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Ausgabe:

1974

Spalte:

791-793

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Steffensky, Fulbert

Titel/Untertitel:

Gott und Mensch, Herr und Knecht? 1974

Rezensent:

Schack, Eckhard

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Theologische Literaliirzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 10

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Nach den Bemühungen von W. Wiese und I. Adam liegt
hier nun ein weiterer muliger Versuch vor, den Kinder-
gotlesdiensl im Hinblick auf seine theologischen Voraussetzungen
sachgerechter zu gestallen, indem von dem
religionspädagogischen Zwang, perikopenbestimmte Lerneinheilen
zu planen, abgegangen wird.

In Kap. 1 und 2 weist der Vf. seine Konzeption auf und
begründet seine didaktischen Kriterien. In Kap. 7 stellt er
sich der bisherigen Kritik an seinen Modellen. Die Kap. 3—6
sind den Modellen und Projekten gewidmet, die teils mehr
bei Phänomenen, Themen und Erfahrungsgchalten der
kindlichen Erlebniswelt einsetzen, um dann zum biblischen
Problemfeldbezug zu gelangen, teils aber auch direkt von den
Intentionen der biblischen Zeugnisse ausgehen.

Würde man bei einer sicher bald notwendigen Neuauflage
auch noch einige markante Modelle aus dem Bereich der
Kinderpredigt und liturgischer, von Kindern gestalteter
Andachten aufnehmen, so wie man in das vielfaltige Angebot
doch auch das Erlebnis des gemeinsamen Feierns von
Kindern und Alleren im Gottesdienst als Möglichkeit durch
die Planung von Familicngottesdiensten vorgesehen hat,
dann dürften von den neuen Kindergoltesdienstformen
sicher auch Impulse für die Neugestaltung des Erwachscncn-
gottesdienstes ausgehen: Vielfalt der Weisen des Verkündigungsangebots
, Wirklichkeitsbezug von Verkündigung
und Kommunikation, Beteiligung der Gottesdienstbesucher,
Abwechslung in den Kommunikations- und Tätigkeitsformen
.

Greifswald Günther Kchnscherpcr

Slcffensky, Fulbert: Gotl und Mensch — Herr und Knecht?
Autoritäre Religion und menschliche Befreiung im
Religionsbuch. Hamburg: Furche-Verlag [1973]. 180 S. 8°.
Kart. DM 25,-.

Das Buch geht von der These aus, «laß die Theologie behauptet
, keinen Gottesbcgriff zu haben, also „keinen
Obersalz, aus dem alle anderen Sätze logisch-diskursiv ableitbar
wären" (S. 11), sie aber in ihren praktisch-theologischen
Entwürfen diesen Anspruch nicht durchzuhalten
vermag. Diese Diagnose ist nicht neu. Die entstehenden
Spannungen zwischen Anspruch und Wirklichkeit sind das
eigentliche Arbeitsfeld einer wirklichkeitsorientierten Theologie
, insbesondere aber des Praktischen Theologen. St. beläßt
es nicht bei der allgemeinen Diagnose, und darin liegt
die Bedeutung des Buches, gondern macht sich auf den Weg
zu einer differenzierten Diagnose, indem er eine Beihe von
Religionsbüchern untersucht, die der Konzeption der
„Evangelisehen Unterweisung" zuzuordnen sind, wie sie sich
in der religionspädagogischen Neuprofilierung nach 1945 für
den Itcligionsu nterrieht in der BMI) weil hin durchgesetzt ha t.

Er geht davon aus, daß sich Wert oder Iinwert eines
theologischen Anspruchs nicht an seinen theologischen
Voraus-Sctzungen nachweisen läßt, sondern an seinen
Wirkungen, die dort sichtbar werden, wo Kinder diese
Bücher zur Hand nehmen, damit sie etwas erfahren von der
„Sache", um die es im Beligionsunterricht geht. St.s Buch
ist demzufolge eine Analyse der Wirkungsgeschichte von
Religionsbüchern, deren theologischer Angatz in einer Zeil
gewonnen wurde, in der die Religiongpädagogik starken
restaurativen Tendenzen unterworfen war, die, weil sie
weithin Anerkennung fanden, big in die Gegenwart hinein
entgegen allen Ncunnsälzen praxiswirksam sind.

Den theoretisch abgelehnten, aber praktigeh wirkungsmächtigen
Obersatz sieht St. in dem hinter allen theologischen
Aussagen stehenden Gottesbild. „Ein Gottesbild
aber, von dem aug logigch-diskurgiv die theologischen FeloV i
bestimmt werden, hat de facto die Funktion eines Gottesbegriffs
, auch wenn auf eine begriffliche Definition verzichtet
wird" (S. 12). Damit aber existiert zwar nicht ein
definierter, aber in unendlich vielen Sätzen durchdeklinicrtcr

Hauptsatz, der theologisch fragwürdig ist, weil er den Anredecharakter
der religiösen Sprache pervertiert, indem er
die Sprache der I)u-Ich-Bezichung verläßt und die Sprache
der Ich-Es-Beziehung (M. Buber) zur Herrschaft bringt.

St. spitzt seine Grundthese zu, indem er herausarbeitet,
daß diese formale Schwierigkeit zugleich auch eine inhaltliche
ist: „der Gottesbegriff, der sich in den Religionshüehern
durchgesetzt hat, ist ein Herrschaftsbegriff, der sich die
ihm widersprechende biblische Tradition, daß Gott die Liebe
ist, unterwirft" (ebd.). Das macht diese: Beligionsbücher zu
„fragwürdigen Instrumenten der Auslegung der christlichen
Botschaft".

Die Fragwürdigkeiten werden an einer Reihe von theologischen
Zentralaussagen verifiziert:

1. am Thema Sünde, die in den untersuchten Beligionsbüchern
nicht von konkreten Situationen her beschrieben
wird, so daß auch die konkreten Inhalte vesehwiegen werden.
Statt dessen wird sie formal als Ungehorsam gedeutet. Ungehorsam
erseheint auf dem Hintergrund eines herrschaftlichen
Gotteshildes. Wo .,dieser Gott aber der absolute Herr
ist, kann der Mensch nur der absolute Knecht sein" (S. Gl);

2. am Offenbarungsverständnis, das ausgeht von dem
„ganz anderen Gott," der als Gott so groß ist, daß er für
das Denken der Menschen unerreichbar wird. Aber er
offenbart sich: in der Bibel, in der Person Jesu (Jirisli. Der

so begründete Bibelmonitmui hat zur Folgt, daß didaktische

Kategorien vernachlässigt werden, der Fragi horizonI des
Kindes demzufolge unberücksichtigt bleibt und psychologische
Beflexionen sich als überflüssig erweisen. So entsteht
eine deduktive Struktur und als deren Folge Lebensferne
im Unterric ht, die wiederum den Grund bildet für die
Langeweile, die hei den Schülern beklagt, wird;

3. am Thema Erlösung und Gnade. Das Itild eines totalitär
regierenden Gottes läßt den Menschen sich nur als totalen
Sünder verstehen. Erlösung kann dann nicht als Befreiung,
sondern nur als neuer Gehorsam entfaltet werden, und wo
die Begriffe Krlösung, Gnade, Liehe erscheinen, stehen sie
im Horizont des Herrschaftsangpruchs Gotteg. Sie werden
dadurch nicht glaubwürdig, denn gie gind nicht mehr
brauchbar, um die Größe der Liebe zu begehreiben. „Ei>10
pessimistische Griindstimmung der Ohnmacht ersetzt die.
wirkliche und genaue Erkenntnis der Sünde" (S. 107).

Die Folgen für das Verständnis der Welt sind entmutigend,
weil das Gegenwärtige entwichtigt wird. „Die in der Gegenwart
lebenden Menschen werden damit gleichgültig" (S. 13»)|
ihre Haltung gegenüber der so eilt wichtigten Welt ist aß
Sorglosigkeit, „die allein auf das Handeln flottes setzt •
Begriffe wie Autonomie, Mündigkeit und Fortschritt, durch
die die moderne Welt ihr Selbstverständiiis besehreib'i
Werden im Ansatz beargwöhnt. Das hat politische Konsequenzen
, vor allem dort, wo die gesellschaftlichen cr-
hältnisse, nicht hinzunehmen, sondern um des menschlichen
Fortschritts willen zu verändern wären. Stattdessen prig*™
diese Art Beligionsbücher „einen Wahrnehinungs- i""'
Denkcharakter, der als bürgerlich-mittelständiseh bezcichO**
werden kann" (S. 172), Erwarten tritt an die Stelle von
Handeln.

Mit diesen Konsequenzen am Ende seines Buches hält si«'n
St. an seinen Vorsatz, der Erhebung der Denkhorizontc dd1
Vorrang zu geben vor der Summieriing der Einzclinhaltc und
anstelle von Eiiizelanalyscn stärker Tcnden/analysen
versuchen, durch die die theologische und gesellscliaftli"''11
Konvergenz dieser Beligionsbücher angezeigt werden ltfi«•n*
St. will aufdecken, wie eine theologische Konzeption ""
praktischen Vollzug unter der Hand ihren eigenen An'"1*
verläßt und wie leicht sie nicht nur unevangelisch w,r< '
sondern in ihren politischen Konsequenzen auch konscrvatlV
reaktionäre Züge annehmen kann.

Diese entlarvenden Analysen sind ein wichtiger erst0'
Schritt, der getan werden muß, ehe die anderen Schiitle 'J|
tun sind, die noch zu tun bleiben. So leistet Sl. eigenlh'
keinen Beilragzur Lehre von der bändelnden Kirche, soiul('r"