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Ausgabe:

1977

Spalte:

596-597

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Die Augustiner vom Beginn der Reformation bis zur katholischen Restauration 1518 - 1648 1977

Rezensent:

Kleineidam, Erich

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

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reformatorischer Anschauung", 1959, gehört zu dem Themenkatalog
, nach dem für den Aufbau der Kirche nach
1945 drängend gefragt wurde. Luthers Verständnis der
Sache stellt sich für Bornkamm so dar: „Die Bindung gilt
der bleibenden Grundordnung der Kirche, dem Evangelium
, das Verkündigung, sichtbare Zeichen und jede andere
geeignete Form der Weitergabe des Wortes umschließt
und die elementare Einteilung in Predigen und
Hören (sonst allerdings keine) erfordert; die Freiheit gilt
den jeweiligen Gestalten, die das Wort annehmen muß,
um an sein Ziel, an die Herzen der Menschen zu kommen."
(S. 252) Wenn Bornkamm von dieser Sicht die „unhistorische
Schematisierung" (S. 250) der „reformierte(n) Kirchengestaltung
" abhebt - vornehmlich was die Lehre von
den vier Ämtern angeht -, so könnte gefragt werden,
ob die Befunde reformierter Ordnungstheorie und -praxis
zu dieser Klischeevorstellung wirklich berechtigen.

Einer in dritter Auflage 1969 erschienenen Aufarbeitung
der Zwei-Reiche-Lehre Luthers läßt Bornkamm 1972
eine weitere Studie zum Problem „Der Christ und die zwei
Reiche" folgen, die der „Schizophrenie" (S. 255) des in
beiden Reichen lebenden Christen wehren und somit eine
Aufforderung zu christlicher Weltverantwortung sein will.
Eine rechte Differenzierung zwischen den beiden Reichen
im Sinne Luthers führt auch zu dem Gedanken, der zum
engagierten Miteinander von Nichtchristen und Christen
in den je und dann gegebenen Bezugshorizonten freisetzt:
„Darum sind wir denen, die sich nicht als Christen ansehen
, nicht nur im gemeinsamen Rechts- und Ordnungsdienst
, sondern in einem gemeinsamen Liebesdienst verbunden
und sollten ihnen das ohne Rückhalt bezeugen."
(S. 266) Von hier aus mag auch das Recht freimütiger Kritik
abgeleitet werden, die gegenüber römisch-katholischen
und evangelischen staatstheoretischen Konzeptionen im
16. und 17. Jahrhundert schwerlich zu unterdrücken ist.
In dem Aufsatz „Die religiöse und politische Problematik
im Verhältnis der Konfessionen im Reich", 1965, weist der
Vf. auf das unlösliche Ineinander von religiösen und politischen
Fragen für das Werden der Neuzeit hin.

Im letzten Beitrag nimmt Bornkamm wie an anderen
St ellen des vorliegenden Sammelbandes auch bereits von
ihm bearbeitete Materien auf. Nach seinem 1925 erschie-
nenen Buch „Luther und Böhme" möchte er in dem Be-
sl reben, „Jakob Böhme geistesgeschichtlich einzukreisen"
(S. 275), nun auf die Zusammenhänge von „Renaissancemystik
,, Luther und Böhme" (1927) aufmerksam machen.
Der Rez. kann das Ergebnis der Studie schwerlich besser
verdichtet wiedergeben als ihr Vf. es am Schluß selbst getan
hat: „Bis in die letzten Fasern hinein ist in Böhmes
Denken die lutherische Erbmasse bestimmend, so eigenartig
und tief verwandelt vielfach die Form ist, die er dem
Traditionsgut gegeben hat. Aus diesen Keimen sind die
Grundzüge herzuleiten, die seine Eigenart gegenüber der
mittelalterlichen Mystik und Renaissance ausmachen. Sie
bilden zugleich wesentliche Stücke seiner ausgebreiteten
Nachwirkung, vornehmlich auf die Romantik und den
deutschen Idealismus." (S. 307)

Bornkamms Arbeit an Luther ist gespannt von der
Scholastik bis in die Profilierungen der Neuzeit. Die nunmehr
gesammelten und deshalb leicht zugänglichen Beiträge
sind des Zeugen. So auch ist der Aufsatzband in hervorragender
Weise geeignet, „Gestalt" und „Wirkungen"
des Reformators für heutiges Verständnis transparent zu
machen.

Berlin Joachim JOw

Guiterrez, David, O.S.A.: Die Augustiner vom Beginn der Reformation
bis zur katholischen Restauration 1518 1648. Rom: Historisches
Institut des Augustinerordens; Würzburg: Augustinus
-Verlag 1975. XI, :$79 S. 8° = Geschichte des Augustinerordens
. Veröffentlicht von der Generalkurie des Ordens, 2.
DM 45,-.

Die Augustincreremiten entfalten zur Zeit von allen
Orden wohl die stärkste Aktivität auf dem Gebiet der
Ordensgeschichte. Neben dem hervorragenden Werk von
A. Kunzelmann, Geschichte der deutschen Augustiner-
Eremiten, von dem bisher sechs Bände vorliegen, erscheint
nun eine von der Generalkurie des Ordens in Rom veröffentlichte
Geschichte des Augustinerordens. Sie ist eine
Gemeinschaftsarbeit von Historikern des Ordens und soll
in drei Bänden erscheinen; hier liegt zunächst der zweite
Band vor, die beiden anderen sollen später folgen. Der
Band ist bearbeitet von David Guiterrez, einem spanischen
Augustiner, der seit etwa vierzig Jahren als Professor
für Geschichte und Theologie des Äugustinerordens an
der Internationalen Theologischen Hochschule des Ordens
in Rom wirkt. Jahrzehntelang war er auch Herausgeber
der Zeitschrift Analecta Augustiniana. Das Werk erschien
1971 in spanischer Sprache, 1972 kam eine italienische
Übersetzung heraus, jetzt 1975 die deutsche Übersetzung,
die aber in Literatur und Text auf den Stand der Forschung
von heute gebracht ist. Das Werk ist als Handbuch vor
allem für die Mitglieder der eigenen Ordensfamilie gedacht;
es ist aber weit mehr als eine bloße Zusammenstellung bisheriger
Forschung, weil es in reichem Maße die Archivalien
des Generalarchivs des Augustinerordens in Rom
heranzieht und viel neues und zuverlässiges Material beibringt
. Der große Vorteil des Buches ist es, daß ein Spanier
den Band bearbeitet hat, der selbst ein ausgezeichneter
Historiker ist und die Weite des Blicks besitzt, die Geschichte
eines Ordens zu überschauen, der über die ganze
Welt verbreitet ist. Wir sehen die Ordensgeschichte oft zu
sehr unter dem deutschen Gesichtswinkel und vergessen,
daß der Orden um 1518 nicht weniger als 27 Provinzen
und dazu zehn Kongregationen der Observanz besaß, von
denen nur eine in Deutschland war. In den Stürmen der
Reformationszeit gingen drei Provinzen - die sächsischthüringische
, die ungarische und die englische - und eine
Observanzenkongregation - die sächsische - unter, es blieben
also 24 Provinzen und neun Kongregationen übrig, die
der Ordensgeneral nicht aus dem Auge verlieren durfte,
auch wenn ihn die Vorgänge in Deutschland sehr in Beschlag
nahmen. In diesem Zeitalter dehnte sich der Orden
mächtig aus, es ist das goldene Zeitalter Spaniens, und es
überrascht, wie stark die Augustiner an der Missionierung
der neuen Welt beteiligt sind. Das große achte Kapitel des
Buches belichtet ausführlich über die Missionstätigkeit in
Mexiko, Peru, Ekuador, Kolumbien und Venezuela, in
Chile und auf den Philippinen, in China und Japan und in
den portugiesischen Kolonien - eine Ausweitung des Ordens
, die wir nur allzu leicht vergessen.

Das Werk stellt sich die Aufgabe, sowohl die äußere
Entwicklung und Geschichte des Ordens darzustellen wie
über sein inneres Leben zu berichten. Das erste Kapitel
schildert die Verluste des Ordens am Beginn der Neuzeit,
das zweite gibt einen Bericht über die Gencralkapitel von
1519 bis 1575, das dritte über die neuen Konstitutionen.
Es folgt im vierten Kapitel eine Geschichte der Provinzen
und Kongregationen in den einzelnen Ländern und macht
abschließend den sehr interessanten Versuch, eine Statistik
des Ordens für die Zeit um 1545 aufzustellen. Das
fünfte Kapitel schildert das religiöse Leben, das sechste die
wissenschaftliche und literarische, das siebente die seelsorgerliche
, das achte die missionarische Tätigkeit des
Ordens. Das neunte und letzte Kapitel bringt ("inen eingehenden
Berieht über die so oft vergessenen Augustinerinnen
. Ein besonderer Vorzug des Buches ist seine ausgezeichnete
Bibliographie internationalen Ausmaßes und
seine Übersieht über die gedruckten und ungedruckten