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Ausgabe:

1972

Spalte:

700-702

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Dulles, Avery

Titel/Untertitel:

Was ist Offenbarung? 1972

Rezensent:

Schultze, Harald

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699

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 9

10 W. Eiert, Der Kampf um das Christentum. Geschichte der Beziehungen
zwischen dem evangelischen Christentum in Deutschland und
dem allgemeinen Denken seit Schleiermacher und Hegel. München
1921, S. 291.

11 Karl Barth, Die protestantische Theologie. Ihre Vorgeschichte und
ihre Geschichte, 1947, S. 570. - Aus den Urteilen des 19. Jahrhunderts,
die G. Frank nach der kritisch-negativen Seite zusammengestellt hat
(Geschichte der protest. Theologie Bd. 4, 1905, S. 506 ff.), prägt sich
wegen seiner Sachlichkeit ein O. Pfleiderer, Die Entwicklung der protestantischen
Theologie in Deutschland seit Kant und in Großbritannien
seit 1825, Freiburg i. Br. 1891, S. 174: „Die Frage drängt sich mir
doch unwillkürlich auf: könnte ein geistvoller Mann, wie es der Verfasser
der deutschen Literaturgeschichte zweifellos gewesen ist, auf
solche Ansichten gekommen sein, wenn nicht ein Korn Wahrheit in
denselben stecken würde? Vielleicht wäre es nicht zu kühn, in dem
Verfasser der .Theologie der Tatsachen' den unbewußten Propheten
dessen zu erblicken, was in der That die Aufgabe der Theologie in
Gegenwart und Zukunft ist: sich loszumachen von der Scholastik des
leeren Begriffsformalismus und Phraseologie der unbestimmten Gefühle
und dafür ihren Stützpunkt zu suchen in dem festen Boden der geschichtlichen
Thatsachen und ihren Zielpunkt in den wirklich wertvollen
sozialen Thaten. Der Fehler Vilmar's würde dann nur darin bestanden
haben, daß er, befangen in dem Rausch der verstandhassenden Romantik
, die wirklichen Thatsachen der Geschichte mit eingebildeten
Thatsachen der Sage und Dichtung und die wirklichen Thaten der sittlichen
Gemeinde mit den symbolischen Handlungen der kultischen Gemeinde
verwechselte — eine freilich recht sonderbare Verwechslung!"

12 Ein bemerkenswertes Zeugnis der Vilmar-Rezeption ist das .Handbuch
der Evangelischen Dogmatik für Studierende der Theologie', Gütersloh
1895, 246 Seiten, zusammengestellt von Chr. Israel. Das Kompendium
führt im Register der zitierten Schriftsteller M. Luther nicht
auf.

*3 Wenn an eine solche Gesamtausgabe heute kaum zu denken ist,
so sollte doch der Briefnachlaß veröffentlicht werden. Sowohl Asendorf
wie Gerhard Müller in seinem Jubiläumsvortrag „Die Bedeutung August
Vilmars für Theologie und Kirche" (Theol. ExhNF 158, 1969, 47 Seiten
) zitierten aus ungedruckten Briefen. Über den Verbleib des Nachlasses
vgl. G. Müller, a. a. O., S. 18 Anm. 46. — Über die Authentizität
der Vorlesungen vgl. W. Hopf Bd. II S. 277 f.

14 Vgl. dazu Hartmut Stratmann, Kein anderes Evangelium. Geist
und Geschichte der neuen Bekenntnisbewegung. Furche-Verlag, Hamburg
1970, 200 Seiten, wo freilich die geschichtlichen Wurzeln nicht aufgegraben
werden. Vilmar wird nur einmal, mehr zufällig genannt.

15 Vgl. den Artikel Renitenz von R. Schlunk in EKL III, 1958, 628 f.
und seinen Hinweis auf K. Barth, Kirchl. Dogmatik 1,2 (1938, S. 726).
- Die RGG 3. Aufl. hat das Stichwort Renitenz nicht. - Ferner Wilhelm
Wibbeling, Um die Freiheit des geistlichen Kirchenregiments, Die
Bedeutung der Jesberger Konferenz und des Allerunterthänigsten Memorandums
von 1849 in: Aus Theologie und Kirche, Beiträge kurhessischer
Pfarrer als Festgabe zum 60. Geburtstag von Prof. D. Hans
Freiherr von Soden (BEvTh Bd. 6) 1941 S. 107-148. Das Memorandum
ist dort vollständig abgedruckt S. 107—126. Es ist von Vilmar mit unterzeichnet
.

36 J. E. Jörg, Geschichte des Protestantismus in seiner neuesten
Entwicklung. Bd. I. Der Aufschwung seit 1848. Freiburg 1858, S. 26-35
und 379-389.

17 Asendorf zitiert S. 107 Anm. 32 Vilmar, Kirche und Welt (1872)
Bd. I, S. 230: „Autoritätslosigkeit ist der Anfang der Versuchung und
der Sünde gewesen: .Sollte Gott gesagt haben—?' und ,lhr werdet
sein wie Gott!'; der nächste Schritt also, um aus der Sünde herauszukommen
, ist, nächst dem wiedererlangten Bewußtsein der Schrecken,
die Wiedererlangung des Bewußtseins der Autorität. In der Anerkennung
einer Autorität aber liegt nicht so sehr das Begreifen einer eisernen
, in der Sache liegenden, in einem nackten Gesetz sich kundgebenden
Notwendigkeit, als das Anerkennen einer Person, welche
geistig überlegen und mit der Fähigkeit, Befugnis und Macht des Ordnens
und Gebietens ausgestattet ist, das Anerkennen nicht des Gesetzes
, sondern des Gesetzgebers und Gesetzvollziehers. Das Gesetz
als solches hat keine Autorität und keine Macht, und ,im Namen des
Gesetzes' etwas vollziehen, heißt nicht, die Funktion der Obrigkeit
ausüben, jedenfalls nicht der Obrigkeit, von welcher die apostolischen
Vorschriften reden." Asendorf meint: „Vilmars Amtslehre als das Herzstück
seiner Theologie ist erwachsen aus dem Wissen um die schöpferische
Rolle der Persönlichkeit und deren erhöhte Bedeutung in einem
Zeitalter des Verfalls" (S. 105).

i« Theologie der Tatsachen 18573, S. 100 f.

18 H. J. Iwand, Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Dieter Schellong
und K. G. Steck (Nachgel. Werke Bd. 2) München 1966 S. 164. - Ähnliche
Kritik schon bei Georg Merz, Vilmar und die Theologie der Gegenwart
(MPrTh 35, 1939, S. 75-69), jetzt in der von Fr. W. Kantzen-
bach hrsg. Sammlung Gg. Merz, Um Glauben und Leben nach Luthers
Lehre (Theol. Bücherei Bd. 15) München 1961, S. 210-225.

so So H. Stephan/M. Schmidt a. a. O., S. 176.

21 Darüber vql. Fr. W. Hopf, August Vilmars Lutherverständnis, Lu-
therjahrbuch 21, 1939, 72-109 ; 22, 1940, 107-145.

22 A. Anm. 19. a. a. O., S. 220. Hier wäre auch an Vilmars „Schlußerklärung
" zu erinnern, mit der er am 1. November die seit 1860 von
ihm herausgegebenen Pastoral-theologischen Blätter geendet hat: „Die
Pastoraltheologrschen Blätter werden hiermit geschloßen. Wollte ich
sie fortführen, so würde ich innerhalb derselben zu der sehr eingehenden
Erklärung genötigt werden, daß ich jede Verbindung mit denen,
welche sich für Christen, sogar für Hirten der Heerde Christi ausgeben
, aber in jüngster Zeit die schreiende Verletzung des Zweitafelgebotes
Gottes für unerheblich erklären, nicht allein aufhebe, sondern
für immer durchschneide. Mit einer solchen Erklärung kann man eine
Zeitschrift wie die vorliegende, schließen, wie ich hiermit thue, nicht
aber fortführen. Und hier, am Schluße, wird diese Erklärung sowohl
bei Denen, gegen welche sie gerichtet ist, als bei den dem Worte
Gottes Getreuen, auch ohne weiteres Erläuterung, hinreichendes Verständnis
finden ..." — Schade, daß Georg Merz, der sich kritischpolemisch
auf diesen Gesprächsabbruch bezieht, ihn nicht mit dem
.Abschied' in Zwischen den Zeiten verglichen hat (ZdZ 11, 1933, 536
bis 554), was ihm von allen damals Lebenden doch besonders nahe
liegen mußte.

23 Vgl. Asendorfs Urteil S. 125: „Sein Werk ließe sich auch so darstellen
, als sei die Kulturkritik seine größte Leistung überhaupt gewesen
, in der sich der Glanz der Darstellungsgabe mit dem Faszinosum
des echten Propheten verbindet."

M A. a. O., S. 495.

-'' S. o. Anm. 1. Das ganze Vorwort ist bemerkenswert: „Nur ein
Meister der Wissenschaft darf von der Überschätzung der Wissenschaft
sprechen. Vilmars Autorität auf den Gebieten der Literaturgeschichte,
der Germanistik und Theologie ist unbestritten. Um so schwerer wiegt
sein Zeugnis. Lange vor Nietzsche hat Vilmar seine Stimme erhoben
als Verkünder der Rechte des Lebendigen gegen totes Alexandriner-
tum, lange vor Spengler hat er in der Entwicklung der Zivilisation nicht
nur Fortschritt, sondern auch Zeichen absterbenden Lebens und hereinbrechender
Barbarei erkannt. Aber hier ist mehr als Nietzsche und
Spengler! Sind diese vor allem mächtig in der Kritik, aber unsicher
und fragwürdig im Positiven, so liegt die Stärke Vilmars, der vom
Felsengrund des christlichen Glaubens aus hineinschaut in den Fluß
der Dinge, selbst aber sich nicht hineinziehen läßt, in der männlichen
Kraft und Sicherheit seines evangelischen Zeugnisses, das in seinem
prophetischen Drange auch Widerstrebende mit fortreißt. In dem unsicheren
, auflösenden, zerfasernden, scheinhaften Wesen unserer Zeit
ist ein Mann wie Vilmar in seiner trutzigen Bestimmtheit und Glou-
benskraft ein wahres Labsal. Der Unsichere und Unklare findet bei
ihm Halt und Richtung, der Gläubige Stärkung." — Noch pompöser ist
der Text auf dem Titelblatt von Walter Schwarz, August Friedr. Christ-
Vilmar. Ein Leben für Volkstum, Schule und Kirche. Berlin, Furche Verlag
1938. 139 Seiten. Dort heißt es: „Es gilt heute, das Bild dieses
Mannes, der der bedeutendste Theologe nach Martin Luther genannt
worden ist, so nachzuzeichnen, daß der Reichtum, der der Kirche "n
ihren Propheten und Bischofsgestalten geschenkt worden ist, voll aufgezeigt
wird. Die evangelische Kirche ist nicht so arm an großen Männern
, wie weitverbreitete Unkenntnis es annimmt. August Vilmar ist
einer der wichtigsten unter ihnen."

26 pRE 20 (1908), 661, 40. - Zur Vilmar-Schülerschaft Haußleiters
(geb. 1851) vgl. RGG 2. Aufl. s. v. Joh. Haußleiter. - Zum ganzen
Problem der theologisch-kirchlichen Restauration im 19. Jahrhundert vgl-
neuerdings Tr. Rendtorff, Christentum zwischen Revolution und Restauration
, Claudius Verlag München 1970, 138 Seiten; bes. S. 82 ff. und
95 ff.

a7 Vgl. Protestantische Monatsblätter für innere Zeitgeschichte. Studien
der Gegenwart für die evang. Länder deutscher Zunge, hrsg. von
Heinrich Geizer. Gotha, Justus Perthes: 19, 1862, 90-126 Das Trauerspiel
in Kurhessen. Eine Gewissensfrage an die deutsche Nation und
ihre Fürsten; 20, 1862, 7-19; 110-150 Das Gericht der Thatsachen über
das zweite Ministerium Hassenpflug; 20, 1862, 281—312 Die publizistische
Tätigkeit Dr. Vilmar's; 21, 1863, 137-186 Zur Geschichte der kirchlich
-politischen Gewissensverwirrungen in Deutschland seit 1848. Eine
Charakteristik Dr. Vilmar's und seiner Presse; 23, 1864, 293—329 Rückblicke
auf die kirchlich-politischen Gewissensverwirrungen in Kurhessen
. Zur Charakteristik Vilmar's, seiner Presse und seiner Anhänger. ~"
Das Zitat hier S. 325 f.

Nachträglich verweise ich noch auf Gerhard Müller, August Vilmars
Padägogik (Praxis Ecclesiae, Kurt Fror zum 65. Geburtstag. München
1970 S. 86-105).

Dulles, Avery: Was ist Offenbarung? Übers, v. K. H. Man-
kel. Freiburg—Basel-Wien: Herder [1970]. 213 S. 8°.
Wo die Theologie von der Zuwendung Gottes zum Menschen
, von seiner Selbsterschließung reden will, wird sie von
Offenbarung sprechen. Offenbarung ist vornehmlich während
der letzten zwei Jahrhunderte zum Schlüsselbegriff
der theologischen Prinzipienlehre geworden. Je zentralere
und umfassendere Bedeutung der Offenbarungsbegriff aber
gewann, desto stärker mußte er in Abhängigkeit geraten von
dem je spezifischen Ansatz theologischer Konzeptionen und
Schulen. Was aber ist dann: Offenbarung? Was ist das Spezifische
dieses Begriffes? In welcher Beziehung steht er zu
den anderen Grundbegriffen der Ineologie?

Wer versucht darzustellen, was die Theologie bisher unter
Offenbarung hat verstehen wollen, unterzieht sich damit
einer außerordentlich schwierigen, kaum zu bewältigenden
Aufgabe. Dulles beschränkt sich auf eine theologiegeschichtliche
Übersicht; er legt ein Lehrbuch vor, das offenbar
für den Gebrauch des Theologiestudenten konzipiert
ist. Er bemüht sich um ein« Bestandsaufahme auf
breitester Basis. Um dieses Zieles willen vermeidet er eine
Fixierung der Fragestellung durch einen eigenen, profilierten
Offenbarungsbegriff, weil er sich bewußt ist, daß eine
solche Profilierung nur auf Kosten der Offenheit gegenüber
fremden Konzeptionen gewonnen werden könnte. Um
der Vielfalt der Entwürfe gerecht zu werden, bezieht er auch
die Relation von Offenbarung und Glauben, ja die Frage
nach dem Gottesverhältnis des Menschen in die Fragestellung
mit ein. So vermag er einen Überblick von großer
Weite zu geben, der beim biblischen OffenbarungsVerständnis
einsetzt und bis zum Vaticanum II, bis zu Schillebeeckx
und Moltmann führt. Dulles beschränkt sich allerdings auf
die Traditionen, die für das gegenwärtige westeuropäisch-
nordamerikanische Gespräch von Bedeutung sind. —
Theologie der östlichen Kirchen wird nicht erörtert. Aber
innerhalb des abgesteckten Bereiches kommen die prote-