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Ausgabe:

1974

Spalte:

217-219

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Faensen, Hubert

Titel/Untertitel:

Altrussische Baukunst 1974

Rezensent:

Wessel, Klaus

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42,2: seine (eine); 42,7: dem von (dem). Zu 14,38 bietet der
Apparat die bessere Lesart. 17,12 heißt es im Original
deutlich ../.urückzukomen"; doch hätte Quapp die Rceht-
ichreibung des Ms. nicht so genau zu bewahren brauchen.

Auf die Mehrzahl der genannten Fehler wäre Quapp wohl
selbst, aufmerksam geworden, wenn er die Übertragung
II. Mulerts herangezogen hätte, die — von etwa 18 Stellen
atigesehen, an denen Quapp einen besseren Text bietet —
Fehlerfreier und übersichtlicher abgedruckt ist; allerdings
iimfaüt sie nur ein Drittel des Originals, während Quapp das
Verdienst zukommt, das Ms. erstmals vollständig ver-
ötfentlichl zu haben (Schi, über Spinoza und Jacobi.
Mitgeteilt von Prof. Mulcrt. In: Chronicon Spinozanum,
T. 3, llngne Comitis 1923, S. 295ff. Vorhanden in la, 4, 5, 7,
8, 11, 12, 21, 24, 28, 30, 35, 38, 77).

"'"''Iii' Hermann Peilrr

GESCHICHTE CHRISTLICHER KUNST

Paensen, Hubert! U. Wladimir Iwanow: Altrussisehe Hnu-
kunst. Polos von K. G. Meyer. Merlin: Union Verlag [1972].
r>38 S. rn. zahlr. Abb., 420 schwarz-weiß u. färb. Abb.
a. Tat, 1 Ktc. 1 Tabelle 4° = Altrussische Kunstdenk-
rnäler, hrsg. v. K. Onasch u. H. Facnsen. Lw. M 78, — .

Der großformatige Band gliedert sieh in drei Teile, eine
„Einführung" von H. Faeaaen (S. 9—67), der 14 Parbtafeln
> iiigefügt sind, einen „Tnfelteil" mit 305 großformatigen
Abbildungen, davon 80 farbig, und die „Krläuterungcn zu
den Maulen" von II. Fncnscn und W. Iwanow, denen acht
Tafeln mit 101 kleinformatigen Abbildungen eingegliedert
sind. Dein schließen sieh an: „Erklärung der Fachbegriffe".
,, Literaturverzeichnis", „Namenregister" und „OrtSM -
gisler". Im Aufbau folgt der Mand also dem ersten dieser
Reihe, den K. Onasch über die russischen Ikonen vorgelegt
hat. Wie dieser allere hat damit auch der neue Mand ein
wenig den Charakler eines Kalaloges.

Die P.inführiing will den an der russischen Architektur
Inleressierlen mit Wesen, Sinngehalt, Herkunft und Mau-
typen vertraut machen. F. untergliedert sie in die Abschnitte
: Kyzantisi.hes Erbe und russische Tradition; Die
Hemchaft des ZentralbauiJ Aufbau der Kreuzkuppelkirehe;
<ieschichtscpochcn und Slilperioden; Die Haupttypen der
Holskirche; Wechselwirkung zwischen Holzbau und Stein-
bau; Liturgie und architektonische Formen; Die Kirrhe als
Ikone; Mildprogramm und Mauuislruktur, Symbol Gottes —
Daus des Volkes. Dem Laien auf diesem Spezialgebiet kann
diese, die Summe der sowjetischen Forschung gut zusammenfassende
und auswertende und mit den einschlägigen
Ergebnissen der konfessionskundlichen 1'ntcrsuclningen im
breitesten Sinne dieses Megriffes geschickt verbindende Darstellung
einen Schlüssel zum Verständnis in die Hand geben,
rumal klar und schlicht geschrieben ist, ohne je in eine
■alache, verflachende „Pnpiilarwisscnschaftlichkeit" zu verfallen
, liier werden exakte Forschungsergebnisse in allgemeinverständlicher
FoTIX] und doch anspruchsvoll vorge-
tragen. Fs ist aller Achtung auch der Farhwelt würdig, wie
P. es versteht, ohne Mreite und m. F. ohne Lücken die
Problematik seines Themas zu entfalten und zu erläutern.
Besonderi dankenswert ist es, daß F. immer hinter die
fortngesehii htlit hen Probleme auf den tragenden Grund der
Frömmigkeit und der gesellschaftlichen Mezogenheit zurückgeht
.

Nur wenige Finwände sind anzumelden:

1. S. 13 meint F., die Großfürstin Olga habe sich 957 in
Konitantinopcl laufen lassen. Das aber steht keineswegs
fest: Konstiinlinos Porphyrogennetos schildert zwar ein-
Kchend ihren Mesuch, erwähnt aber ihre Taufe in der Kaiser
K,ndt mit keinem Wort, nennt vielmehr in ihrem Gefolge

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einen Priester Gregorios; das läßt doch darauf schließen, daß
Olga bereits als Christin nach Konstantinope] kam.

2. S. IC führt F. die Pendentifs auf syrische Mcispiclc des
2. und 3. .Ih.s zurück (ohne solche zu nennen) und vermutet
ihren Ursprung in Ägypten. Für diese Herkunft gibt es
keinen stichhaltigen Meweis, und die syrischen Mauten sind

nicht autochthon, sondern römische Staatsarchitektur in der

Provinz.

3. S. 19 hält F. das Krcuzkuppelschema für inittel-
byzantinisch und für eine Verquickung des Typs der Ilagia
Sophia in Konstantinopel mit den Formen ..anderer hauptstädtischer
und orientalischer Typen". Das ist schlicht
falsch: mit der Hagia Sophia hat die Kreuzkuppelkirche gar
nichts gemein, was Ilaumstruktur und Wölbungsschema
anlangt; und die anderen hauptstädtischen und orientalischen
'Typen — was heißt hier eigentlich „orientalisch" ? —
dürften schwerlich nachzuweisen sein; der Typus ist vor-
ikonoklastisch bereits belegt (Musmije, Rusafa, IL David in
Thessalonike, vielleicht der gratianische Umbau des Trierer
Domes). Insofern kann man also auch nicht sagen: „Erst der
kulturelle Finfluß aus den östlichen Grenzprovinzen im 8. und
9. Jh. führte zur Ausbildung des Kreuzkuppelschemas" —
es war längst da und für den Kirchenbau adaptiert. In dem
Zusammenhang sei erwähnt, daß der ebd. verwendete
Begriff ..orientalische Schule", der mehrfach wiederkehrt,
heute nicht mehr verwendet werden sollte, da er vollendet
nnpräzis ist und sich jeder darunter Vorstellen mag, was er

«rüL

4. In der Maliforschung ist es heute keineswegs mehr
sicher — und m. W. war es nie communis opinio —, daß der
Mlockbau bezeichnend ostslawisch isl, wie F. S. 39 schreibt.
Diese Bauweise liegt beim Holzbau so nahe, daß man kaum
ein Volk als ihren Frfinder beanspruchen kann, daß man
vielmehr mit Parallelentwicklungen überall dort rechnen
muß, wo in Holz gebaut wurde.

5. Die „strenge Zweidiniensionalität" und der „Verzicht
auf plastische Figuren im Kirchenraum" können nicht, wie
F. das S. 54 tut, auf die großen Theologen der Ikonodulen
Zurückgeführt werden. Weiler in ihren Werken QOch in den
Mesehlüssen des Konzils von 787 steht davon etwas. Im
übrigen gab es in Myzanz durchaus plastische Figuren im
Kirchenraum, allerdings nur in Gestalt von Meliefs; ich verweise
auf die einschlägigen Arbeiten von II. Ilching, IV
Lange und mir.

6. Der „Andreasbalken" an den Kreuzen (so F. S. 56) ist
ursprünglich das Suppedion des byzantinischen Kreuzigungsbildes
, schräg gestellt wegen der legendären Knicver-
letzung, die Jesus sich bei seinem Sturz auf dem Kreuzweg
zuzog.

Keiner «lieser Finwände betrifft zentrale Fragen, der
Wert der Einführung wird durch sie wohl nicht gemindert —
man sähe nur gerne auch das Meiwerk auf der Höhe der
heutigen wissenschaftlichen Erkenntnis und fühlt sich durch
solche kleinen Ungenauigkeiten oder Fehler irritiert.

Der im ganzen wirklich guten Einführung steht der sehr
glücklich und informativ gegliederte Tafcltcil (Kiew und
Wlndimir-Susdal - die TAus vor dem Tatareneinfnll; Die
Stadtrepubliken Nowgorod und Pskow. Moskau als Zentrum
des einheitlichen Zarenreichs; Kultur der Übergangszeit:
das 17. Jahrhundert; Typologie der llolzkirchen) zur Seite.
Auswahl und Qualität der Abbildungen sind Ungewöhnlich
gut. Es ist schon ein großer Genuß, nllein im Tafel ted zu
blättern und die Kunst des Fotografen ebenso wie die hervorragende
Drueklcchnik zu bewundern. Von den gut er-
hallcnen oder gut restaurierten Mauten fehlt nichts Wesentliches
, wenn auch einiges in die Kleinbildcr des dritten Teils
abgeschoben ist.

Wenn ich recht sehe, sind diesem Schicksal Maulen verfallen
, die entweder so völlig verändert sind, daß ihre ursprüngliche
Gestalt sich wohl noch zeichnerisch, nicht aber
mehr restauratorisch rekonstruieren läßt, oder kleinere, als

Theologische Lileralurzeitung 99. Jahrgang 197'i Nr. .'t