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Ausgabe:

1973

Spalte:

906-908

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Tilborg, Sjef van

Titel/Untertitel:

The Jewish leaders in Matthew 1973

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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905

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 12

906

nach bestimmten Gliederungsregeln. Der ganze Bereich
Nicht-Erzählung bleibt als Restkategorie vorerst außer
Betracht.

E. Güttgemanns bietet als Diskussionsvorlage »Thesen
zur aktuellen Diskussion um die .Wirklichkeit' der Auferstehungstexte
: .Text' und .Geschichte' als Crundkategorlen
der Generativen Poetik" (38-55). Er argumentiert darin so:
Erkenntnistheoretisch wie ontologisch kommt Geschichte
nur in Form des Textes vor, folglich ist Geschichte gegenüber
dem Text kein primäres Datum (44 f.). Dies bedeutet
auf den verhandelten Gegenstand angewendet: „Jede Aussage
über eine extratextuale Wirklichkeit der Auferstehung
ist wissenschaftlich nicht mehr deduzierbar" (54). Der Vf.
demonstriert dann seine Thesen (59-100) an einer trans
formationsgrammatischen Analyse von Mk 16,1-8 (verkürzte
Fassung der in LingBibl 11/12, 1972, 13-53 vorliegenden
Darstellung). Im Anschluß an L. Marin, Les femmes
au tombeau, Langages 22, 1971, 39-50, werden die
„erzählten" Frauen als Textzeichen für die Leser als die
eigentlichen Adressaten bestimmt, deren Hauptaspekt das
„Suchen" sei. Die streng textfunktional fragende Strukturale
Analyse kann dann die Perikope nicht mehr als „Erzählung
vom leeren Grab" adäquat beschrieben sehen, sondern als
„Text-Werdung der möglichen Relation der Leser zum
.Subjekt' des Textes" (91; vgl. dazu die Diskussionsanfragen
137-140 u. 159-161. - Mir scheint dabei in der prinzipiellen
These eine unter der Hand vorgenommene Vertauschung
von Realgrund und Erkenntnisgrund vorzuliegen. Zweitens
sehe ich hier eine Verabsolutierung der Funktion von erzählenden
Texten auf Texte überhaupt, die hinter die im
Einführungsreferat von Raible getroffene Differenzierung
zurückfällt oder aus der Not der vorerst nur möglichen
Erklärung der Erzähltexte eine Tugend von Texttheorie
überhaupt macht). Das zweite, mehr praktisch-theologische
Exempel für eine Anwendung seiner Theorie ist Güttgemanns
Andacht „Strukturale Meditation über Mt 4,1-11"
(173-175): „Der Mangel des Lesers ... wird ... beseitigt,
indem eine Sprache erzeugt wird, die dem Leser als erzählender
Text entgegentritt . . . Wer zuhört, der erhält mit
dem .erzählten' Jesus die Beseitigung seines Mangels."
(Auch dieses Beispiel überzeugt nicht recht: Bleibt dies?
Redeweise hier nicht doch zu Unrecht zu stark auf der
metasprachlichen Ebene?)

Mit unmittelbar zustimmender Berufung auf Güttgemanns
handelt Jan van der Vcken über „Theologisch?
Sprachlogik der Auferstehungsverkündigung" (176-189), um
die Güttgemannsschen „Erklärungen" im Hinblick auf das
„Verstehen" (die Aneignung durch den Leser) zu ergänzen:
Die vom Text selbst eingeschlagene Richtung ist solange
auszuziehen, bis sie uns in eine Erschließungssituation
(I. T. Ramsey) bringt. (Diese Quintessenz mag im allgemeinen
nützlich sein, mutet aber im konkreten Falle an
wie eine apologetische Umgehung der Notwendigkeit von
sachkritischen Urteilen auf der Ebene des semantischen
Gehalts.)

G. Mainberger OP konnte bedauerlicherweise aus Gründen
der Copyrights nur den einleitenden Teil seines praktisch
-theologischen Vortrags „Sprachtheorie und Predigtlehre
- Linguistik und Homiletik" (190-196) abdrucken
lassen und nicht auch die von ihm geleistete Analyse konkreter
Predigten. Doch schon die vorliegende Einleitung
ist instruktiv und anregend genug: Da Predigt Information
ist, ist die Anwendung der linguistischen Fragestellungen
für sie zwingend. „Homiletik als Sprachlehre betrachtet die
Predigt als System von Zeichen, die die Funktion haben,
eine Leistung zu vollbringen, d. h. angemessen zu senden,
zu informieren, Kommunikation herzustellen, beim Hörer
anzukommen und das mit dem Zeichen Gemeinte verständlich
zu machen, näherzubringen, darzustellen und zu verdeutlichen
" (195 f.).

Etwas abseits von der bisher deutlich gemachten Schullinie
lag das zweite exegetische - und nach Auskunft der
Diskussion faszinierende - Hauptreferat von H. D. Preuß.
Es handielte über „Auferstehung in Texten alttestamentlicher
Apokalyptik (Jes 26,7-19; Dan 12,1-4)" (101-133). Dabei
markiert er schon eingangs seinen linguistischen Standpunkt
in gewisser Distanz und Eigenständigkeit im Verhältnis
zum Programm der „Generativen Poetik", sofern es
ihm „mehr um die genaue Beschreibung der Textperfor-
manz durch eine Identifikationsgrammatik geht, als um die
Frage nach der Sprachkompetenz, welche den Text erzeugt
hat" (101). Die unter diesem Aspekt vorgetragene Exegese
beider Texte ist etwa in der Art durchgeführt, wie sie
W. Richter in seiner Methodenreflexion „Exegese als Literaturwissenschaft
" (Göttingen 1971) linguistisch klärend durchgeführt
hat. In der Diskussion hat sich der Autor mehrfach
zustimmend und begründend zu dieser Nachbarschaft bekannt
.

Man hat den Herausgebern nur zu danken, daß sie der
Wiedergabe von Ausschnitten aus den Diskussionen von
vier Arbeitsgruppen, die im Anschluß an die Hauptreferate
von Güttgemanns und Preuß Grundfragen des Verhältnisses
von Linguistik und Theologie besprachen, so viel Raum
eingeräumt haben (134-172). Man wird ihnen eine Fülle
von Gesprächsänregungen und Denkanstößen entnehmen.
Der mit den hier verhandelten Fragestellungen noch nicht
vertraute Leser kann gerade aus den Diskussionen wie aus
der Einführung von Raible Zugang und Ermutigung gewinnen
.

Anzumerken wäre noch, daß D. Stellmacher mit seinen
Anfragen „Zum Sprachverständnis Gerhard Ebelings" (56- 58)
in ihrer Kürze kaum zureichend so doch ein in seiner
Wichtigkeit nicht zu unterschätzendes Arbeitsfeld angepeilt
hat. Reinhard Breymayer und Domenico Ellena ist die
1096 Titel aufführende Bibliographie zur „Linguistischen"
Theologie zu danken (197-246), die für jeden an der Sache
Interessierten eine große Hilfe sein wird.

Man darf sich mit den Herausgebern und den Autoren
dieses Bandes darüber freuen, daß diese Suchforschung
weitergeht. Bei dieser ganzen Arbeit wird man jedoch
immer auf den Rat des Einführungsreferats hören, „solche
Modelle als Vorschläge aufzufassen, die man auf ihre
Leistungsfähigkeit hin prüfen kann, keinesfalls jedoch sie
etwa als eine neue Heilslehre der Exegese anzusehen, auch
dann nicht, wenn die Schöpfer solcher Modelle mit apodiktischen
Ansprüchen auftreten sollten" (25).

Druckfehler: S. 15 letzte Zeile: ein pi zu streichen; S. 37
Z. 13: Gattungen; S. 109 Z. 5: denn.

Naumburg Wolfgnng Schenk

Tilborg, Sjef van: The Jewish Leaders in Matthew, Leiden:
Brill 1972. X, 199 S. gr. 8°. Lw. hfl. 30,-.

Die Arbeit wurde Mitte 1970 abgeschlossen und im
Mai 1972 in Nijmegen als| Dissertation angenommen. Sic
ordnet sich als redaktionsgeschichtliche Studie zum Mst-
thäusevangelium bewußt in die Reihe der Arbeiten von
Kilpatrick, Trilling, Hummel, Strecker und Walker ein, hat
also das gespaltene Verhältnis des Mt zum Judentum im
Blick (antijüdische Einstellung trotz starken Einflusses
jüdischer Traditionen).

Tilborg geht aus von der Fragestellung, daß die Bezeichnungen
Pharisäer, Sadduzäer, Schriftgelehrte, Hohepriester
und Älteste (des „Volks") für Mt keine unterschiedlichen