Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1975

Spalte:

445-448

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Pechmann, Wilhelm von

Titel/Untertitel:

Widerstand und Solidarität der Christen in Deutschland 1933 - 1945 1975

Rezensent:

Meier, Kurt

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

445

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 0

440

der neuo Glaube" die positiven Seiton abzugewinnen, hat damals die kirchliche Öffentlichkeit aufhorchon
die es um einer goreehton Würdigung willen aufzufinden lassen und in seinor signalisierenden Funktion schon
gilt. vor dem Bekenntnistag zu Ulm und der Barmor
Die letzte Krankheit, der Tod und das Begräbnis Bekenntnissynode den Blick auf die von Reichs-
besohließen den biograpbischon Teil. Es folgen zwei bischof Ludwig Müller und Rechtswalter August
ausführliche theologiogeschichtliche Exkurse. Der erste Jäger forcierte Eingliederung der Landeskirchen in die
beful.it sich mit dorn Woge zur mythischen Inter- Reichskirche richten lassen. Dabei bezog sich der
pretation vor Strauß. Eine Weiterführung zur Gegen- Protest v. Pechmanns keineswegs nur auf die in un-
wart bringt vor allem einen interessanten Vergleich bekümmerter Gewalttätigkeit und Bekenntnisverlet-
von Strauß und Bultmann. Bultmann, so führt der zung betriebene weitere Unitarisierung der DEK,
Vf. aus, teilt die Meinung von Strauß hinsichtlich der sondern beanstandete schon die Tatsache, daß die
mythischen Darstellung Jesu in den Evangelien und Landeskirchen sich im Frühjahr 1933 überhaupt darauf
der Unmöglichkeit, sich ein wirkliches Bild des histo- eingelassen hatten, im Blick auf die als „nationale
liMhen Jesus zu machen. Wie Strauß betrachtet Erhebung" stilisierte Machtübernahme Hitlers den
Bultmann die Hiipranatiiralen Elemente als mythisch. 1922 geschaffenen Kirchenbund zu liquidieren und
Auch stimmt er dor Hauptvoraussetzung zu, daß kein eine neue Roichskirehenverfassung zu schaffen, die
MipnuLaturaler Gott da sei, der in wunderbarer Weise das föderative Prinzip zu sehr einschränkte: die als
die Geschicke Jesu lenke. An dieser Stollo wäre freilich „Zwangsjacke" (S. 97) abqualifizierte DEK-Verfassung
zu fragen, ob Bultmann in der Ablehnung eines „truns- vom 11. bzw. 14. Juli 1933 habe dazu beigetragen, daß
ei'udentul personal God" wirklich mit Strauß gleich- die Reichskirche sich als „unselbständiges Instrument
gesetzt werden kann. Die Differenz zwischen Strauß nationalsozialistischer Kirchenpolitik" (S. 81) erweise,
und Bultmann sieht der Vf. darin, daß Bultmann Daß er mit dieser Beurteilung der kirchlichen Verflicht
wie Strauß die Entstehung des mythischen hältnisse zunächst auch im Lager dos bekenntnis-
Lebens Jesu untersucht, und daß er am Ende nicht, bezogenen Landoskirchentums, so in seiner bayerischen
wie Strauß, den mythologischen Inhalt des Evangeliums Landeskirche, ziemlich vereinzelt dastand, verwundert
weggeschoben habe, sondern ihn vielmehr existential schon insofern nicht, als ja auch die Bekonntniskräfte
Interpretiere. Daraus folgt auch, was der Vf. nicht auf die DEK-Verfassung rokurrierton, wenn sie sich
erwthnt, die ganz andore Stollung zur Kirche. Es eine kirchenrechtlich abgesicherte Rückendeckung geleuchtet
aber ein, daß sich dem, der sich heute mit gen das Reiehskirchenregiment und seine zentralisti-
Strauß beschäftigt, ein Vergleich mit Bultmann auf- sehen Machinationen zu vorschaffen suchton, die auf
drängt. weitgehende Entrechtung der landeskirchhehen Re-

Dor zweite Exkurs erörtert den Einfluß Straußens präsontativorgane hinzielten,
«ttf die Theologie. Die Kirche hat seinerzeit David Die ^n j0(jor Hinsicht bedenklichem Versuche der
niedrieh Strauß viel Unrecht angetan. Die Redlich- Opposition ihren Widerstand in ecclesiasticis durch
keit, mit dor er die sich aufdrängenden Probleme Loyalitätsbeteuerungen in politicis wirksamer worden
'Misspiach, fand nicht den Beifall, den sie christlicher- eu ]asaon" 94), hat V. Pechmann immer wieder
weise verdiont hätte. Es überwog die ängstliche, zornige kritisiert. Von Anfang an stand er dem NS-Regime in
Jod diffamierend« Verteidigung unhaltbarer Positionen. distunzierter Haltung gegenüber, da ihm — dem
p«r Kirche fiel nicht nur für den tragischen Lobens- „legitimistisch" orientierton Gegner jedweden „Umlauf
, sondern auch für die innere Entwicklung Strau- äturzes" _ dio Machtergreifung Hitlers noch folgen-

J*U zu einem radikalen Feind der Kirche eine große scJ1Werer als die Ereignisse des Jahres 1918 erschien,

V"mntwortung zu. deren aversive Beurteilung er nio verhehlte. Seine

Es ist deshalb erfreulich, wenn sich innerhalb der konservative politische Haltung, die ihn zunächst dem

die Stimmen derer mehren, die diesem großen konservativen Flügel der nationalliberalen Partei hatte

"hoologon Gerechtigkeit widerfahren lassen. Das Iltthestehen lassen, hat er auch während der Weimarer

s<!höne, sachlich-objektive und mit warmer Anteil- ZRifc jm^hgohalten, während der er sieh als deutsch-

'i'ihmo geschriebene Werk von Horton Harris ist ein national verstand, ohno parteipolitisch hervorzutreten,

S('hritt auf diesem Weg»; Ja er über seine Berufsaufgaben als Direktor der

Zttrieri Ulrich Neuenschwander Bayerischen Handelsbank in München und weiteren

Ämtern (Mitglied des Centraiausschusses der Reichsbank
u. a.) hinaus durch seine ehrenamtlichen kirch-

tttttenbaelL «Viodrich Wilhelm: Widmlaml und Solidari- Heben Funktionen vornehmlich im Dienste des Ge-

HH ,i«r ehrten In PwlÜHtori 1933 194:.. Bitte Dok». sumtprotcstantismus (zunächst auch der bayensenen

'»»ntation zum Kirelienkampf aus den Papieren des Landeskirche) voll in Anspruch genommen war.

Wilhelm Freiherr» von Peohmann. Neustadt/Aisch: Bezeichnend für seine damalige Haltung, in der er

->"«ener i. Komm. 1971. VIII, 349 S., 2 Taf. gr. 8» = fiT^L^htm Königshaus ebenso wie Kaiser Wilhelm

Uinzelarboiten aus der Kirohengosohiohte Bayerns, hrsg. dem bayer.schen Kon'g^aus ebenso w < i

vom Verein für bayerische Kirchengoschiohte, Nürnberg, II. m semom Doorner Ex.l v 'b d< nDlieo,

von 0. Kühr, 51. Lw. DM 38,-. schon 1919 erfolgter Austntt aus le, ^™cJl

t . . ________u ir„il,a^„rt,>i aewosen. der er sich 1918 angescniosscn

Im allgemeinen erinnert man sich wohl nur noch Volksparte, gewesen der «1 ^ ^8Frie|ensv,,rtrag

. «*», daß Wilhelm v. Pechmann (1859-1948), Präsi- ^'^^^^^««^«4

der Deutsehen Evang. Kirchentage von Stuttgart und f ^Sden aus ihr; sein Mandat

(li,2l), Bothel (1924), Königsberg (1927), zuletzt war Anlaß für sein' «c „eine

^ Mitglied des Deutschen Evang. Kirche,......m bayensche,, LanItag legt auoh Mul

Protzt geg,„ die U.nwand.ung des ^ ."e.nühen, den Deutschen

"utschon Evang. Kirchenbundes (gegr. 1922) in die - w«uigl■ M 1933 zu einer ein.

**ut#ohe Evang Kirche im Frühjahr 1933 «e.ne *^*S™™h£° im Zusammenhang mit dem

'•atralen kirohliohen Funktionen niederlegte und nach , Judenboykott des Regimos zu bewegen

rJNgem Zuwarten am 2. April 1934 aus der Re,chs- . ö) Auch später hat er Landesbischof Meiser

austrat. Diese- in der Kirchenprosso veroffont- ^' ,lftltimtten „,.rilacht, daß ein kirchliches Wort gegen

ol'te spektakuläre Protestschritt, der sich als Austntt Vor"™ . * it?ohon Terror angesichts der „Kristall-

tt,'H eiMr Kirche, die aufhört, Kirche zu sein, verstand, den antisom«