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Ausgabe:

1975

Spalte:

333-342

Autor/Hrsg.:

Wolff, Christian

Titel/Untertitel:

Christ und Welt im 1. Petrusbrief 1975

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

334

Christ und Welt im 1. Petrusbrief

Von Christian Wolff, Berlin

(Jerlmr.l Delling zum 70. UeburtslRK

Der 1. Petrusbrief ist in jüngster Zeit wieder stärker Zerstreuung. Der Begriff famqfä ist aber im Sinne des
in das Blickfeld der Neutestamentier gerückt, wie die Verfassers inhaltlich noch tiefer zu füllen. Bereits in der
Reihe von Kommentaren und Untersuchungen, die in Septuaginta ist das Wort terminus technicus für die
den zurückliegenden 15 Jahren erschienen sind, er- Versprengung des Gottesvolkes unter die Heiden oder
weist1. Zu solchem neuerlichen Hören auf diese zuvor ' dient zur Bezeichnung für die Versprengten selbst»,
relativ unbeachtet gebliebene Schrift regt vor allem ihre Wenn dieser Begriff im Eingang des 1 Petr aufgenom-
stiirke Orientierung auf .Ins Selbstverständnis des Chri- tuen wird, so kennzeichnet er also nicht nur einen empi-
sten und die Bewährung des Glaubens in der Welt an, rischen Tatbestand, sondern läßt die angeredeten Heider
auch in dieser Studie nachgegangen werden soll. denchristen bereits von vornherein als das neue Gottes-

Auf die Frage, wie der 1 Petr2 das Wesen christlicher volk erscheinen. Freilich zeigt gerade die Anwendung
Existenz in der Welt kennzeichnet, gibt das Präskript des Wortes <ft«on»(>a, daß die Christen als das neue
sogleich die entscheidende Antwort. Das Schreiben ist Gottesvolk nicht nur die Würde, sondern auch die Last
adressiert „an die auserwählten Fremdlinge in der des alten Gottesvolkes übernehmen. Nach der Zerstö-
Diaspora von Pontus, Galatien, Kappadokien, Asia und rung Jerusalems 70 n.Chr. bekam die Diaspora für den
Bithynien" (1,1). Für unseren Zusammenhang ist die Juden den bitteren Beigeschmack der völligen Heimat-
Bezeichnung „auserwählte Fremdlinge in der Diaspora" losigkeit10. Der Tempel, dem man sich durch Tempel-
von Bedeutung. Allein der Umstand, daß die Leser bereits Steuer und Wallfahrtsfeste so stark verbunden fühlte,
im Präskript in dieser Weise angeredet werden, läßt war zerstört11. Es fehlte seitdem das Zentrum, das für
vermuten, daß der Verfasser damit ein, wenn nicht die Juden religiöse und geographische Heimat zugleich
sogar das entscheidende Charakteristikum der Christen war. Die Diasporajuden mußten sich nun wie im Exil
in der Welt zum Ausdruck briii"!1'- Sie sind Fremde in Lebende vorkommen, da ihnen, ähnlich wie ihren im
ihrer Umwelt. Diese Vermutung wird zunächst dadurch 6. Jh.v.Chr. nach Babylon deportierten Vorfahren, die
bestätigt, daß in 1,17 von der „Zeit eurer Beisassen- Teilnahme am Tempeldienst vertagt blieb. Selbst in
Schaft" die Hede ist und daß die Empfänger in 2,11 als Judäa, das zu besuchen ihnen bis 13j ii.Uir. noch er-
..Beisassen und Fremdlinge" ermahnt werden. Aus dem laubt war, mußten sie sich als Fremde vorkommen; denn
dreimaligen Vorkommen des FremdlingsgedAnkesl im aus der ProkuratUI Judäa war die romische Provinz ge-
«ttten Drittel des Briefes darf doch wohl zu Recht ge- worden, in der die noch verbliebenen jüdischen Einflössen
werden, daß sich darin üe Grundkonzeption wohner als Staatenlose ohne eigenes Bürgerrecht gal-
des Vf.s zur Bestimmung christlicher Existenz in der ten12. Es ist daher verständlich, .laß in'jüdischenSchr.f-
Welt äußert ten> die in dieser Zeit entstanden, die Ereignisse des

Bevor wir der Entfaltung dieser EonMDtioa näher Jahres 70 mit denen von 587 v Chr., als Nebukadnezar
"achgehen, sollen kurz die Charakteristik» des Fremden Jerusalem zerstörte und einen Großteil des Volkes nach
'» der Antike umrissen werden. Deren Kenntnis kann Babylon deportierte, paralle .siert werden (vgl die Könens
vielleicht .ein t ieferes Eindringen i n .1 i- u>s,,ee„ do zeption von 4.Esra, Syrischem Baruch und laralipo-
IPetr ermöglichen. Dem Phänomen des Fremden mena Jeremiae). Und auch der Verfasser des 1 Petr war
'"t in jüngster Zeit E.Fascher in zwei Untersuchungen mit diesem Denken vertraut. Nach o,U wurde sein
»achgegangen«. Aus der Fülle der vor allem in seinem Schreiben in Babylon verfaßt, und man ist sieh heute
ThLZ-Aufsatz beigebrachten Belege lasse,, sieh für den weithin darin einig, daß damit wie in S.b V. 143.159 und

.....e,.....le, Vntike.lre, II,,,,........., e,k, ,„ , A,,k IJ.Hu ... Bon, als das zweite Babylon WmnnUM.

!• Kr ist in einen anderen Stamm g. boren. Daher kann Von daher gewinnt der Begriff toMrej« im Praskr pt

«r als ,m,l„,4„< (in der Septuaginta rund 2!><>mal) bzw. seine besondere Bedeutung. Er unterstreicht den Fremd-

J alicnigena bezeichnet werden. Man vgl. dazu die Ungedanken „n S.nne dV. völlig heimatlosen Gottes-

vS'Ä (um "570 SfK'ltA^ £S jS~ diese ^ative Aussage » von Zwei p^ven

Alchen des Fremden sind seine andersartige Sprache V r. m dlingf in <i' i " | • ,lplltliPh daß

»nd y:»» a >i . i ■ • ,,, , i;, YYYl < er Erwäh un" durch Gott. Damit wird deutlicli, (lau

Sitte. Mo erwähnt Livius (Ab urbe condita aaa1 i f »»,l,u,o , r,,..,„,-nn u.a..

Mint i- • i ! , t-__-;k.,a o» hre Existenz als Fremdlinge in der Zerstreuung Kim

».12) ahenigenae homines „plus lmgua et in-, ,, Zufa|, i8t, den man so schnell wie möglich

;M' I, ir,'Tm ,T,,Umr'|KP ,'' ' v, übe winden. nüßte,sonflern daß dies nach Gottes Willen

a -tenst.kiMi, ist. die Andersartig, d yer übewind Gerade als die von Gott

""'i, (Jotter; zum alienigena geboren die de, alienige- . j,„„„

"'^(Cicero De legibus 11251' Erwählten sind sie Fremdlinge.

. IW EmtÄÄ für den Fremden ,n der Haben wi, d......t erarbeitet - |

gttken Welt überhaupt «treffen, and damit anchfto ***** von den Chnste ^ Jjy™Äl, zu fragen

..... in I IV.r 1,1 ufdie Be^nderli.-ten ersten Satz des I . . . • ' > t ^ ^

Jüdischen Verständnis des Fremden, der inmitten m, «cid. r is si. » FreIIlden j„ der

gMh wohnt, braueben wir insofern ni. ht einziehe,,, hatten als ^^SSt^BMAMBn der Geburt

U der Vf. außerhalb Bahamas lebt« und dal-.1 m ^^J^^fj.^^lrken.wert, daß in. 1 Petr

£j»en Gedanken Qberden Fremdling primär von eigenen angeran ixj»» Präakript. verwendete Fremdlinge-

Ehningen, die er in »einer antik-f.eidnis. her. ümwel der Gedanke der Wiedergeburt folgt. Die

IJ^hte, geprägt ist . Ferner lebten die Adreeeeten nicht gnwmÄd« gilt Gott, „der uns wiedergeboren hat",

nitten Israels, sondern in Kleinasien. „.„I das Ziel dieser neuen Geburt ist die lebendige Hoff-

,, D'«> Fremdlinge werden in 1,1 durch den Genetiv « ' Auferstehung Jesu ihren Grund hat

"""'('«c näher erläutert: Die Christen leben in der nung.