Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1973

Spalte:

119-123

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Merkel, Helmut

Titel/Untertitel:

Die Widersprüche zwischen den Evangelien 1973

Rezensent:

Rohde, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

1J9

Theologische Literaturzeilung 98. Jahrgang 1973 Nr. 2

120

da sich der Autor gegenüber dem Vorsehlag einer missionsgeschichtlich
orientierten Galtungsbeslimmung „Gründungs-
legende" (G. Schille) skeptisch verhält.

Literaturverzeichnis, Autoren- und Stellenregister beschließen
den im Typoskriptsatz vorliegenden umfangreichen
Hand.

Die Untersuchung stellt eine fachgerechte literarkritisebe
Leistung im besten Sinne des Wortes unter Einbeziehung der
sprachlichen, stilistischen und galtungsanalytisehen Gesichtspunkte
dar. Sie bietet einen erneuten Beweis für die
überzeugende Qualität der Arbeitsweise der Schule A. Vögt-
les. Für die Arbeit am Markus-Evangelium ist sie eine Bestätigung
des bahnbrechenden Ansatzes von J. Schreiber und
ermutigt zum Fortschreiten der Forschung auf dem damit
gezeigten Weg für das Markus-Evangelium überhaupt.

N icht überzeugt hat mich die für Mk 15,47 getroffene 1 i(«■ -
rarkritische Entscheidung: Die Möglichkeit redaktioneller
Entstehung wird S. 105 vorschnell abgewiesen; das Verb ist
aus 10,4 übernommen und wurde auch S. 103 als notwendig
anerkannt; der S. 114 gebotene Vorschlag ist keine Lösung,
da die Wendung „des Kleinen" (V. 40) so nicht erklärt ist
(vgl. S. 91)J wenn dann S. 134f. dafür ein redaktionelles Vorziehen
aus 16,1 angenommen wird, ist dem durchaus zuzustimmen
, doch bleibt die Lösung auf halbem Wege stehen,
wenn sie dies nicht für die ganze Wendung (bis: „Mutter")
annimmt und im Zusammenhang damit beide Listen in Mk
15 redaktionell bestimmen kann.

Unbefriedigend an der S. 173 formulierten Rekonstruktion
bleiben zwei Punkte: Sind die Partizipien in W.43a.44.45
redaktionell, so stellt sich die Frage erstens auch für V.43b
so, zumal das Verb an der einzigen noch bei Mk 12,34b vorliegenden
Stelle redaktionell ist. Zweiteus ist erst recht das
doppelte Partizipium conj. V.46 unter diesen Verdacht zu
stellen, zumal das „Herabnehmen" in deutlicher Korrespondenz
zu V. 36 steht. Andererseits: wenn der Relativsatz Bestandteil
der Tradition ist, müßte aus sachlichen Gründen
auch (-in Teil des anschließenden Verschlusses als noch überliefert
angesehen werden.

Für den vierten Evangelisten wäre wohl das Verhältnis zu
Markus detaillierter zu untersuchen, der Wert der sprachlichen
und stilistischen Formung für das Redaktion des Evangelisien
höher zu veranschlagen und die Relevanz der Er-
füllungszitate für die Gestaltung der johanncisehen Leidensgeschichte
(vgl. W. Rothfuchs, Erfüllungszitate S. 151ff.)
stärker in Anschlag zu bringen.

Druckfehler: S. 213 Wortfolge von Joh 19,31f. umstellen;
S. 301 Schreibweise: Nida; S. 321 zu Pesch, Levi: 1968.

Naumburg Wolfgang Schenk

Merkel, Helmut: Die Widersprüche zwischen den Evangelien
. Ihre polemische und apologetische Behandlung in
der Alten Kirche bis zu Augustin. Tübingen: Mohr 1971.
VI, 295 S. gr. 8° = Wissenschaftliche Untersuchungen
zum Neuen Testament, hrsg. von J. Jeremias und 0.
Michel, 13. DM 38,-; Lw. DM 44,-.

Die Untersuchung ist eine von W. v. Loewenich angeregte
Arbeit, die von der Theologischen Fakultät Erlangen als Dissertation
angenommen worden ist. Sie will nicht nur der
Frage nachgehen, wie sich die Kirchenväter mit den konkreten
Verschiedenheiten und Widersprüchen der Evangelien
auseinandergesetzt haben, sondern ist auch im Hinblick auf
G. Ebelings Formulierung konzipiert worden, daß Kirchengeschichte
eine Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift
sei (S. 4).

Es geht dem Vf. nicht darum, eine Geschichte der Evangelienharmonien
zu bieten, auch keine lückenlose Sammlung
aller Einzclstellen, an denen sich die Kirchenväter oder auch
heidnische Gegner des Christentums mit dem Problem des
vierfach unterschiedlich überlieferten Evangeliums beschäftigt
haben. Er möchte nur die wichtigsten Relege auswerten.

Deshalb berücksichtigt er auch nichl die konkreten Harmonisierungen
bei den Kirchenvätern und in den apokryphen
Evangelien. Gleichwohl zeigen aber schon die ausgewählten
Belege, daß die Lösungsversuche der Kirchenväter durchaus
auch noch heute von Interesse sein können, auch angesichts
der Zweiquellentheorie und der redaktionsgeschichtlichen

Forschung. Einzelne Ergebnisse könnten durchaus exegetische
Gültigkeit beanspruchen (S. 3). Besonders herausgestellt
werden die Äußerungen der ein/einen Kirc henväter und
auch der heidnischen Gegner zu den auffallendsten Widersprüchen
und I'nterschieden in den Evangelien: zur unterschiedlichen
Chronologie bei Johannes und den Synoptikern!
tu den Stammbäumen bei Matthäus und Lukas, zu den Vorgeschichten
bei beiden und zu den Widersprüchen und Unterschieden
in den Passions- und Osterberichten. Unter den
neueren Untersuchungen zur Kanonsgeschichte be findet sieh
Merkel besonders im Gespräch mit v. Campenhausens Buch

„Die Entstehung der christlichen Bibel" (1968).

Nach dem Einleitungsparagraphcu behandelt der Vf. in
§ 2 „Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der
auüerkin blichen Polemik" (S. 8-32), in § 3 „Die Widersprüche
/wischen den Evangelien als innerkirchliches Problem
" (S. 32—43), in § 4 „Die frühen dogmatischen Lösungsversuche
" (S. 44—91), dem sich der Exkurs „Zum Problem
des DiateSSarOn-Einflusses auf die Überlieferung des neu-
testamentlichen Textes" (S. 91—93) anschließt, in § 5 „Ori-
genes' Lösung der Widersprüche zwischen den Evangelien"
(S. 94—121), in § 6 „Die Anfänge der patristischen Quaestio-
nenlitcratur" (S. 122-159), in § 7 „Die Behandlung der Widersprüche
zwischen den Evangelien bei den Antiochenern"
(S. 150—200), in § 8 „Die Widersprüche zwischen den Evangelien
in der Exegese der lateinischen Väter vor A ugust in"'
(S. 201—217), in § 9 „Augustins Schrift ,De consensu evan-
gelistarum'" (S. 218-261) und schließt die Arbeit in § 10 mit
„Erwägungen zum probleingeschichtlichen Ertrag der Untersuchung
" (S. 262-269).

Unter den außerkirchlichen Polemikern werden Celsus,
Porphyrius, Hierokles, Kaiser Julian und der Manie häcr
Faustus vorgeführt. Dabei stammten die scharfsinnigsten
kritischen Bemerkungen von Porphyrius, auf die sich wahr-
Scheinlich auch Julian Stützte. Nicht nur auf die Unvereinbarkeit
der Stammbäume, Geburts- und Ostergcschu bleu
werde von beiden hingewiesen, sondern auch innere Widersprüche
in einem und demselben Evangelium würden konstatiert
. Dazu werde von Porphyrius das Fehlen eines Berichtes
In den Synoptikern als Argument gegen einen solchen
Bericht bei Johannes verwendet.

Aber nicht nur durch scharfsinnige und eindringende Polemiker
sei die Kirche auf das Problem der Widersprüche in
den Evangelien angesprochen worden, sondern auch inner-
kirchlich seien die Widers|>rüche manchmal zum Problem und
dadurch nichl selten einfache Gläubige aufmerksam und an
der Schrift irre geworden (vgl. S. 31). Akut wurden diese Fragen
in dem Augenblick, als che Kirche einen verbindlichen
Evangelienkanon schuf. Stellen aus dem Matthäus-Kommentar
des ürigenes, aus Briefen des Hieronymus, dem Lukas
-Kommentar des Ambrosius, der ersten Matthäus-1 lomi-
lie des Ambrosius und Predigten Augustins werden als Belege
dafür angeführt, wie sich die genannten Kirc henväter
Seelsorgerlich mit diesbezüglichen Fragen ihrer Gläubigem beschäftigen
muUten (S. 32f.). Ferner wird der Standpunkt der
radikal synoptischen Partei der Aloger skizziert, die im
Kampf gegen den Montanismus auch das Joh.-Evangelium
und die Apokalypse verwarfen, auch der Osterfeststreit zwischen
Rom und den Kleinasiaten, bei dem letztere sieh auf
die johanneische Chronologie zur Festlegung von Karfreitag
und Ostern stützten.

Die Theorie von Overbeck und Windisch, daß Johannes
die Synoptiker verdrängen wolle, wird vom Vf. nicht akzeptiert
, doch gibt er zu, daß Johannes sehr wohl an einige»
Stellen die Synoptiker korrigieren wolle (S. 44). Die bekannte
Äußerung des Papias über den Ursprung des Markus-Evan-