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Ausgabe: | 1978 |
Spalte: | 309-311 |
Kategorie: | Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft |
Titel/Untertitel: | Neue transkonfessionelle Bewegungen 1978 |
Rezensent: | Obst, Helmut |
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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 4
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seiner Kinder zuließ, mit empfindliehen Sankt ionen be
straft. Auel) solcher Zwang erschien mit dem Geist des
Konzils unvereinbar.
Kennzeichen der Neuregelung unseres Rechtsgebietes
>8t zunächst die starke regionale Auffächerung des neuen
Msehehenrechtes. Die regionalen Gepflogenheiten in der
rechtlichen Behandlung der Mischehe weichen innerhalb
der katholischen Kirche so stark voneinander ab, daß auf
eine inhaltlich einheitliche Gesetzgebung weithin verzichtet
werden mußte. Diese starken Divergenzen traten etwa
bei den Aussprachen der Bischofssynode 1967 in Erscheinung
. Unter diesen Umständen konnte der Papst mit seinem
Motu Proprio „Matrimonia Mixta" nur ein Rahmen-
gesetz geben, das dann von den regionalen Bisehofskonferenzen
inhaltlich aufzufüllen war. Die von den Bischofs-
kpnferenzen im deutschen Sprachgebiet erlassenen Ausführungsbestimmungen
sind also inhaltlich notwendige
Ergänzungen zu der päpstlichen Gesetzgebung.
Eine wesentliche Veränderung haben im neuen Mischehenrecht
die sogenannten Cautelen erfahren. Das Versprechen
der katholischen Taufe und Kindererziehung hat
jetzt nur der katholische Partner einer zur katholischen
Trauung anstehenden Mischehe abzugeben und auch dieser
nur als ein Versprechen „pro viribus". Er verspricht
zwar „nach Kräften" alles zu tun für die katholische Erziehung
seiner zu erwartenden Kinder, er braucht aber
keine Art von Garantie mehr zu bieten, daß das Versprechen
gehalten wird, er braucht kein „Erfüllungsversprechen
" mehr' zu geben. Er erklärt zwar, der Pflicht der
katholischen Kindererziehung sich bewußt zu sein, doch
kann diese Pflicht durch andere Pflichten in seiner Ehe
eingeschränkt sein.
Im übrigen ist zu beobachten, daß die Lockerung des
Mischehenrechtes kaum durch Aufhebung bisheriger
Rechtsbestimmungen, erheblich aber durch Ausweitung
Dispenspraxis erfolgt. So ist die konfessionsverschie-
dene Ehe nach wie vor verboten, doch kann jetzt schon
der örtliche Seelsorger von diesem Verbot dispensieren.
Auch weiterhin ist die Erfüllung der Formvorschrift, also
die katholische Trauung, Voraussetzung für die Gültigkeit
auch einei- Mischehe, doch kann jetzt schon der örtliche
Bischof von dieser Formpflicht dispensieren und so eine
evangelische oder eine nur standesamtliehe Trauung konzedieren
. Innerhalb dieses durch Dispense geschaffenen
t ieiraums ist jetzt vieles möglich, z. B. die Trauung eines
Mischehepaares durch einen evangelischen Geistliehen
unter gastweiser Mitwirkung eines katholischen Geistlichen
. Bedauerlich ist jedoch, daß solche Freiräume nur
durch Dispense, also nur durch Ausnahmerecht geschaffen
Verden. Es wäre zu wünschen, daß die Reform des Misch-
ehenrechtes nicht nur auf dem Wege der Ausnahme-
regelung, sondern durch grundsätzliche Neuordnung dieses
Rechtsgebietes weitergeführt wird.
Kernlmrc Karl-Wilhelm Borenbruch
MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE
Gaßmann, Günther, Meyer, Harding u. Gunars J. Ansons [Hrsg.]:
Neue transkonfessionelle Bewegungen. Dokumente aus der evah-
gelikalen, der aktionszentrierten und der charismatischen Bewegung
. Frankfurt/M.: Lembeck, u. Frankfurt/M.: Knecht
[1976]. 208 S. 8° = Ökumenische Dokumentation, im Auftrag
des Instituts für ökumenische Forschung in Strasbourg, hrsg.
G. Gaßmann u. H. Meyer, III. Kart, DM 19,80.
Die innerkirchliche Gruppenbildung hat in den letzten
Jahren weltweit zugenommen. Alle großen christlichen
Konfessionen sind davon betroffen. Ein besonders bedeutungsvolles
Phänomen stellen die „transkonfessionellen"
Bewegungen dar. Sie signalisieren eine religiöse Neugruppierung
horizontal zu den traditionellen Konfessionen,
Ihre innere und äußere Dynamik zwingt die Kirchen zur
Bestandsaufnahme und zur Auseinandersetzung. Inner-
kirchlich wie ökumenisch sind diese Gruppen „Hoffnungszeichen
und Gefahrenquellen zugleich" (S.7). Das allgemeine
Informationsbedürfnis über ihre Geschichte, ihre
Anliegen und Ziele ist groß.
Das Straß burger Zentrum für ökumenische Forschung
beschäftigt sich seit längerem auch mit den transkonfessionellen
Bewegungen und legt nun im Rahmen einer Dokumentation
die Ergebnisse der bisherigen Studien vor. Drei
Gruppen werden präsentiert: die evangelikale, die aktions-
zentrierte und die charismatische Bewegung. Der Begriff
„aktionszentriert" ist eine Neuprägung in seiner Anwendung
auf Gruppen, deren zentrales Anliegen mit dem Stichwort
„weltverändernde Aktion" (S.lü) umschrieben werden
kann (z. B. „Christen für den Sozialismus").
Im Hauptteil (S.45-200) stellen G. Ansons, A.Birmele,
G. Gaßmann, H.Meyer und V.Vajta nach kurzen, jeweils
sehr informativen Bemerkungen zum „geschichtlichen
Hintergrund" und Kontext der Dokumente die drei Gruppen
durch grundlegende Texte vor. Das Bemühen, die
Auswahl aus der Fülle des vorliegenden Materials so zu
gestalten, daß den „Bewegungen in ihrer Komplexität und
ihrer geographischen Ausfächerung soweit wie möglich"
Rechnung getragen wird (S.8), kann aufs Ganze gesehen
als gelungen bezeichnet werden, wenn auch naturgemäß
mancher Einzelwunsch offen bleibt. Unter anderem ist die
evangelikale Bewegung mit der „Erklärung von Wheaton"
(1966), der „Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise
der Mission" (1970) und der „Lausanner Verpflichtung"
(1974) vertreten; die aktionszentrierte Bewegung mit der
Erklärung „Priester für die Dritte Welt" (1968), der „Erklärung
des peruanischen Episkopats - Gerechtigkeit in
der Welt" (1971), den Abschlußerklärungen der Kongresse
„Christen für den Sozialismus" (Santiago de Chile 1972.
Quebec 1975); die charismatische Bewegung mit den
„Theologischen und pastoralen Orientierungen über die
katholische und charismatische Erneuerung" (1974), dem
Dokument „Charismatische Bewegung in der Lutherischen
Kirche in Amerika - Eine pastorale Perspektive"
(1974) und der Erklärung „Theologische Leitlinien der
charismatischen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen
Kirche" (1976).
Das Verständnis und die theologische Reflexion dieser
und der anderen, hier nicht erwähnten Texte, wird durch
die „Stellungnahme des Instituts" (S.9-43) erheblich gefördert
und erleichtert, freilich auch vorbelastet, Eine
„ausgewählte Bibliographie" (S. 201-204) ist ebenso wie
das Sachregister für die weiterführende Arbeit hilfreich.
Die Stellungnahme hebt sich durch Sachlichkeit, Klarheit
und Übersichtlichkeit von manch ähnlichem oder verwandtem
Vorhaben, man denke etwa an das DÖSTA-
Projekt „Christliche Großkirchen und religiöse Gruppen",
vorteilhaft ab. Zunächst wird das „Phänomen der transkonfessionellen
Bewegungen" einschließlich des sozialen
und historischen Hintergrundes untersucht (Kap.I). Die
anschließend gestellte Frage: „Transkonfessionelle Bewegungen
als neue Konfession ?" (Kap. II) findet dahingehend
ihre Beantwortung, daß es sich um „konfessionsähnliche
Gruppierungen", gleichsam um „jüngere Schwestern der
bestehenden christlichen Konfessionen" handle (S.22).
I >en Bemerkungen über das Verhältnis dieser Gruppierungen
zur Kirche bzw. den Kirchen und zur ökumenischen
Bewegung (Kap. III, IV) folgen „kritische Anfragen"
(Kap. V) an alle drei Gruppen („Primat der Erfahrung?
Anti-institutionelle Grundhaltung? Hermeneutische Engführungen
?"). M it Blick auf die „extremeren Ausformungen
der für jede der drei Bewegungen kennzeichnenden
Grundhaltungen" (S.35) werden die Evangelikaien gefragt
, ob ihr theologisches System nicht von einem „durchgängigen
Dualismus" bestimmt sei, der aktionszentrierten
Bewegung wird die Frage nach der „Ethisierung des Glaubens
" und den Charismatikern nach der „Herrlichkeit ohne
Kreuz" gestellt (S.35ff.). Mit „konstruktiven Überlegun-