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Ausgabe:

1975

Spalte:

470-471

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Kreativität und Predigtarbeit 1975

Rezensent:

Lerle, Ernst

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schlichte Haltung", „Jüngerschaft ist eine überzeugende
Lebensweise", „Jüngerschaft ist eine bewegliche
Haltung". Kurze Lebensbilder, alltägliche Geschichten
, Beispiele aus der Literatur, Bildbetrachtungen
beleben das Vorgetragene und ergänzen das Gedankliche
. Dabei ist es freilich nicht seine Art, theologische
Erkenntnis und Glaubonswahrheit völlig in
Bild oder Erzählung umzusetzen, also gleichsam
poetische Mittel zu benutzen. Für ihn bleibt all das
weitgehend Illustration, hilfreich erläuternde Beigabe.
Und wo er sich einmal daran macht, etwas wio eigene
Gleichnisse zu schaffen — „Gedanken am Lenkrad"—,
bietet er auch gleich vorlaufend eine ausführliche?
Begründung seines Vorgehens, offenbar in der Sorge,
daß es deren bedarf, und er hat dann auch nicht den
Atem, sich statt drei summarisch behandelten Bildern
einem davon wirklich meditativ zu widmen. Seine
Stärke liegt anderswo: dort, wo mit solider, bewährter
Predigttechnik ruhig gearbeitet wird. Was er selbst
von Otto Bartning zitiert — Maxime für heutigen
Kirchenbau und dann auch für Gemeindeaufbau —,
das könnte man gut auch auf Heinz Wagners Sprache
und Rede-Art anwenden: „Weder überheblich noch
mutlos, weder althergebracht noch geistreich, sondern
einfuch und ehrlich."

Spätestens an dieser Stelle muß aber gesagt werden,
daß Kundfunkpredigten eben doch nur mit Einschränkung
als idealo Buch- und Lesepredigten bezeichnet
werden können. Sie sind als gesprochenes Wort konzipiert
und leben letztlich davon, daß sie gehört werden.
Ja, der Rundfunk ist in ziemlieh einmaliger Weise der
Ort, wo Sprache ganz ihrem Wesen gemäß gebraucht,
wo sie nämlich gesprochen und gehört wird ohne
optischo Unterstützung und ohne optische Ablenkung.
Darum ist Rundfunkpredigt in besonderer Weise
viva vox, lebondige Stimme. Heinz Wagner kann damit
rechnen, daß die meisten seiner Leser, indem sie diese
seine Prodigten aufschlagen, seine Stimme im Ohr
haben, die sie vom Rundfunk kennen und die zu diesen
Texten hinzugehört. Letztlich geht es Heinz Wagner
nicht um allgemeine Information, sondern um persönliche
Anrede. Wenn man sich zunächst gelegentlich
skeptisch fragt, ob der Prediger nicht seine Person zu
stark ins Spiel bringt — er zitiert eigone Predigten
und Seelsorger!iche Briefe, er berichtet, was er erlebt,
gesagt, empfunden, als Antwort und Dank gehört hat,
ja mehrmals thematisiert er soine eigone Prodigtarboit
und deren subjektive Probleme —: Bei genauem
Zusehen erkennt man, daß gerado dies seinen Predigton
Wärme und Loben gibt. Da er nicht von dem reden
kann, was seine unsichtbare Gemeinde erlebt und
erfahren hat, es sei denn durch das, was sie ihm persönlich
davon mitteilt, überwindet er das Problem
einer gewissen Zeit- und Situationslosigkoit seiner
Predigtaufgabo dadurch, daß er sich selbst, sein Loben,
seine Erfahrung und letztlich sein Zeugnis ins Spiel
bringt. Das ist bei allen Gefahren berechtigt. So ist es
auch nicht mehr zufällig, daß die schönsten Predigten
dioses Mannes, der viele Jahre in der Diakonio der
Kirche gearbeitet hat, diejenigen sind, die von solcher
Erfahrung gotragon sind. „Hochschule der Liebe",
eine Predigt, gehalten im Diakonissenhaus Borsdorf,
ist etwas wio dor Schlüssel zu all diesen Predigten.
Sie zeigt, wo diosor Prodigor 8eino Maßstäbe und seine
Verpflichtungen gewinnt. Sie zeigt aber auch, wo or
theologisch steht. Hier ist wonigor von einer theoretischen
Mittel-Position zu sprechen — da er etwa das
Wunder der Brotvormehrung eher kritisch üborsotzt,
dagogen das Wunder der Christus-Auferstehung nachdrücklich
gegen jede Modolung verteidigt —; ihm geht
es offenbar darum, dio gegebene Wirklichkeit einer
übergreifenden Dimension festzustellen, damit dio

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Liebe ihren Grund und Antrieb behält: „Es ist noch
nicht erschienen, was wir sein werden". Um einen
Glauben geht es, der „uns immer ein Stück voraus
ist"; der „setzt uns in Bewegung". „Wieweit reicht
unser Glaube?" fragt er und antwortet: „Das wird
an solchen Orten" wie einem solchen Heim für Hirngeschädigte
„entschieden".

In diesem Band kann man kennenlernen: 1. einige
Möglichkeiten solider Predigttechnik, 2. den Vorteil
unsrer Predigtsituation unmittelbar in der Gemeinde,
3. einen Bruder, dem das Evangelium hilfreich wurde
und der darum vielen ein Helfer geworden ist.

Jena Klaus Peter Hertzsch

Arens, Heribert, Richardt, Franz, u. Josef Schulte [Homiletische
Arbeitsgruppe]: Kreativität und I'redigtarbeit. Vielseitiger
denken, einfallsreicher predigen. München: Claudius
[1974]. 167 S. 8°. DM 16,80.

Ein Team von drei katholischen Homilotikorn hat
es sich zur Aufgabe gemacht, das kreativo Denken dor
Prodigor anzuregen. Am Anfang der Arbeit steht dio
These: „Ein guter Prediger ist jemand, der kreativ ist
im Hinblick auf seine Predigtideen und -entwürfe"
(S. 16). Der Stellenwert des Einfalls, der Idee, der
Problomfindung wird sehr hoch angesetzt. „Für die
konkrete Predigt beginnt die Vorboreitungsphase mit
der Auswahl des Problems" (S. 27). Als Mittelpunkt,
um den die Vorkündigung zu kreisen hat, gilt nicht der
in der Perikopenreihe gegebene Text. Dio biblische
Botschaft und die Hörersituation werden vielmehr mit
den beiden Brennpunkten einer Ellipse verglichen. In
einer Skizze, die das Denkschema veranschaulicht,
sind an der Peripherie folgende acht Faktoren eingezeichnet
: Bildmotiv, Wortmotiv, Vergleich, Erzählung,
Wortspiel, Metapher, gelungono Formulierung, Anti-
toxt. Von jedem dieser Stichworto weist ein Pfeil nach
innen, in den Raum, dor zwischen den beiden Brenn-
punkton liegt. Diese Zeichnung ist eine zutreffende
Darstellung der Loitideon dos Buches; sie bringt auch
den Unterschied zur geläufigen homiletischen Auffassung
zum Ausdruck. Die Vf. suchen ihre Gedanken-
anreichcrung nicht in der Meditation übor einen
Predigttext, sondern sie suchen das kreative Geschehen
in dor Umwelt außerhalb der Verkündigung. Aus dieser
homiletischen Grundkonzeption orgeben sich die Ratschläge
für dio Vorbereitung der einzelnen Predigt.
Im kreativen Prozeß worden folgondo vier Phasen
unterschieden: 1. Präparationsphase, d. h. das Sichten
der Probleme, die Materialsammlung, das Durchdenken
des Problemfoldes und die Anreicherung durch das
Studium fremder Predigten. 2. Inkubationspbase, in
der die Einfälle ausreifen. 3. Illuminationsphase, in der
die neuen Gedanken bowußt werden. 4. Verifikations-
phase, in der dio neue Idee kritisch überprüft wird.

Den Haupttoil des Buches bildet das Kapitel „Wege
zur Idoo", das als Hilfe für dio Praktiker konzipiert
ist. In fünfzehn Punkten werden alte und neue Ratschläge
zur inhaltlichen Anreicherung gegeben. Hinweise
auf Etymologie, Wortspiele, Metaphern, Bilder
und andero Mittel der Voranschaulichung entsprechen
durchaus den traditionellen homiletischon Ratschlägen,
doch suchen dio Autoron den Ausgangspunkt des
kreativen Geschehons auch hier konsequent nicht im
Predigttext, sondern in Umwoltfaktoron. Besonders
deutlich wird das im Abschnitt, der sich mit dem
Kreisen um ein Wort befaßt. Im Unterschied zur
Predigtmeditation, doren Zontrierungskern die Verkündigungsaussago
ist, aktualisiert das „Kreisen um
ein Wort" eine Vielfalt von Godankon, die aus der
Umwelt kommen und die nur um oino biblische Vokabel,

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 6