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1973

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7

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gerechnet werden muß. Nun wird freilich kaum jemand mit
einer direkten literarischen Abhängigkeit rechnen, während
die indirekte Beeinflussung das die Variationsbreite der
Auslegung bestimmende Problem ist. Jes 42,1 gehört für
den Vf. zu den wichtigsten Hintergrundtexten der Taufszene
(158); sein Sinn freilich ist mitbestimmt durch die
religionsgeschichtliche Entwicklung, die sich im alten Judentum
in Hinsicht auf Gottesknecht und Messias vollzogen
hat und vom Vf. sorgfältig dargestellt wird. Zur Deutung
wird herangezogen die Auswahl aus den prophetischen
Texten, die im Neuen Testament mit ihrem Bezug auf die
Verkündigung der Frohbotschaft vollzogen wird, und das
seit dem Deuteronomium sich herausbildende Leitbild des
Gottesgesandten. Der Taufbericht weist hin auf Jesus, der
-der geistbegabte zu Israel gesandte Gottessohn" ist (278 f.,
auch 273).

Dies wird durch das Taubensymbol veranschaulicht. Die
Umschau im vorderorientalischen, hellenistischen und jüdischen
Bereich führt zu dem Ergebnis, das am nächsten
üegt, auf die Doppelbedeutung der Taube als Symbol für
Israel und als Botin an Israel zurückzugreifen; sie deutet
hin auf die Ausrüstung Jesu für das neue Israel (269 f.),
denn „Taubenherabkunft" ist „Geistherabkunft" (271).

Durch Verbindung des Geschehens nach der Taufe und
der Taufstimme als Vision und Audition reiht sich die
Taufszene ein in die Gattung Deute-Vision, wie sie aus
einer Reihe von Targumstellen zu Isaaks Opferung, zu
Jakobs Traum von der Himmelsleiter und zur Prophetenberufung
des Jesaja erhoben wird (195-248; zu Jesaja
fliegt einer der Cheruben und legt die Worte der Pro-
phetie in seinen Mund). Diese Deute-Visionen weisen auf
den Erwählten Gottes. In ihrem Umkreis finden sich die
Bezeichnungen des „Einzigen in der Welt" als des Erwählten
und Gerechten, worin ein Hinweis auf die Gottes-
ebenbildlichkeit Adams enthalten ist (228-243). Die Tar-
gume verwenden in den Deute-Visionen Mischtexte aus verschiedenen
biblischen Bezügen. Das stimmt mit der Tauf-
stimmc überein, nach Mk 1,11 auch ein Mischtext aus
Jes 42,1 und Ps 2, 7. Eine Entwicklung im Text der Taufstimme
von Knecht zu Sohn, wie sie seit G. Dalman mehrfach
angenommen wurde, schließt der Vf. aus, denn „der
"Titel« für die zu deutende Gestalt" ist »vor« der Deute-
Vision entstanden.... und (lag) dem Erzähler zuhanden ...
Er gibt der zu deutenden Gestalt eine neue Interpretation"
(188 f. 264 f.). Sohn Gottes ist Auserwählter, Messias, Offenbarer
. Dabei darf jedoch die grundlegende Bedeutung von
Sohn für den biblischen Bereich als Ausdruck der Zugehörigkeit
und der Unterschied zwischen dem Titel „Sohn
Gottes" und dem absoluten „der Sohn" als ein die Zugehörigkeit
ausdrückender Relationsbegriff nicht übersehen
werden.

Am Ende seiner Untersuchung fragt der Vf. nach dem
Sitz im Leben und findet ihn vor allem in der Unterweisung
(276 f.). Er geht auf die Unterschiede der Taufberichte
m den einzelnen Evangelien ein, die im Laufe der Untersuchung
bereits vorbereitet sind, und erörtert die Möglichkeit
eines hypothetisch erschließbaren vorsynoptischen Taufberichtes
(251. 286 f.).

Wir haben nur einige Grundzüge der material- und
gedankenreichen Arbeit wiederzugeben versucht. Sie wird
für längere Zeit ihre grundlegende Bedeutung für den Ausgangspunkt
der Synoptikerexegesc behalten. Ihre Bedeutung
Hegt in der Erschließung der Gattung Deute-Vision,
deren Fruchtbarkeit für das Verständnis der Taufszene vom
Verfasser erwiesen ist. Ihr Mangel zeigt sich an der Isolierung
der Perikope aus ihrem engeren und weiteren Kontext
. Für Markus ist der Zusammenhang zwischen 1, 7 und
1. 8 zu beachten. Auf die Ansage des kommenden Geisttäufers
ist die Täuferdarstellung bei Markus zugespitzt.
Pür Markus trifft also nicht zu, daß die Taufe Jesu nicht
9eschildert sei „als die vom Täufer angekündigte Taufe

des Stärkeren ,in Geist und Feuer" (132). Die Feuertaufe
wird bei Markus überhaupt nicht erwähnt; für ihn ist Jesu
Taufe die Geisttaufe des Geisttäufers, der der Stärkere
gegenüber dem Wassertäufer ist. Der Zusammenhang zwi
sehen Taufe und Versuchung vor allem bei Markus (1,10.12,
beide Male das Absolute der Geist) und auch in Q
(... wenn du Gottes Sohn bist .., Mt 4, 3.6 par Luk 4, 3.9)
läßt es fraglich erscheinen, ob die Taufszene tatsächlich
ohne Abschluß bleibt, was für die Gattung der Deute-Vision
charakteristisch sei (53). In der Versuchung wird durch den
Kontext die Antwort auf die Taufe und damit ihr Abschluß
gegeben. Die Gattung der Deute-Vision schließt nicht aus,
daß sie im Rahmen einer Berufungsgeschichte erzählt wird,
wie Lentzen-Deis meint (53), für die er den Abschluß als
notwendig erachtet. Jes 6,5-7 im Prophetentargum verbindet
Deute-Vision und Prophetenberufung. Zu einer weiteren
Frage führen die Unterschiede zwischen der marki-
nisch-matthäischen und der lukanischen Tauffassung. S;c
sind so groß, daß mit der Möglichkeit gerechnet werden
muß, der letzteren liege die Q-Fassung zugrunde, auf die die
Versuchungserzählung aus Q Bezug nimmt. Kleine Gemeinsamkeiten
zwischen dem Text des Matthäus und des Lukas
gegenüber dem des Markus verstärken die Möglichkeit.
Dann aber muß neu geprüft werden, ob sich in der Taufstimme
in Luk 3, 22 D u. a. westl. Texten die Fassung von
Q erhalten habe, die in der überwiegenden Mehrheit der
Lukastexte nach Markus korrigiert worden ist. Das ist
notwendig angesichts der SpezialStudie von Lentzen-Deis,
auf die er mehrfach in seinem Buche verweist (Ps 2, 7, ein
Motiv früher hellenistischer Christologie? Der Psalmvers
in der lectio varians von Lk 3, 22, im Ebionäerevangelium
und bei Justin Martyr, in: Theologie und Philosophie 44
[1969] 342-362). Schließlich bedarf der Zusammenhanq
zwischen dem Taufbericht der Evangelien und der Tauftheologie
des Paulus, wie sie Gal 3,24-4,7 und auch
Rom 8,14-17 vorliegt, der Beachtung. Dort wird deutlich,
wie früh Taufe und die aus dem Geiste stammende Sohnschaft
zusammengehören. Das stellt eine Entwicklung von
Knecht zu Sohn in der Tauftheologie in Frage, aber auch
die These, der Lentzen-Deis aus seinen theologischen Voraussetzungen
zuneigt, im Sohnessymbol eine Wesensaussage
zu sehen. Es stellten sich also auf der Grundlage
des von ihm gewonnenen Ergebnisses alte Fragen neu.

C o r r i g c n d n ; 50: JesuB statt Jesu; 76 A 80: Johannes
statt Paulus: 83,4: Mt 11,14 statt 48: 108 A 44 F. Baumeärtcl
statt W. Bieder: 110: Bariich statt Bruch: 139 A. 171: Fohrer
statt Forher: 188: Jes. 42.1 statt 41,1; 189: Jes. 42,1 statt
62, 1; 252 A. 8: Aramaic statt Aramic; auf S. 66 wäre nachzutraben
: M. Weise, Kiiltzritcn und kultischer BundessehluB in
der Ordensrofrel vom Toten Meer 1961.

Eisennch Waller Ormidmann

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