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Ausgabe:

1976

Spalte:

380-381

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Gandras, Joachim

Titel/Untertitel:

Predigt als Zeugendienst bei Hans Joachim Iwand 1976

Rezensent:

Altmann, Eckhard

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Theologische Litoraturzeitung 101. Jahrgang 1970 Nr. 5

380

fromme Lebensäußerung der religiös-sittlichen Persönlichkeit
(Ludwig Hüffel), /.um anderen als kaitische
Darstellung des gemeinsamen Glaubens (Alexander
Schweizer), und stellt sodann das Programm einer
Predigt aus der Erfahrung des Geistes (August Tholuck)
dar. Den Abschluß dieses ersten Teiles bilden Studien
über die homiletischen Entwürfe von F. Theremin und
A. Krauß. Für Hüffel stellte die Predigt gleichsam
einen expressiven Akt dar, da die objektive Lehrmeinung
in die sprachliche Mitteilung einer Lebenswahrheit
verwandelt werden solle. Weit größere Bedeutung
kommt der Homiletik von Alexander Schweizer
aus dem Jahre 1848 zu. Grünberg hebt zu Hecht hervor,
daß Schweizer die Inhaltsaspekte des Christentums zur
Geltung bringen wollte. Diese müßten sich ihre.Angemessene
„oratorische Forin" schaffen, da das „bloße
Auftragen einer für sich irgendwo gemachten Form
immer Verfall, Seholasticismus in der Homiletik" sei.
Damit hat Schweizer ein Problem der Predigtlehre
benannt, das jewoils neue Lösungen verlangt. — Anregend
sind Grünbergs Erörterungen über die Funktion
des Prodigers für die Predigt. Er sieht richtig, daß der
Gedanke der Darstellung nicht durch den Subjektivismus
geprägt sein muß und z. B. A. Schweizer die
Predigt auf den persönlichen Glauben des Predigers
und die diesen ergänzende oder korrigierende Glau-
benserfahrung der Kirche beziehen wollte, die wiederum
christologisoh und pneumatologisch zu begründen ist.
Der pneuinatologisohe Ansatz wird im Anschluß an
Tholuck und Harms aufgezeigt. — Grundsätzlich
möchte Vf. den Irrweg der konsequenten Subjekt ivie-
rung des Glaubens als auch der konsequenten Objektivierung
des Glauben* vermeiden. Aus diesem Grunde
plädiert er für eine theologische Interpret al ion der
Geschichtlichkeit des Verstehens.

Ausgelassen wird vom Vf. aus letzthin unverständlichen
Gründen die Behandlung der Verhältnisbestimmung
von Homiletik und Rhetorik in der Reform-
homiletik zwischen I8!)0 und 1920, deren Vertreter von
der Antiquiertheit der traditionellen Kanzelrhetorik
überzeugt waren.

Nachdem Vf. in diesem ersten Teil Haupttendenzen
der Verhältnisbestimmung von Rhetorik und Homiletik
im 19. Jahrhundert exemplarisch aufgezeigt, hat,
versucht er, eine systematische Verhältnisbestimmung
zu geben. Er postuliert, daß von einem „normativen

Predtgtbegriff" auszugehen sei. Auf diese Weise könnten
die Bedingungen einer religiösen Rede Untersucht werden
, die sodann kritisch auf Grund der homiletischen
Konsequenzen der Wort-Gottes-Theologie zu prüfen
seien. Die Verhältnisbestimmung von Rhetorik und
Homiletik stellt sich für Vf. darum als ein theoretisches,
weniger als ein praktisch-homiletisches Problem dar. —
Im Anschluß an die rhetorische Kommunikationstheorie
von B. Krank-Höhringer werden Tendenzen
der modernen Rhetorik erläutert, Als ein mögliches
Ziel der Homiletik nennt Vf. den Vergleich einer Form-
geschichte kirchlicher Rede mit der Formgeschichte
profaner Redezivilisation. Bedenken meldet Vf. gegen
die Verabsolutierung des kybernetischen Modells im,

weil es die Merechcnbarkeit alles Wirklichen /.ihn Dogma

erhebe. — Die Predigt wird von V . Grünberg in sozial-
empirischer Hinsieht von dem Funktionswerl in Korn-

munikat ionsgeschehen einer sozialen Gruppe her bestimmt
. Das systematisch-theologische Interesse der
Untersuchung wird in einem Abschnitt über die Implikationen
der klassischen und der modernen Rhetorik
noch einmal offenkundig.

Der dritte Teil der Untersuchung (Kapitel 9 und 10)
behandelt die Homiletik und Rhetorik als Problem
theologischer Hermeneutik, speziell der Hermeneutik
von Karl Barth. Darüber hinaus erörtert Vf. das l!e-
ziehungsverhältnis von Wort Gottes, Spruche und
Kommunikation. Eine Lösung dieser Probleme sei im
Rahmen dieser l: nl ersiichung noch nicht möglich (137).
Vf. möchte jedoch aufzeigen, wo die Anfragen aus
Kybernetik und Rhetorik in einer ..heute zu verantwortenden
" Homiletik theologisch bedacht werden
müssen. Sein besonderes Interesse gilt, deshalb der
Sprache als Anrede und Antwort, als Widerspruch
lind Herrschaft. Theologische Sätze werden in diesem
Zusammenhang funktional ausgelegt. Die Kritik au der
technokratischen Unterwerfung der Spruche wird beispielsweise
für die Predigt mit dem Glauben an die
Unverfügbarkeit des Wortes Gottes begründet. Ks fällt
auf, daß die Ausführungen in diesem dritten Teil weithin
postulatorischen Charakter haben. Rhetorische, sprach-
philosophische und nertneneutisoke Erwägungen werden
partiell mehr assoziativ als argumentativ verbunden
. Die Abgewogenheit des Urteils und die komplexe
Problembezeichnung, die besonders in dem ersten
Teil der Untersuchung positiv auffallen, werden in den
„homiletischen Postulaten" leider nicht durchgehalten.

Letzthin ist dieser Sachverhalt wohl in dem verengten

Predigtbegriff Grünbergs begründet, der sieh eher für
eine kritische und weniger Cur eine konstruktive

Behandlung der Frage einer sachgemäßen Verhältnisbestimmung
VOD Homiletik und Rhetorik eignet.

Güttingen Friedrich Wintzer

(iamlras, Joachim; l'ri'ilij;! als ZeiureMillens! bei Maus Joachim
I»iiml. Aspekte und Perspektiven einer homileti-

snhen Theorie und t heologischen Kommunikation naeli
seinen Predigt med i tut .innen im Kontext seiner Theologie,
Güttingen; Vandenhoeok *. Ruprecht 11075]. 214 S. gr. 8*
= Arbeiten zur Pusturaltheologie, hrsg. v. M. Fischer u.
K. Krick, 14. DM 24,—.

Hans Joachim Iwands Predigtmeditationen nehmen

in seinem literarischen Nachlaß eine zentrale Stellung

ein. Wenn überhaupt die Relativität theologischer

Standpunkte Überwunden werden kann, dann geschieht
das dort. WO mit der Verbindlichkeit des „Zeugen" gesprochen
und Positionen bezogen werden. Der Ansatz
der vorliegenden (geringfügig überarbeiteten) Dissertation
von Joachim Gandras erfolgt also an zentraler
Stelle. Das Ziel dieser Studie ist sicherlich nicht nur
eine ,,Rechenschaftsgabe über eigene Predigt tat igkeit"
mit Hilfe der Iwandschen Pretligtmeditatiouen (Vorwort
S. 8), denn das allein recht fei t igt kaum die Drucklegung
. Der Autor macht vielmehr den Versuch, von
dem genannten Zentrum aus Theologie und Bedeutung
dieses Mannes in den Klick zu bekommen. Der Im Titel
genannte ,,/eiigendienst" erweist sich im Lauf der Darstellung
nur als ein Aspekt neben anderen, dein eben
das IV. Kapitel gewidmet ist. Stärker werden dem
Leser „Gesetz und Kvangoliuni als l.eitkalegorien für
Theorie und Praxis" (Kap. I) eingeprägt. Häufige Rückgriffe
auf diesen Grundsatz der systematischen Konzeption
Iwands an späteren Stellen befestigen diesen
Kindruck nachhält ig.

Kür Iwands | hfiolngisoh nn Stil benennt Gandras
dann eine Reihe von wichtigen Gesiebtspunkten, denen
er jeweils eigene Kapitel widmet : Dialog als Struktur