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Ausgabe:

1977

Spalte:

150-152

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Hamm, Berndt

Titel/Untertitel:

Promissio, pactum, ordinatio 1977

Rezensent:

Hamm, Berndt

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 2

150

Mit dieser Feststellung ist hereits die Einteilung der Arheit
gegeben.

Der erste Hauptteil, „Die unpolemischen Zeugnisse von
Menschenopfern" (S. 4—92), behandelt, ausgehend von
den kurzen Bestimmungen über die Darbringung und
Auslösung der erstgeborenen Söhne (Ex 22, 28 f.; 13,
11 —10 und 34, 19 f.), ausführlich die beiden Erzählungen,
die Opferung Isaaks (Gen 22, 1 —19) und die Opferung
der Tochter Jephtas (Iii 11, 30—40) sowie den Bericht
über das Opfer dos Sohnes des Moabiterkönigs Mescha
(2 Kön 3, 27). Empfänger der Menschenopfergaben ist fast
immer Jahwe; in 2 Kön 3, 27, wo keine Gottheit genannt
wird, ist der Moabitergott Kamosch vorauszusetzen. Die
unpolemischen Nachrichten haben, abgesehen von 2 Kön :i,
27, weitaus frühere Zeitverhältnisse im Hintergrund als
die polomischen, nämlich die vor Entstehung des Israelitischen
Königtums, aber nach Seßhaftwerdung im kana-
anäischen Kulturland, Irgendeine ablehnende Haltung
gegenüber dem Menschenopfer läßt sich in keinem der betreffenden
Texte nachweisen. Vielmehr ist festzustellen,
daß derartige Opfer in früherei' Zeit im Jahweglauben als
legitim gegolten haben.

Gen 22, Ri 11 und 2 Kön 3, 27 zeigen deutlich den
außergewöhnlichen Charakter von Menschenopfern. So
findet man hier den hohen Wert der Opferpersonen hervorgehoben
. Den Anlässen der Opfer liegt jeweils eine besondere
Situation zugrunde, in die bedeutende Männer, d.h.
die Väter der Opferpersonen gestellt waren (göttlicher
Opferbefehl an Abraham in Gen 22, Kriegssituation in
Ri 11 und 2 Kön 3, 27). — Die Beschäftigung mit Gen 22
Und Ri 11 ist insofern kompliziert, als hier die schwierigen
überlieferungsgeschichlichen Fragen berücksichtigt werden
müssen. Die Untersuchung von Gen 22 setzt sich mit Konzeptionen
eines ursprünglich von der Gehorsamsprüfung
getrennten Üborlieferungsgelialtes auseinander. Gemäß
dem verbreiteten Gedanken einer Kultätiologio sei in
einem Heiligtum der frühere Brauch eines Kinderopfers
gemäß einer göttlichen Willenskundgebung durch den
eines Tieropfers abgelöst worden, so daß sich hierbei das
Augenmerk auf das Menschenopfer (V. 13 f.) richtet (z. B.
H. Gunkel, Genesis. 19103). In dem Text ist. jedoch keine
Reflexion darüber zu erkennen. Ferner ist die fehlende bzw.
nicht, bestimmbare Ortsangabe zu berücksichtigen. In
letzter Zeit, haben einige Exegeten eine frühere Erzählung
von der Heilung des zum Opfer bestimmten Sohnes zu rekonstruieren
versucht, bei der als Höhepunkt die Zurücknahme
des Opferbefehls in V. 12 gilt (z. B. H. Graf Re-
ventlow. Opfere deinen Solin. 1908, und R.Kilian, Isaaks
Opferung. 1970). Aber es fehlt jegliche Anspielung auf ein
Bedürfnis nach einer Rettung und die daraus resultierende
Andeutung einer Verzweiflung des Vaters und des Sohnes;
denn erst dadurch wäre dieses Motiv verständlich. Die an
Abraham ergangene Glaubensprobe läßt sich von seiner
altüberlieferten Funktion als Träger der Verheißung vorstehen
(vgl. den Nachtrag V. 15—18). So wird man als
Hintergrund von V. 1 —14 die Vorstellung vorauszusetzen
haben, daß Jahwe ein absolutes Verfügungsrecht über das
Leben hat und damit auch die zugesagte Verheißung wieder
zurücknehmen kann. — Die Analyse von Ri 11, 30—40
verwertet viele neue Gesichtspunkte der Untersuchung
des Kontextes 10.0—12,7. Tn dem einzigen unpolemisehen
Zeugnis für ein vollzogenes Menschenopfer verdeutlichen
die Niedergeschlagenheit des Vaters und die Klage der
Tochter über die Nichterfüllung der Mutterschaft sowie
das alljährliche Trauerfest die im AT bezeugte negative
Einstellung zum frühzeitigen Tod und damit das seltene
Vorkommen von tatsächlichen Menschenopfern an Jahwe.

Tn dem zweiten Houptt.ci] der Arbeit, ..Die polemischen
^oujmisse von Menschenopfern" (S. 93—145), zielt alles
n«f die Auseinandersetzung mit, O. Einfeld). Von den
Termini ausgehend, wird zwischen dem Menschenopfer

IB&bah, sähat — schlachten; s&raf bä-'W — mit Feuer verbrennen
) und dem Feuerdurchgang"'(hä'äbir bfi-'es) bzw.

der Weihe (hä'äbir) unterschieden — die Aussagen der
letzteren Gruppe werden fälschlich sein- häufig als Hinweise
auf derartige Opfer verstanden. Die Nachrichten über den
Molochkult — hä'äbir (bä-'es) lam-molek — (Lev 18,21;
20,2 — 5; 2 Kön 23, 10; Jer 32,35) haben eine Weibe von
Kindern an den Gott Moloch zum Inhalt. So isl Molek
entgegen Eißfeldt nicht als Opferterminus, sondern als
Gottesname anzusehen (z. B. ist der Molochname wie der
Jahwename mit hä'äbir bzw. nfttan und der Präposition
1" konstruiert, vgl. Ex 13,12 und 22,28 f.).

Hamm, Berndt: Promlssio, Pactum, Ordination Freiheil und
Selbstbindung Gottes in der scholastischen Gnadenlehre,
Diss. Tübingen 1975. XI 0. 007 S.

Wie aus der Einleitung hervorgeht, wird in der vorliegenden
Arbeit der Versuch unternommen, die Gesohiehte
dos Gedankens einer freien Selbstbindung Gottes in der
scholastischen Gnadenlehre darzustellen und das theologische
Anliegen, das sich hinter den verschiedenen Ausformungen
dieses Gedankens verbirgt, sichtbar zu machen.
Die Vorstellung von der freien Selbstbindung Gottes fand
sich im Zeitraum von Augustin bis Luther überall dort, wo
die regelhafto Gültigkeit einer bestimmten Heilsordnung
nicht ausschließlich durch ontologische Argumente — etwa
durch den Verweis auf das unwandelbare Wesen Gottes —.
sondern durch eine kontingente Entscheidung und Verordnung
des göttlichen Willens begründe! wird; Birst der
geschichtliche (weil nur geschichtlich verifizierbare) Akt
einer ordinatio, promissio, eonventio, eines pactum, de-
cretum oder statutum Gottes verknüpft den Aspekt der

absoluten Wahlfreiheit Gottes, in der sieb seine souveräne
Überlegenheit gegenüber der Schöpfung zeigt, mit dem
Gesichtspunkt der verläßlichen Relevanz falscher Heilsordnungen
.

Die Darstellung des Selbstbindungsgedankens in der
Gnadenlehro Augustins und exemplarischer Theologen der
Früh- und Hochscholastik (1. — 5. Kap.) wird unter einem
systematischen Gesichtspunkt in drei Haupt komplexe
gegliedert, sofern man zwischen einem integrntiven, einem
exklusiven und einem restriktiven Verständnis der freien
Selbstbindung Gottes unterscheiden kann. Diese Unterscheidung
orientiert sich an dem Spannungsverhältnis
zwischen dem [nnenaspekt der gottgesohenkten Qualität
menschlichen Handelns und dem Außenaspekt der freien
göttlichen Verfügung, die den Werken des Mensehen eine
ihnen nicht innewohnende verdienstliche Relevanz von
außen zuspricht. Der integrative Selbstbindungsgedanke,
der sich bei Augustin (1. Kap.) und in Abhängigkeit von
ihm bei frühscholastischon Theologen wie Bernhard von
Clairvaux und Petrus Lombardus (2. Kap.) findet, isl
darinITih gekennzeichnet, daß er die Bedeutung des immanenten
Wertmoments in Gestalt der Gnade als Ursache
für das Entstehen der Schuldnersohaft Gottes weder ausschließt
noch zugunsten dos externen Verfügungsmoments
einschränkt, sondern lediglich in der heilsgeschichtlichen
Klammer der göttlichen Verheißung verankert. Charakteristisch
für die exklusive Konzeption (4. Kap.) ist. daß
sie durch den Gesichtspunkt der freien Selbstbindung

Gottes einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen
der Gnade bzw. den Gnadenwerken und der Schuldnerschaft
Gottes sowie der Verdienstlichkeit der Werke
ausschließt. Sie wurde, durch die august iniseh - i n I e^ral i ve
Konzeption beeinflußt, zuerst (2. Hälfte des 12. .Iiis.)
innerhalb des porretanisehen Einflußbereichs (Kardinal
Laborans, Paulinenkommentar Cod. Paris. Nat. lat. 686,
Petrus Cantor, Paulinenkommentar Cod. Paris, Not. lat.
3572), seit dem Ende des 12. .Iiis, auch in einem weiteren
Umkreis (Paulinonkommentare Cod. Bamberg. Bibl. 132
und Cod. Paris. Arsenal, lat. 534, Quästionen Cod. Vat. lat.
782) vertreten. Der tiefgreifende Wandel des Gnadenbegriffs
, der sieh an der Wende vom 12. zum 13. Jh. vollzieht
, bewirkte die Weiterentwicklung des exklusiven zum