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Ausgabe:

1974

Spalte:

861-863

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Geschichte der katholischen Kirchenmusik 1974

Rezensent:

Zeim, Eleonore

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1974 Nr. 11

862

Situationen: die glossolalische Situation, den evangelischen
und den katholischen Symbolgebrauch. Der Vf.
zeigt dann einige Schritte zu dem Ziel, nicht-katholische
Symbolik zu übernehmen, aber katholische Symbolfähigkeit
zu erlernen. Dabei behält er aber auch die Gefahren
des Symbols im Blick: „die Gefahr der regressiven
Bindung und die Ausbeutbarkeit der Geste für falsche
Ziele" (89). In den Ausführungen des Vf.s kommen erstmalig
Gesichtspunkte in Sicht, die mir für evangelische
Gottesdiensterneuerung wesentlich erscheinen.

Neben diesen drei Arbeiten von hoher aktueller Bedeutung
kann auf den reichen sonstigen Inhalt des Buches
nur gerade noch hingewiesen werden. Daß der Gottesdienst
als Grundphänomen urchristllchen Lebens längst
noch nicht die Ihm gebührende wissenschaftliche Behandlung
gefunden hat, zeigt J. Roloff unter dem Thema
..Der frühchristliche Gottesdienst als Thema der neu-
testamentlichen Theologie". Im hymnologischen Hauptbeitrag
hat E. Sommer „Die Melodien der alten deutschen
Täufer-Lieder" untersucht (101-164), die „in gewisser
Hinsicht einen Querschnitt durch das Melodien-
.Repertoire' der deutschen Bevölkerung jener Zeit" darstellen
. Gerade dadurch waren sie geeignet, möglichst
viele für diese Bewegung zu gewinnen (162). In den
„Kleinen Beiträgen und Miszellen" berichtet G. Rein-
grabner „Uber den lutherischen Gottesdienst und die
evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jhs. in Niederösterreich
". H. Goltzen gibt einen umfassenden Einblick
in die „Reform des Stundengebetes" der römischen Kirche
. Es folgen Berichte über Gottesdiensterneuerung in
Ungarn und Dänemark (O. S. Madsen). Zehn Beiträge
sind hymnologischen Spezialfragen gewidmet. Die bisherige
Unsicherheit über „Das erste siebenbürgisch-
deutsche evangelische Gesangbuch" beseitigt eine längere
Untersuchung von K. Reinerth, der das von Valentin
Wagner als Ertrag einer Reise nach Wittenberg 1555
in Kronstadt herausgegebene Gesangbuch als das erste
nachweist.

Die Literaturberichte suchen wieder möglichst vollständig
alle Neuerscheinungen auf den Gebieten der Li-
'urgik (1970, mit Nachträgen aus den Vorjahren und nötigen
Vorgriffen auf 1971), der Hymnologie und der Kirchenmusik
zu erfassen. Zur Liturgieforschung des Auslandes
wird berichtet aus Norwegen (H. Fehn), Dänemark
(K. Ottosen), Niederlande (A. C. Honders) und über
ein modernes, 1960 in Schweden erschienenes und inzwischen
ins Ungarische übersetztes Gebetbuch. Zur Hymnologie
des Auslandes werden Berichte erstattet über
Finnland (T. I. Haapalainen), Frankreich (E. Weber), Po-
■0 (K. Hlawlczka) und Ungarn (Kaiman Csomasz Töth).
Verzeichnisse der Lied- bzw. Strophenanfän^e und der
Personennamen werden der Forschung hilfreich sein.

Den Herausgebern des Jahrbuchs wie allen, die den
Druck finanzieren halfen, und nicht zuletzt dem Johannis
Stauda Verlag gilt wieder der Dank aller Interessierten
. Wenn ein Wunsch offenbleibt, geht er wohl bei vie-
'en Lesern dahin, die Hymnologen möchten sich doch
•tteh den heute brennenden Fragen nach dem Kirchen-
||*d und der Kirchenmusik der Gegenwart zuwenden
Das Jahrbuch könnte dadurch auch an Werbekraft gewinnen
.

°r»if,wal<l William Nagel

heilerer, Karl Gustav: Geschlehlc der katholischen Kirchenmusik
. Unter Mitarb. zahlr. Forscher des In- und
Auslandes hrsg. I: Von den Anfängen bis zum Triden-
Unum. Kassel-Basel-Tours-London: Bärenreiter Ver-
'«g 1972. XI, 48fl S. m. Notenbelspiekn u. Ktn.-Skizzen,
20 Abb. a. Taf. 4". Lw. DM 160,-.

Nach Friedrich Blumes ..Geschichte der evangelischen
Klr<'henmuslk", die unter Mitarbeit von I. Finscher, G.

Feder, A. Adrio und W. Blankenburg bereits bei Bärenreiter
erschien, legt nun derselbe Verlag eine adäquate
zusammenfassende Darstellung der „Geschichte der katholischen
Kirchenmusik" von Karl Gustav Feilerer mit
Beiträgen von über 50 Wissenschaftlern aus dem In- und
Ausland vor, deren zum Teil neue Forschungsergebnisse
in musikwissenschaftlichen, theologischen und liturgiegeschichtlichen
Studien dem Werk besondere Aktualität
geben. Die Beiträge sind K. G. Fellerers klarer Gesamtkonzeption
untergeordnet, ohne dabei deren jeweilig individuellen
Charakter aufzuheben. Die Fülle des Materials
bestimmte die Aufteilung in zwei Bände. Das für
die Kirchenmusik bedeutsame Konzil von Trient (1545
bis 1563), nach dessen Richtlinien sich die katholische
Kirchenmusik der folgenden Zeit weiterentwickelte,
wurde zum Schnittpunkt gewählt: Bd. I „Von den Anfängen
bis zum Tridentlnum" (Frühchristentum, Mittelalter
, Renaissance, berücksichtigt ist auch die Ostkirche),
Bd. II „Vom Trldentinum bis zur Gegenwart" (Gegenwart
: die Kirchenmusik nach dem Vaticanum II).

Im einleitenden Abschnitt des mir vorliegenden I.Bandes
„K a t h o 1 i s c h e K i r c h e n m u s i k" ist die Orientierung
über den Gelamtkomplex Kirchenmusik in den
beiden grundlegenden und richtungweisenden Aufsätzen
„Die katholische Kirchenmusik in Geschichte und Gegenwart
" (K. G. Feilerer) und „Wesen und Gestalten der
christlichen Kultmusik" (F. Haberl) gegeben. Fellerers
These „Die Kirchenmusik ist ebenso ein theologisches,
ein musikalisches wie ein soziologisches und psychologisches
Problem, gebunden an Erlebnisse und allgemeine
geistige und religiöse Vorstellungen des Menschen" (S. 1)
läßt die Konzeption des Werkes deutlich werden und
macht auch die Gründe für eine Mitarbeit so zahlreicher
Wissenschaftler deutlich; seine entwicklungsgeschichtlichen
Beiträge am Beginn der Großabschnitte (außer
„Ostkirche") bilden den Rahmen für die folgenden Spe-
zialstudien.

Die Hauptkapitel „Frühchristentum" und (vor allem)
..Ostkirche" bringen viel neues Material in aufschlußreichen
Einzeluntersuchungen. Weitaus umfangreicher ist
der bekanntere, aber auch hier mit neuen Detail-Untersuchungen
bereicherte Komplex: Abendländische Kirchenmusik
.

Es kann hier nicht auf die beträchtliche Anzahl der
verschiedenen Aufsätze im einzelnen eingegangen werden
. Lediglich ein Aufriß gebe Kenntnis vom Inhalt des
vorliegenden Bandes. Der Abschnitt „F r ü h c h r i -
Stent um" zeigt in sechs Beiträgen (K. G. Feilerer, S.
Corbin, E. Werner, H. Hüschen, A. Stuiber) die Entwicklung
der christlichen Liturgien und Gesänge aus der Praxis
synagogaler Gottesdienstformen und jüdischen Musizierens
. Mit der Uberschrift „Ostkirche" folgen
dann sieben liturgiegeschichtliche Studien (H. Husmann.
R. Menard, O. Strunk, J. v. Gardner), die differenziert
syrische, armenische, ägyptische, byzantinische und mel-
kitische Liturgie-Gesänge behandeln. „Die Elemente der
orientalischen Liturgien sind dieselben, die auch den lateinischen
Gottesdienst aufbauen: Gebete, Schriftlesungen
und Hymnen" (H. Husmann, S. 59). Im nachgesetzten
Kapitel „Abendländische Kirche" wird diese
These erhörtet. Dem Einleitungsreferat „Die abendländischen
Liturgien und die Kirchenmusik bis zum Trldentinum
" (K. G. Feilerer) sind dort elf Beiträge zugeordnet
(J. Stenzl, J. Schmit, K. G. Feilerer, B. Baroffio, H. Angles,
M. Huglo, M. Pfaff, G. Göller, F. A. Stein, K. Schlager, K.
W. Niemöller), die Überlieferungen und Gestalten des liturgischen
Gesangs der römischen Kirche im Mittelalter
behandeln, auf Wandlungen und Entwicklungen der gregorianischen
Melodien hinweisen, neue Formen des liturgischen
Gesangs herausstellen (vom Tropus bis zum liturgischen
Drama). Auch muslk-theoretischen Schriften
gilt eine besondere Studie. Daran schließt sich der letzte