Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1978

Spalte:

258-260

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Cholewiński, Alfred

Titel/Untertitel:

Heiligkeitsgesetz und Deuteronomium 1978

Rezensent:

Thiel, Winfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

257

Theologische Literaturzeitiing 103. .Jahrgang H>78 Nr. 4

258

ständlicherweise die Diskussion um die Etymologie einschließt
. Der Prophet hat nach S.Herrmann „... dienende
und vermittelnde Funktion, indem er aufnimmt
und weitergibt, was ihm von höherer, zumeist göttlich
vorgestellter Instanz zuteil wurde" (S. 12). Diese Deutung
wird durch die Darstellung verwandter Erscheinungen in
der Umwelt Israels nach alttestamentlichen und außerbiblischen
Quellen untermauert , wie das alttestamentliche
Prophetentum überhaupt eine kräftige Affinität zu entsprechenden
in der Umwelt auftretenden Phänomenen gehabt
, aber in seinem Wirken gerade entscheidende Gegensätze
zu diesen hervorgerufen hat. Der Prophetismus ist
wesentlich aus dem Beharren Alt-Israels auf dem Stammes
- und Sippendenken früherer Zeiten sowie dem Festhalten
an dem Gott Israels als dem Gott des Rechts innerhalb
einer religiös-soziologisch fremden Welt zu erklären.
Die Herausforderung durch diese Nachbarschaft hat
schließlich über die frühen Stadien des alttestamentlichen
Prophetentums hinaus zu den großen „Schriftpropheten"
des S.Jahrhunderts: Arnos, Hosea, Jesaia und Micha führen
können, die in kritischer Distanz alles das beobachteten
, was das Kulturland dem Volk Israel anzubieten vermochte
. In diesem Rahmen haben sich die Schrift prophe-
ten auch mit den Bindungen des Prophetismus an institutionelle
Formen auseinandersetzen müssen. Eine besondere
Wirkung übte auf das alttestamentliche Prophetentum
die Exilszeit aus, die nicht allein zu neuen Inhalten, sondern
auch zu neuen Formen führte, welche in den „Nachtgesichten
" des Propheten Sacharja dann den Ansatz des
apokalyptischen Schrifttums erkennbar werden lassen.

Unter dem zweiten Thema versucht der Autor dann
stärker den strukturell-geschichtlichen Kontext des alttestamentlichen
Prophetismus herauszustellen. Nach H.
sind das Auftreten und die Wirksamkeit des altisraelitischen
Prophetentums aus der sogenannten „Weisheitslehre
" heraus deutbar, die einen Normenkatalog aufgestellt
hatte, nach welchem das menschliche Zusammenleben
zu verlaufen habe. Dieser ist nun nicht heiligtumsorientiert
, sondern an der Tradition der Sippe und deren
Almen ausgerichtet. Als sakrale Bindungen können lediglich
die an Zelt und Lade verzeichnet werden, denen damit
hohes Alter zugebilligt wird, jedoch nicht an einen
Tempel. Derauf diese Weise verehrte (iott wird vornehmlich
in seinen ethischen Forderungen verstehbar. Von daher
hatte sich das alte Israel mit der kult ischen Religiosität
des Kulturlandes auseinanderzusetzen vermocht, und
hat gerade in der kritischen Adaption von Kulturgütern
seine entscheidende Prägung erfahren. Eben darin hatten
die Pr opheten eine besondere Aufgabe wahrgenommen.

Es beeindruckt schon, wie im letzten Aufsatz das alttestamentliche
Prophetentum gerade von der- Weisheit
Alt-Israels her zu deuten versucht wird. Ob darauf die
entschiedene Distanzierung vom Kult zu gründen ist.
bleibt aber' zu fragen. Die Weisheit sichre hat im Alten
Testament wie anderwärts ein'' ausgesprochen erzieherische
Funktion: sie war in ihrer Weltoffenheit nnd-zuge-
wandtheittheologisch Freilich nicht wertungsfrei, läßt sieh
aber als Stimulus der ethischen Botschaft der Propheten
allerdings nicht hinreichend verstehen. Demgegenüber
muß zugestanden werden, daß auch der Kult seine ethischen
Forderungen aufgestellt hat. die sicher anders
strukturiert waren. Ks ist überhaupt zu fragen, ob man
das Prophetentum im alten Israel richtig deutet, wenn
man seine Kult polemik so starfc zum Kriterium erhebt und
gewillt ist. ihr die prägende Wirkung schlechthin beizumessen
. Ethisch normierend hat die ..Tradition", und zu
dieser gehört auch die priesterliche Unterweisung, ganz
sicher auch gewirkt. Wenn dem Prophetismus in dieser
Richtung ein besonderes Los zugefallen ist, dann das der
aufrüttelnden Aktualisierung der ethischen Norm, des
Gebotes.

Auf jeden Fall ist die vorliegende eingängige und gut
fundierte wie informierende Zusammenfassung des Standes
der Diskussion von Siegfried Herrmann, der in der
Prophetenforschung bereits hervorgetreten ist, sehr verdienstreich
, besonders für den, der diesem Stoff nicht
ständig und weitgehend verbunden ist .

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Cholewinski, Alfred, S.J.: Heiligkeitsgesetz und Deuteronomiuin.

Eine vergleichende Studie. Rome: Biblical Institute Press 197G.
XXVII, 350 S. gr. 8° = Analecta Biblica 66. Kart. Lire 16.500.

Das Verhältnis des Heiligkeitsgesetzes (Hg) zum Deutc-
ronomium (Dtn) ist eines der Hauptprobleme bei der Beurteilung
des Hg. Merkwürdigerweise war es bisher noch
nicht Gegenstand einer umfassenden Studie. Dieses Desiderat
wird durch die vorliegende Arbeit behoben. Der Vf.
empfing die Anregungen zu seiner Untersuchung bereits
bei seinem Studium in Warschau und Lublin. Am Päpstlichen
Bibelinstitut in Rom konnte er sie unter Betreuung
N. Lohfinks zu einer Dissertation ausarbeiten. Sie liegt nun
gedruckt vor.

Die Arbeit verficht die These, daß das Hg zur Ergänzung
und Korrektur des Dtn geschaffen wurde. Da die Bezüge
zum Dtn in den einzelnen Kapiteln in unterschiedlicher
Weise auftreten und so auf die komplizierte Redaktionsgeschichte
des Hg verweisen, eröffnet der Vf. seine
Untersuchung mit einem I. Teil „Redakt ionskritik des
Hg" (S. 11-141). Die redaktionsgeschichtliche Analyse,
der er jedes Kapitel unterzieht, steht den Konzeptionen
von R.Kilian (BBB 19, 1963) und K.Elliger (Leviticus,
1960) nahe, bat neben ihnen aber durchaus eigenständigen
Wert. Die eingehende Analyse wird bei jedem Kapitel mit
einer- Ubersicht über die herausgearbeiteten redaktionellen
Schichten abgeschlossen. Der gesamte Hauptteil wird
überdies durch eine „Zusammenfassung" der Ergebnisse
abgerundet. Hier entwirft der Vf. das folgende Bild von
der Entstehungsgeschichte des Hg: Auf die erste Phase,
die der vorgegebenen alten Überlieferungen, folgt im zweiten
Stadium die redaktionelle Arbeit, jedoch zunächst an
Einzelkomplexen des späteren Hg. Die Redaktion III
zeigt sich in vier sukzessiven Schichten in Lev 17,3-9. Die
Redaktion 112 verfaßte in K.18-19 eine „Grundordnung
" des israelitischen Lebens (im sexuellen, sozialen
und kultischen Bereich). Die Redaktion II:} in K.20-22
entstand in drei Phasen, wobei das ursprünglich auf 21,1
bis 15 folgende K.20 nach vorn versetzt wurde. Die H4-
Redaktion schuf den exakt datierenden Festkalender in
K..23. H5 schließlich enthält den ersten Entwurf der Sabbat
- und Jobeljahrgesetzgebung in K.25. Diese Redakt tonen
stellten selbständige kleine Sammlungen dar. In der
dr itten Phase wurden sie durch HG, die Hauptredaktion
des Hg. zu diesem Korpus zusammengeschlossen und
stark bear beitet. Mit Ausnahme von Lev 21 : 2.'?: 24 fehlen
ihre Beiträge in keinem Kapitel. Dieser Redaktion eignet
deran das Diu erinnernde pa Kinetische Ton, sie bevorzug!
bestimmte Strukturen und bezieht sieh oll auf die Heilsgeschichte
. Entstanden ist sie in der Exilszeit. Sie setzt,
wie auch schon II 1 und 113. die priest erliehe Grundschrift
(Pg) voraus und polemisiert gegen einige ihrer Konzeptionen
. Das von ihr geschaffene llg dürfte zum Einbau in die
Pg bestimmt gewesen sein (mit K.Elliger). Alle Redaktionen
sind aus priesterlichen Kreisen herzuleiten. Nach
HG erhielt das ||g noch einige kleine, sukzessive Erweite-
i ttngen (Ha, IIb, Hc, Hd, He). Einer letzten, spät priesterlichen
Redaktion (P), die Hg an die spätere sekundär-
priesterschriftliche Literatur (Ps) anzugleichen suchte,
sind außer dem ganzen K.24 nur wenige kleine Einsätze in
den K IT: IS: 19: 21: 2.'5 zuzuweisen. Diese geringe Bewertung
des P-Anteils, die sich stark von der bisherigen
Exegese unterscheidet, ist Folge der Annahme, daß HG
und die vorhergehenden Redaktionen Pg und auch schon
frühe Ps-Schriften voraussetzen, z.T. auf sie hin konzipiert
sind und selbst aus Priesterkreisen stammen.