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Ausgabe:

1973

Spalte:

592-593

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Die kölnische Provinz bis zum Ende des Mittelalters 1973

Rezensent:

Kleineidam, Erich

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 8

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einheitlichen Charakter der großen Kirchenordnung von 1559
würdigt, so unverblümt wird doch festgestellt, dafj eben
diese Kirchenordnung im strikten Gegensatz gegen Luthers
Lehre von den beiden Reichen das landesherrliche Kirchenregiment
durchorganisiert und sowohl den zentralistischen
Charakter der damaligen Württembergischen Kirche festlegt
als auch das Mitspracherecht der Gemeinde gegen die
Absicht Luthers streicht.

Die nächste Gruppe von Schriften ist der Konfessionskunde
gewidmet (Promereri - Eine Studie zum tridentini-
schen Rechtfertigungsdekret als Antwort an H. A. Oberman;
Die Rechtfertigungslehre als kontroverstheologisches Problem
; Schrift, Tradition und Kirche; Die Einheit der Kirche
und der Zwiespalt der Konfessionen; Kirche und Amt in der
Diskussion der evangelischen Theologie). Das Interesse an
den gegenwärtigen Bewegungen der evangelischen und katholischen
Kirche steht im Vordergrund. Trotzdem ist es auch
hier die souveräne Beherrschung der Kirchengeschichte, die
hinter den Problemen von heute die Antworten von gestern
aufweist und durch die Dimension der Geschichte die echten
Differenzen von den vermeintlichen trennt. Wer die Euphorie
baldiger Wiedervereinigung der beiden Kirchentümer
pflegt, wird sich durch den Ton, der ihm entgegenklingt, ernüchtert
fühlen. Eben dies ist aber die Absicht: es dient dem
gegenseitigen Verständnis der Konfessionen nicht, wenn
man die Gegensätze abschleift und verharmlost. Hilfreich
kann nur die klare Erkenntnis der konfessionellen Eigenart
hüben und drüben sein, auch wenn der mühselige Weg zur
Einheit dadurch unabsehbar in die Länge gezogen wird. Bei
aller sachlichen Deutlichkeit, die über den Standpunkt des
Verfassers und über seine Gründe keine Mißverständnisse
aufkommen läßt, widerfährt der katholischen Auffassung Gerechtigkeit
. Auch wenn die vielschichtigen Sachverhalte auf
einfache Gesichtspunkte zurückgeführt werden - der Vortrag
über die Rechtfertigungslehre ist dafür ein Musterstück
- läuft man doch nirgendwo Gefahr, einer Simplifikation
zu verfallen.

Wissenschaftsgeschichtliche Beiträge bilden die fünfte
Gruppe (Tübingen und die Theologie; je zwei biographische
Arbeiten über Karl Holl und Karl Müller). Obwohl Rückert
sich ganz an die Tatsachen hält, werden doch - sicherlich
gegen seinen Willen - gerade diese Tatsachen transparent
für das hohe wissenschaftliche Ethos, für die Liebe zur Theologie
und für die Ehrfurcht vor der Geschichte, die den
Verfasser selbst auszeichnen und die in jeder Zeile seines
Buches mitschwingen. Man kann diese Darstellungen nicht
lesen, ohne beständig Vergleiche mit der Gegenwart zu ziehen
. Ist die Universitätstheologie gut beraten, wenn sie die
vorbehaltlose Wahrheitssuche und die leidenschaftliche Hingabe
an die Erkenntnis des Gewesenen hintansetzt zugunsten
anderer Ziele, die vom vorsätzlichen Engagement angetrieben
irgendwo in einer geschichtlichen Gegenwart oder
in einer verschleierten Zukunft gesucht werden? Die Erkenntnishaltung
, die bisher in der Kirchengeschichte gegolten
hat und in der Rückert mit Holl und Müller zusammengehört
, wird schließlich doch allein den Namen Wissenschaft
verdienen.

Der Einleitungsaufsatz „Personale Geschichtsbetrachtung",
der als Programm dem ganzen Band vorangestellt ist, gibt
eine Antwort auf die Frage, inwieweit die Subjektivität des
Historikers am Erkenntnisprozeß beteiligt ist. Ziel des historischen
Erkennens ist nicht die tötende Objektivität, sondern
das Verstehen, das in der Gemeinschaft von Personen
möglich wird und das auch über den Zeitabstand hinweg
vonstatten geht. Daß diese personale Geschichtsbetrachtung
das Verständnis für gemeinschaftliche und institutionelle
Zusammenhänge einschließt, braucht dem Leser des Aufsatzbandes
nicht weiter bewiesen zu werden.

Das vielbeachtete Gutachten der Ev.-theol. Universität
Tübingen „Für und Wider die Theologie Bultmanns" steht
am Schluß des Bandes. Rückert bemerkt dazu, daß das Gutachten
in Zusammenarbeit mit G. Ebeling von ihm formuliert
worden ist.

Ein Personenregister rundet das Werk ab.

Oldenburg Ro|f Schäfer

Kunzelmann, Adalbero, OSA: Geschichte der deutschen Augustiner
-Eremiten. IV: Die kölnische Provinz bis zum
Ende des Mittelalters. Würzburg: Augustinus-Verlag 1972.
XII, 298 S. 8° = Cassiciacum, hrsg. v. A. Kunzelmann u.
A. Zumkeller, 26,4.

Der Verfasser hatte in Teil III 136 angekündigt, daß der
vierte Teil die Geschichte der sächsisch/thüringischen Provinz
bringen werde; doch er änderte seinen Plan, zog den
Bericht über die kölnische Provinz vor, wohl um die umfangreichste
und historisch bedeutsamste Geschichte der sächsisch
-thüringischen Provinz dem letzten, fünften Band vorzubehalten
.

Die kölnische Provinz umfaßte das deutsche Sprachgebiet
im Nordwesten des Reiches nördlich von Mainz rheinabwärts
sowie die Niederlande. Im Mittelalter war sie mehr als zweihundert
Jahre nach ihrem Vorort Köln benannt; erst als der
Kölner Konvent 1509 zur sächsischen Reformkongregation
überging, bürgerte sich der Name „belgische Provinz" ein,
den der Konvent Köln auch nicht mehr verdrängen konnte,
als er 1533 wieder zur alten Provinz zurückkehrte.

Köln war der Sitz des Provinzialrats; der dortige Konvent
war bei weitem der zahlreichste und bedeutendste, er zählte
durchschnittlich etwa 130 Religiösen; der Augustinerkonvent
zu Erfurt erreichte auf seinem Höhepunkt etwa 80-90 Religiösen
; zu Luthers Zeiten zählte er 52. Schon 1306 wurde
auf dem Generalkapitel des Ordens zu Bologna das Gcne-
ralstudium von Köln eines der vier Generalstudien des gesamten
Ordens außerhalb Italiens. An der Gründung der
Universität Köln im Jahre 1388 waren Augustiner maßgeblich
beteiligt, und 1391 wurde der Konvent Köln und mit ihm
als Haupt der ganzen Provinz auch diese der Universität
Köln inkorporiert (S. 10-11). Welche Bedeutung die Augustiner
an der Universität Köln gehabt haben, führt Kunzelmann
leider nicht aus. Auffällig bei der Geschichte der vier
deutschen Ordensprovinzen ist es, wie stark sie in sich abgeschlossene
Gebilde sind, die mit den anderen, benachbarten
Provinzen kaum einen Austausch pflegen. Nur ein einziges
Mal ist ein an der Universität Erfurt promovierter Doktor
der Theologie in Köln Prior des Konvents und Professor
an der Universität geworden; es ist Johannes von Alen, der
kurz vor 1400 in Erfurt promoviert wurde. Erst die sächsische
Reformkongregation wird diese Grenzen zu durchbrechen
suchen.

Der Vf. schildert mit gewohnter Präzision und Vollständigkeit
zunächst die Geschichte der rheinischen Konvente
von Köln, Aachen, Trier und Belburg. Bei Trier hat er wohl
unberechtigt eine späte Quelle in seinen Text übernommen,
daß nämlich innerhalb von rund dreißig Jahren an der Trierer
Universität sechs Augustiner zum Doktor der Theologie
promoviert wurden (S. 59) ■ erster und zweiter seien Johannes
Paltz und Johannes Brucheim gewesen. Johannes Paltz
ist jedoch sicher in Erfurt, Johannes Brüheim von Gotha
in Tübingen zum Doktor der Theologie promoviert worden.
Es folgt die Geschichte der niederländischen Konvente von
Hasselt, Löwen, wo 1447 das Generalstudium des Ordens
der Universität inkorporiert wird, Mecheln, Brügge, Eng-
hien, Maastricht, Ypern, Middelburg, Dordrecht und Gent,
schließlich die im 14. und 15. Jh. gegründeten Konvente zu
Wallerfangen, Wesel, Hillesheim, Lüttich, Haarlem und Enk-
huizen. Ein letztes Kapitel berichtet über die Geschichte der
Gesamtprovinz und ihrer Provinziale.

Das Lob, das den früheren Bänden gespendet wurde, kann
hier nur wiederholt werden, ebenso aber auch die Bitte um
ein vollständigeres Register. Wiederum ist die Arbeitskraft