lassen will. Die Studie von R. vermittel
dafür wichtige Anstöfje. Ob freilich die Unterscheidung
von zwei (nur zwei?) Stufen hebräischer Poesie gerechtfertigt
ist, bleibt strittig.

Hamburg Klaus Koch

Penar, Tadeusz: Northwest Semitic Philology and the Hebrew
Fragments of Ben Sira. Romc: Biblical Institute Press 1975.
XVI, 113 S. gr. 8° = Biblica et Orientalin (Sacra Scriptura
Antiquitatibus Orientalibus Illustrata), 28. Lire 4500,-.

In das Interesse, das die nordwestsemitische Philologie und
deren Anwendung auf die Texte des Alten Testaments hervorgerufen
hatte, mußte früher oder später auch das Buch Ben
Sira einbezogen werden, von dem wir jetzt einen großen Teil
des hebräischen Originals besitzen. T. Penar hat die mühsame
Aufgabe auf sich genommen, diesen Text im Lichte des
Ugaritischen und des Phönizischen (und mit Rücksicht auf die
Texte von Qumran) zu lesen und zu erklären. Es ist deshalb
verständlich, daß sich der Vf. bereits in der Einleitung bemüht,
dem offensichtlichen Einwurf zuvorzukommen, demzufolge es
gewaltsam erscheinen kann, eine Parallele zwischen Texten zu
ziehen, die in zeitlicher (mehr als tausend Jahre) und geographischer
Hinsicht einen so großen Abstand voneinander
haben. Die Parallele wird in der Tat nicht im Sinne einer
direkten Abhängigkeit von der nordwestsemitischen Literatur
verstanden; Ben Sira hängt im wesentlichen vom Alten
Testament ab, das aber unter dem unleugbaren Einfluß der
kananäischen Literatur steht. Deshalb handelt es sich um
indirekte Abhängigkeit. Ferner muß man bedenken, daß das
Phönizische und das Punische in der Zeit von Ben Sira und
darüber hinaus noch verbreitete Sprachen waren.

Diese Klarstellung war notwendig, würde aber besser begründet
durch ein stärkeres Unterstreichen der einzigartigen
Situation, in welcher sich das Buch von Ben Sira bezüglich dos
hebräischen Textes des Alten Testaments befindet. Ben Sira ist
ein Werk, das in der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. (dieses
Datum wird auch von Penar angenommen, vgl. S. 2) in einer
Sprache verfaßt wurde, die, obwohl sie das klassische Hebräisch
nachahmt, sicherlich eine Umwelt voraussetzt, die geeignet ist,
sie aufzunehmen. Wir besitzen darüber hinaus einen Zeugen
dieses Textes (die Masadarolle), der nur ein Jahrhundert nach
der Abfassung entstand, und auch die frühen Übersetzungen
(d. h. der griechische und der syrische Text) sind nicht weit
von der Zeit der ursprünglichen Abfassung entfernt. Umgekehrt
sind die fünf Handschriften der Kairoer Geniza, die wir besitzen
und die fast den ganzen hebräischen Text, den wir
kennen, darstellen, mittelalterliche Abschriften eines Textes,
der durch mehrere Jahrhunderte bisweilen nicht sehr verläßlich
überliefert wurde. Während deshalb der masoretische Text
des Alten Testaments mehrere Jahrhunderte hindurch mit bemerkenswerter
Verläßlichkeit überliefert wurde (dies ist der
Grund dafür, daß die ursprüngliche Eigenart der hebräischen
Sprache und der kananäische Einfluß derart bewahrt werden
konnten, daß sie nicht mehr von den alten Übersetzern verstanden
wurden), befindet sich der Text von Ben Sira nahezu
in der umgekehrten Situation: Er ist für eine Umwelt verfaßt,

die in gewisser Weise imstande ist, seine Sprache zu verstehen,
er wird ziemlich früh übersetzt und auf unklare Art durch
mehrere Jahrhunderte überliefert. Es ist deswegen vor allem
notwendig zu klären, welche Beziehungen zwischen den einzelnen
Zeugen des hebräischen Textes und welche zwischen
dem hebräischen Text einerseits und den alten Übersetzungen
andererseits bestehen. Den hebräischen Text ausschließlich von
der philologischen Seite her zu behandeln, scheint daher eine
zu einseitige Methode zu sein. Übrigens zeigt auch Penar
selber, daß die Textkritik immer gebührend bedacht werden
muß und nicht im absoluten Sinn von der Philologie getrennt
werden darf; obwohl er behauptet, daß eine moderne Forschung
von Ben Sira mit einer strengen philologischen Analyse
des hebräischen Textes beginnen müßte (S. 1), gibt er doch
zu, daß viele Stellen wegen der Irrtümer der Abschreiber
im Dunkel liegen (S. 3), und er nimmt z. B. in der Analyse von
20,4 (S. 47) an, daß in der Hs. C eine Verwechslung zwischen
waw und yöd vorliege (bryb steht für brwb).

Im allgemeinen stützt Penar seine philologische Analyse
nicht so sehr auf den hebräischen Text, sondern auf eine bestimmte
Handschrift, indem er den Beitrag der abweichenden
Lesarten weniger beachtet. So nimmt er die Hs. A in 3,17-19
(S. 7 f.) auf und gibt nwtn mtnwt von 17b mit „Giver of Gifts"
wieder, während die Hss. C (m'ys mtn), Gr. und Syr. den Ausdruck
eindeutig auf den Menschen beziehen, und auch A kann
in diesem Sinn verstanden werden. Ähnlich wird in 4,23-24
(S. 16 f.) das b'wlm von 23a mit „from children" wiedergegeben
('ülim, von 'ül „suckling, infant"), gegen die eindeutige Hs. C
(b'ytw), Gr. und Syr. (vgl. auch die Warnung von D. Barthe-
lemy - O. Rickenbacher, Konkordanz zum hebräischen Sirach,
Göttingen 1973, S. 291 Anm. 1). In diesen und anderen ähnlichen
Fällen (vgl. auch 4,30 S. 18: Hs. A und Syr. gegen Hs. C
und Gr.; 16,7, S. 46: Hs. A und Syr. gegen Hs. B und Gr.) versucht
die Übersetzung im gewissen Sinn den gewählten Text
zu rechtfertigen, aber anderswo ist Penar gezwungen, einen
Paralleltext zu wählen, aufgrund von Lücken im verfolgten
Text: vgl. z.B. 44,13-14 (S. 76-78), wo 14a (lückenhaft in der
Hs. A) mit der Mqsadarolle ergänzt wird. Die Textkritik, die
scheinbar in den Hintergrund tritt, darf deshalb nicht beseitigt
werden (vgl. auch den Vorzug der Hs. D gegenüber B in 37,25a,
S. 63). So stützt Penar sich manchmal auch auf die alten Übersetzungen
, und sogar inkonsequent: z. B. gründet er sich in
36,26 (31) (S. 61s.) einerseits auch auf Gr., um in 26c die Präposition
b in kn 'ys („likewise in a man") anzunehmen, mit
Hinweis auf bgdwd von 26a, aber andererseits werden die
Hs. C (k'sr) und Gr. dadurch vernachlässigt, daß er dem b'sr
y'rb in 26d den Sinn „in the place he has entered" geben
möchte, wobei er das schöne Bild des Mannes ohne Frau
[V. 25(30)) aufhebt, welcher als Vagabund umherirrt, und sich
dort ausruht, wo ihn die Nacht überrascht.

Die rein philologische Methode veranschaulicht so, daß ihre
konkrete Anwendung integriert werden muß. Abgesehen davon
zeigt die Arbeit von Penar ziemlich gut, daß die nordwestsemitische
Philologie ohne Zweifel dunkle Stellen klären und
deren poetischen Ausdruck stärker hervorheben kann. Zu den
besser gelungenen Anwendungen sind die Analysen von 36,15
(20)-16(21) (S. 59 f.) und von 51,9-12b (S. 90-95) zu zählen;
im letzteren Text wird der Befreiung von der unterirdischen
Welt größere Bedeutung zugemessen (für 'r? = „unterirdische
Stadt', vgl. jedoch bereits N. J. Tromp, Primitive Conceptions
of Dcath and the Nethcr World in the Old Testament, Romc
1969, S. 43). Göttliche Bezeichnungen werden entdeckt, unter
welchen vor allem fwb („der Gute") in 45,25e-f (S. 79 f.) und
'1 = 'öl in 51,1 ld (S. 91 und 94) erwähnenswert sind, während
die in 49,12c-d (S. 84 f.) vorgebrachten Gründe, um 'wlm als
„der Ewige" zu verstehen, nicht zwingend erscheinen, und es
gibt keinen Anlaß, das rwp' von 38,15 (S. 64 f.) auf Gott zu
beziehen, da der ganze Abschnitt (38,1 ff.) vom Arzt spricht!
Unter den genaueren Sinndeutungen, die einige Wörter erlangen
, beachte man vor allem brktk („your donation") in 7,32
(S. 24) und auch rbym „the eldcrs" in 8,2c-d (S. 26); auch hier
jedoch ist es etwas gekünstelt, dem 'm in 47,23c-d (S. 82 f.)
den Sinn von „wise men" zu geben, wenn Ex 5,4 dasselbe Verb