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Ausgabe:

1975

Spalte:

266-270

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Sabugal, Santos

Titel/Untertitel:

Christos 1975

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 4

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lenistischen Urchristentum an! — wird ausführlich über
den „Begriff pleröma im Kolosser- und Epheserbrief"
gehandelt (71-194); auch der anschließende „Theologische
Uberblick", der den Ertrag der exegetischen Studien erarbeiten
soll (149-197), bezieht sich ganz auf diese Stellen
. Diesem eigentlichen Kernstück des Buches folgt
dann noch als Kapitel 6 eine knappe Dokumentation der
Auslegungsgeschichte von Origenes bis zur Gegenwart.
Sie hebt am Ende nochmals die Bedeutung der religionsgeschichtlichen
Fragestellung hervor und bringt dazu ausführliche
, vorsichtig kommentierende Referate u. a.
über die Thesen von F. C. Baur, M. A. Wagenführer,
J. Gewieß, A. Feuillet, P. Benoit, dazu kürzere z. B. zu
Reitzenstein, Schlier, Käsemann, Mußner, Dupont, Delling
. Ein knappes Facit formuliert nochmals den philologischen
, religionsgeschichtlichen und theologischen Ertrag
: Die frühe Gnosis hat zur Begriffsausformung im
Falle pleröma bedeutsam beigetragen; vorstellungsgeschichtlich
sind AT und Frühjudentum entscheidende
Anreger; doch erst „der Glaube an den erhöhten Christus
und an das Ereignis der in ihm geschehenen und von der
Zukunft noch erwarteten Erlösung und Vollendung (hat)
dem so schwer faßbaren und reich strukturierten Begriff
eine entscheidende Prägung gegeben" (290). Und dieser
Glaube spreche in Kol und Eph in besonderer Weise das
„sakramental-pneumatische Erleben" (291) der diesen
Dokumenten zugehörigen Gemeinden aus.

Der von E. unternommene Versuch, die vielstimmige
Diskussion des theologischen Problembereichs um pleröma
in Kol und Eph aufzunehmen und ein Stück weiterzuführen
, ist sehr zu begrüßen, und er ist im ganzen gelungen
. So vermag E. das Odium triumphalistischer Christo-
logie von Kol überzeugend abzuwenden. Schon der Hymnus
in Kol 1 ist in der Sache kreuzestheologisch orientiert
und kennt den eschatologischen Vorbehalt des „Noch
nicht". Schön ist von E. im einzelnen herausgearbeitet,
wie die „hohe Ekklesiologie" (171) des Eph aus Ansätzen
bei Paulus und aus der Theologie des Kol heraus entwickelt
worden ist. Vielfältige Kleinarbeit ist für exegetisch
-theologische Flurbereinigung aller Art aufgewandt.
Ein Durchbruch aus der im ganzen unbefriedigenden Interpretationslage
wird von E. jedoch nicht erzielt. Eine
Ursache mag der, aufs Ganze gesehen, unglückliche Ansatz
bei „Begriffen" wie pleröma und plerousthai sein.
Man sollte eher Christologie bzw. Ekklesiologie des Kol
bzw. Eph im Zusammenhang diskutieren. Mehr noch
brauchen wir neue Klarheiten in der religionsgeschichtlichen
Fragehinsicht. Der Versuch des Vf .s (nach Vorgängern
), AT-Aussagen von der Weltpräsenz Jahwes für
seine Thematik fruchtbar zu machen, bleibt in der Ausführung
zu sporadisch. Hier brauchte es eine kräftig
durchgeführte These. Weiter verweist E. wohl mehrmals
mit Recht auf die besondere Nähe zum Corpus Hermeti-
cum. Hier treffen stoisch-monistische Kosmosophie und
frühgnostischer Dualismus zusammen. Doch diese gute
Spur bleibt unbearbeitet; es bleibt bei einem pauschalen
, resignierten Urteil über die Gnosis im ganzen: „Verworrene
Welt wilder Spekulationen, bar jeder logischen
Gedankenentwicklung" (XVII). Das soll kein Vorwurf
gegen den Autor sein. Es sollen nur die objektiven
Schwierigkeiten seiner Arbeitssituation angezeigt werden
. Die ältere Gnosisinterpretation („Urmenschmythos")
ist mit Recht diskreditiert; jetzt fehlt es an neuen
Entwürfen. Wenn wir die im Corpus Hermeticum oder
in den Oden Salomonis bezeugten Botschaften und
Theologien deutlich erarbeitet haben, wird der für Kol,
Eph unentbehrliche Deutekontext „Frühe Gnosis" erhellender
wirken, als das im Augenblick der Fall ist.

Noch eins wird manch ein Leser dieser Arbeit dem Autor
wünschen: Mehr Mut zur theologischen Sachkritik. Ist
die Verwandlung von Christologie in Ekklesiologie in Eph
(171) theologisch nicht jedenfalls diskussions-, wenn nicht

fragwürdig? Hat nicht ein Paulus in Korinth analog „hohe
" Ekklesiologie mit Schärfe bekämpft? Es scheint aber,
daß Vf. aktuell für Eph Position beziehen will. Sein Votum
, gewiß verhalten vorgebracht, ruft nach Antwort
und könnte so den Dialog befruchten.

Im ganzen stellt die Arbeit zweifellos einen gewichtigen
und fruchtbaren Diskussionsbeitrag dar, für den wir
dem Verfasser Dank schulden.

München Harald Hegermann

Sabugal, Santos, OSA: Christos. Investigaciön exegetica
sobre la cristologia joannea. Barcelona: Herder 1972.
XXXI, 565 S. 8°.

Das vorliegende Werk bietet eine Christologie des Johannes
-Evangeliums auf der Grundlage einer methodischen
, philologisch begründeten und systematisch orientierten
Exegese. Der Vf. steht auf dem Boden des Vaticanum
II und betrachtet seine Arbeit als eine Antwort
auf die Mahnung des Konzils an alle katholischen Exege-
ten, „die Hl. Schrift zu erforschen und zu erklären unter
Führung des Lehramtes der Kirche und bei diesem Unternehmen
von den modernen exegetischen Verfahrensweisen
Gebrauch zu machen". Dementsprechend enthält
das Werk ein reiches Material sprachwissenschaftlicher,
historischer und theologischer Art und verwendet die
Fülle der weitverzweigten internationalen Literatur in
der fortlaufend in den Anmerkungen geführten Auseinandersetzung
mit eindeutiger Zielsetzung und dem jedem
Gespräch offenen, häufig wiederkehrenden ,proba-
bile', das die Sicherheit der Behauptungen einschränkt,
aber häufig Lösungen mit ,aller Wahrscheinlichkeit' oder
,ohne Zweifel' darbietet. Das Verzeichnis der zuständigen
Zeitschriften, Sammlungen, Kommentare und Nachschlagewerke
, der antiken Quellenwerke wie der modernen
Literatur zum Alten Testament, zum Judentum
(Apokryphen, Qumrantexte, Rabbinica, Josephus, Philo)
und den neutestamentlichen Schriften (Synoptiker, Apostelgeschichte
, Paulus, Hebräerbrief, Katholische Briefe
sowie besonders zur Johanneischen Überlieferung) umfaßt
24 Seiten. Für die joh Sehr sind auch die berühmten
alten Kommentare, ältere Werke und in Auswahl die
Kommentare des 20. Jh.s, deutsche, englische, französische,
aus allen theologischen Lagern (Loisy, Westcott, Bultmann
usw.) herangezogen.

An der kritischen Durcharbeitung des gesamten Stoffes
läßt der Vf. den Leser teilnehmen, indem er den Blick
immer wieder auf das zentrale Thema lenkt. Er beginnt
mit einer Einführung: Der messianische Gedanke ist
Rückgrat und Hauptlinie, die das ganze A und NT beherrscht
. Die dynamische Spannung zwischen Verheißung
, Hoffnung und Eintritt der eschatologischen Erlösung
bestimmt den Gang der Heilsgeschichte durch die
Jahrhunderte. Die messianischen Titel, die dem Gedanken
Ausdruck verleihen, sind verschieden. Entscheidend
bleibt der Christus-Name und -Titel für Person und
Werk: Sie werden in der Christologie theologisch behandelt
und dargestellt. Der Vf. nimmt diese Aufgabe in Angriff
und will damit eine Lücke in der wissenschaftlichen
Arbeit ausfüllen. Er verfolgt dabei den Weg der israelitisch
-jüdischen Religionsgeschichte, die unter mannigfachen
Einflüssen auch auf Neben- und Irrwegen sich
entfaltet hat und schließlich in der ntl und christlichen
Theologie und Heilsgeschichte Ziel, Vollendung und Erfüllung
findet. Die Vorstellung von der Salbung des Königs
und des Hohenpriesters wird unter Heranziehung
des atl Stellenmaterials aus Geschichte, Gesetz und Psalmen
veranschaulicht. Die LXX, die die Formel ,Christos
kyrios' zuerst braucht (anstelle von ,der Gesalbte des
Herrn' Lam 4,20, vgl. Lk 2,11; Ps Sal 17,32), gibt in einigen
Textvarianten der nachexilischen messianischen Hoffnung
Ausdruck. [Hier ließe sich ergänzend noch auf Ps

JE