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Ausgabe:

1977

Spalte:

532-533

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Dullaart, Leo

Titel/Untertitel:

Kirche und Ekklesiologie 1977

Rezensent:

Kühn, Ulrich

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531

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 7

K. ordnet zunächst A. theologicgeschichtlich ein: Kap. I „Zw ischen
Barth und Troeltsch"; Kap. II „Ein Mittelweg: Ein protestantischer
Weg"; nennt ihn „im guten Sinne des Wortes einen
.Vermittlungstheologen'" (236). In Kap. III und IV stellt K. dar,
wie für A. die Religionen ein Echo auf die Uroffenharung sind und
wie er sie deshalb positiv würdigen kann.

Aber dieses „Ja" zu den Religionen ist nur das eine Wort von A.
Das andere ist ein sehr deutliches „Nein". Für K. ist dieses „Nein"
„so extrem, daß es zu einem grundsätzlichen und verwirrenden
Widerspruch zu fast jeder Art seines ,Ja' wird" (239). K. kann
nicht umhin, A.s Anspruch, dialektisch zu reden, zurückzuweisen
und ihm statt dessen widersprüchliches Reden zu bescheinigen
(Kap. V).

In Kap.VI zeigt K. den Grund für diese Widersprüchlichkeit
auf, nämlich „die Rechtfertigungslehre, die im Zentrum der Alt-
hausschen Theologie steht". Sie ist die Ursache für sein „endgültiges
Verdikt der Religionen" (240). So verläßt A. seinen Mittelweg
und gerät in die Nähe Barths (180).

In Kap.VII referiert K. ausführlich die Stellungnahmen von
H. G. Fritzsche, C. H. Ratsc how und W. Pannenberg und kurz die
vieler anderer zum Thema Religion und kommt zu dem Ergebnis:
,,. . . die in unserem ,case study' herausgearbeitete Position Althaus
' besitzt auch heute noch in der deutschsprachigen protestantischen
Theologie Gültigkeit: .. . Man billigt den Religionen nicht
viel mehr als die Rolle einer ,pracparatio negativa' für Christus zu"
(242).

In Kap. VI LI unterbreitet K. ..Vorschlüge für einen protestan-
tisch-katholischen Dialog über die Religionen". Beide Partner laufen
Gefahr, „bestimmte grundlegende Wahrheiten des Evangeliums
zu verwässern". Deshalb haben sie aufeinander zu hören.
Die Katholiken auf die Protestanten, weil sie u. a. „oft der Gefahr
erliegen, Christus als die Qu eile und Ursache der Erlösung
zu vergessen", die Protestanten auf die Katholiken, weil sie u. a.
fragwürdig die Wirkung der Inkarnation begrenzen, indem sie
„die Erlösungsmacht Christi auf die historische Tatsache Jesus
und auf ihre Kommunikation durch Wort und Sakrament" beschränken
(242f.).

Abschließend stellt K. u. a. fest, daß die in seiner Studie behandelten
theologischen Prinzipien nicht ausreichten, „um eine Theologie
der Religionen zu entwerfen". Dazu ist vor allem nötig, daß
„man die Religionen eingehend studiert und einen Dialog mit
ihnen führt" (243). Dem ist zuzustimmen!

Nach diesem Referat über den Inhalt zwei Bemerkungen:

1. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß K. alle für das Thema
wichtigen Äußerungen, A.s berücksichtigt hat. Das „Ja" und
„Nein" von A. zu den Religionen sind mit ihren Gründen deutlich
herausgestellt. Ob man aber bei A. einen Widerspruch feststellen
kann, ist fraglich. K. selbst meint, daß seine theologischen Prinzipien
ihn zu einer „echt dialektischen Haltung" befähigen, weil sie
deutlich machen, „daß die Religionen entweder Werkzeuge von
Gottes Offenbarung und Heil oder Hindernisse dazu sein können
" (243). Die Differenz zu dem folgenden Sat z von A. sehe ich als
gering an: „Wir haben ein doppeltes Wort über die Religionen
im Richte des Evangeliums sagen müssen: Von ihrem Wahrheitsgehalte
und von ihrer Lüge . . . Und zwar liegt beides ineinander"
(Christliche Wahrheit 146).

2. Oben wurde schon von der Überraschung gesprochen, daß K.
sich mit A. beschäftigt. Neben dem genannten Grund - der weitreichende
Einfluß von A. - wird m. E. im Verlauf der Untersuchung
ein anderer deutlirh: „Mrl seiner Lehre und Phänomenologie
der Uroffenbarung hat Althans im wesentlichen denselben
Ausgangspunkt wie die neuere katholische Theologie in
bezug p,uf die Religionen. Moderne katholische Theologen basieren
ihre Würdigung der Religionen auf der Realität einer göttlichen,
allgemeinen Offenbarung" (237).

Die Frage entsteht, ob K. es sich mit der Wahl dieses evangelischen
Theologen nicht zu leicht gemacht hat. Denn ist „Ein Mittelweg
: ein protestantischer Weg"? Gehört nicht zu einem wirklich
protestantischen Weg eine gewisse Einseitigkeit, wie sie gerade in
der Frage der Bewertung der Religionen bei Barth und Bonhoeffer
aufleuchtet? Beide nennt K. neben Bultmann und TUHch im Unterschied
zu A. „,fashioners' of Protestant thinking of this Century
" (1). Beide wären in einem katholisch-evangelischeu Dialog
über die Religionen wohl unbequemere Partner als A.. aber deshalb
den größeren Dialog gerade vorantreibende Partner.

Gnadau Martin Kuskc

Dullaarl, Leo: Kirche und Ekklesiologie. Die Institutionsleine
Arnold Gehlens als Frage au den Kirchenbegriff in der gegenwärtigen
systematischen Theologie. München: Kaiser; Mainz:
Matthias-Grünewald-Verlag [1875]. 247 S. 8° = Gesellschaft
und Theologie. Systematische Beiträge, hrsg. v. K. von Hey ine,
E.Feil, [.Fetscher, F.Kaufmann, J. B. Metz, J. Moltmann,
W. Oelmüller, K. Scholder, 16. Kart. DM 27,50.

Der Vf., Schüler von J. B. Metz, will mit seiner hier vorgelegten
Münsteraner Dissertation von 1072 nicht einen inhaltlichen Beitrag
zur Ekklesiologie als Eüizeldiszipliu leisten, sondern die „Ek-
klesiozentrik der gesamten Theologie" (13) im Sinne ihrer Bedingt-
fieil durch die Institution der- Kirche bedenken. Dabei vertritt er
die These, daß die Institution Kirche nur „historisch-materialistisch
. . . auf dem Hoden einer gesellschaftlichen und qualitativen
Bedürfnistheorie'' (2401., vgl. I6f.) zureichend verstanden werden
kann und daß nur auf diese Weise die gesellschaftlichen Entste-
hungshedingungen der Theologie genügend in den Blick treten
(I!»). Vf. geht bei der- Begründung seiner These von einer Analyse
der [nstitutionslehre Arnold Gehlens (Kap. I) aus, die sieh zwar
sachgemäß aus einer anthropologischen Bedürfnistheorie legitimiere
(und daher vom Vf. für den von ihm verfolgten Zweck den
Überlegungen und Thesen der Organisationssoziologie und der
funktionalistisehen Systemtheorie vorgezogen wird), die diese Bedürfnisse
aber als anthropologische Konstanten entwickelte, damit
auf dem Boden bürgerlicher Institutionstheorien verbleibe imd
unter dem Gesichtspunkt der historisch-gesellschaftlich bedingten
..zu eiten Natur" des Menschen zu kritisieren und weiterzuentwik-
keln wäre (vgl. 17). Ein Einblick in die allgemeine Institutionendiskussion
im Gespräch der verschiedenen Wissenschaften und
speziell in die bisherigen theologischen Bemühungen um Begriff
und Wesen der Institution (Kap. 2: ..Zur Theorie der Institution")
führt in Auseinandersetzung mit Gehlen, II. Schelsky, aber auch
mit w. I). Marsch und T. Rendtorff zu der Feststellung, daß im

Zuge einer zureirhenden empirischen Analyse der Institutionen
(und auch des institutionellen Christentums) (leren angebliche
Anonymität anzufragen und die ..Frage nach den Subjekten der
Institutionen" (96) neu aufzuwerfen sei. In drei «eiteren Kapiteln
begründet Vf. seine These im Blick auf und in Auseinandersetzung
mit katholischen ekklesiologischen Entwürfen: Nämlich mit der
„fundamentaltheologischen Ekklesiologie" (Kap. 3), der „transzendentalen
Ekklesiologie" K.Rahuers (Kap.4) und der „charismatischen
Ekklesiologie" H. Klings und anderer (Kap.5). Der Aufschwung
theologischer Ekklesiologie im 19. und 2t)..Ib. zeige wis-
sens-soziologisch eine wachsende Krise der Institution Kirche au
(197), habe aber im wesentlichen zu einer christologischen oder
transzendentalen Begründung des Wesens der Kirche geführt,
ohne die Institution Kirche in genügendem Maße im Lichte ihrer
historischen Bedingtheit als Teil der Gesellschaft kritisch zu befragen
- ein für eine zukünftige Ekklesiologie dringendes Desiderat
! (100, vgl. 116). Denn die Inhalte der Theologie und ihr jeweiliger
Standort in. der Kirche seien geschichtlich bedingt und bedürfen
als solche der Erhellung. „Theologie als konsequente Hermeneutik
stellt die Frage nach der Vennitteltheit nicht nur ihrer Inhalte
, sondern auch ihres Standortes." (105) Der damit gestellten
Aufgabe einer kritischen Theorie der Kirche als Institution, die
ihre Glaubwürdigkeit allein durch eine neue gesellschaftliche Praxis
zurückgewinnen kann (113), ist nach Meinung des Vfs. weder
die klassische Fundamcntaltheologie gerecht geworden noch Karl
Rahners transzendentale Ekklesiologie noch die charismatische
Ekklesiologie. Bei H. Küng z. B. fragt sich der Vf., ob dessen charismatischer
Ansatz „nicht gerade die Gefahr einer unkontrollierbaren
charismatischen Führung" und eines damit verbundenen
Anarchismus heraufbeschwöre, „solange die Vorbedingungen dieses
Charismas nur aus dem unverfügbaren Wirken Oottes und