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Ausgabe:

1972

Spalte:

612-614

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Goldammer, Kurt

Titel/Untertitel:

Kultsymbolik des Protestantismus. Tafelband. 1972

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8

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erstens ist es im Einzelfall schwer zu sagen, ob ein Dogma
oder nur eine authentische Lehre vorliegt, und zweitens
kann bei der Zustimmung zur authentischen Lehre leicht
zu viel oder zu wenig getan werden. Denn der Katholik ist
„weder berechtigt noch verpflichtet", „Art und Grad
seiner Zustimmung zu solchen Lehren in derselben Art zu
gestalten wie bei eigentlichen Dogmen, weil echt innere
Zustimmung und unwiderrufliche Glaubenszustimmung
eben nicht dasselbe sind" (20). Bei aller Würdigung des
Bestrebens, den Bereich der unwiderruflichen Glaubens-
zustimmung möglichst klein zu halten und so die Gewissen
zu entlasten, müssen wir doch fragen, ob hier nicht der
Glaube des Christen dem Spruch (fehlbarer) Menschen
unterworfen wird, anstatt sicli unmittelbar auf Gottes
Wort zu gründen. Gewiß, wir hören sofort den Gegeneinwand
: Subjektivismus! Aber ist die Subjektivität des
Bischofs oder des Papstes weniger gefährlich als die des
einzelnen Christen, der sich von den Brüdern bei Gottes
Wort behaften lassen muß? - Hans Urs von Balthasar
beschließt seinen Aufsatz über „Die Messe, ein Opfer der
Kirche?" mit den Sätzen : „Petrus ist in Maria, und Maria
ist, als die Allergehorsamste, unter Petrus, wie sie unter
allem ist, was vom Sohn verfügt wird. Das Männliche und
Weibliche in der Kirche ist gemeinsam-weiblich unter
dem Männlichen Christi, aber Christi Lenksamkeit
gegenüber dem Vater durch den Heiligen Geist ist nochmals
(über-) weiblich. ,Alles aber kommt von Gott' fl Kor
11,12]" (S.220). Streifen nicht solche Spekulationen über
Männlich und Weiblich so nahe an Gnosis, daß man sich
von da her gewarnt sein lassen sollte? Auch die These,
„das Dogma von der unbefleckten Empfängnis (sei) ein
striktes Postulat der Ekklesiologie", erweckt wie alle
Postulatentheologie Bedenken (S. 218). H. Urs von Balthasar
argumentiert: das vollkommene Jawort der Ekklesia,
das vollkommen liebende Einverstandensein mit dem
Opfer des Bräutigams muß es irgendwo in der Realität
geben. „Wie aber sollte ein Sünder fähig sein, diese Rolle,
die die makellose Liebe verlangt, zu spielen? Die Gesinnung
, die er darstellen sollte, müßte immer hoch über
ihm schweben, als ein unverwirklichtes Ideal, so daß die
Kirche die ihr im Opfer Christi zugedachte Rolle nirgendwo
erwartungsgemäß zu spielen vermöchte" (a.a.O.).
Aber bleibt nicht die Kirche unter der fünften Vaterunser
-Bitte? Das Postulat einer über die fünfte Bitte erhabenen
Sündlosigkeit verstärkt die Zweifel an seiner
Voraussetzung, nämlich daran, daß der Kirche im Opfer
Christi die Rolle der Mitopfernden zugedacht ist. - M.Kaiser
analysiert „Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils
über die Kirchengliedschaft" und kommt zu dem Ergebnis
: „Auch außerhalb der Kirche Stehende sind auf
die Kirche hingeordnet. Diese Hinordnung besteht in der
Annahme von Heilsgütern, die der Kirche eigen sind.
Durch die Annahme solcher Heilsgüter kann auch außerhalb
der Kirche das Heil erlangt werden" (S.233). Ein
Versuch, diese Aussage mit dem Satz: Extra Ecclesiam
nulla salus auszugleichen, wird nicht gemacht! - L.M.
Weber, Muß sich auch das Priesterbild wandeln?, stößt
weit vor mit seiner Frage: „Ist nicht der zum Presbyter
berufen, der das gemeinsame Priestertum aller Getauften
zu verwirklichen weiß?" (S.353). - A.Bernhard setzt sich
für eine weitere Lockerung der Zölibatsforderung ein:
„Zu wünschen wäre, daß statt der Diakonatsweihe in absehbarer
Zeit auch die Priesterweihe verheirateten, in
Beruf und Ehe bewährten Männern erteilt werden
könnte" (S.380). Auch „sollten Priester, die aus dem Amt
ausgeschieden sind und geheiratet haben, wenn sie die
nötigen menschlichen Voraussetzungen besitzen und sich
über Jahre in Beruf und Ehe bewährt haben, wieder zum
Amt zugelassen werden können" (S.381).

Halle/Saale Erdmann Schott

Goldammer, Kurt: Kultsymbolik des Protestantismus. Tafelband
. Stuttgart: Hiersemann 1967. 143 S. m. 107 Abb. gr.
8° = Symbolik der Religionen, hrsg. v. F. Herrmann, XV.
Tafelband zu Bd. VII d. Textwerkes.

Bereits 1962 hatte Wolfgang Schanze in der ThLZ 87,
222 -224, den zu diesem Tafelband gehörenden Textband
besprochen, zusammen mit dem in der gleichen Reihe erschienenen
Werk von J.A. Jungmann, Symbolik der katholischen
Kirche. Den von E. Sauser zusammengestellten
Tafelband zur katholischen Symbolik findet man in der
ThLZ 92, 1967, 606f., angezeigt; mit ziemlicher Verspätung
wird nun liier auf den entsprechenden protestantischen
Tafelband hingewiesen, der bereits 191)7 erschien.

Den Bildtafeln ist nicht nur ein Vorwort vorangestellt,
in dem G. ein nachdrückliches Bekenntnis zu Friedrich
Heiler ablegt; G. unternimmt in einer „Einleitung" (lObiS
18) auch den Versuch, noch einmal grundsätzlich zur
Kultproblematik des Protestantismus Stellung zu nehmen
. Er tut dies mit der Unbefangenheit des Religionswissenschaftlers
, der auf Grund der von ihm untersuchten
Phänomene konstatieren muß, „daß keine Religion
ohne Kultus, und daß der Kultus das Zentrum oder zumindest
der eine und hauptsächliche Brennpunkt des
Lebens einer höheren Religion ist, und daß dieses kultische
Element der Versinnlichung in Materie und handelnder
Betätigung bedarf" (10). Diesen Grundsalz will
G. uneingeschränkt auch auf den Protestantismus angewendet
wissen; er weist darauf hin, „wie stark das
Liturgisch-Kultische, besonders auch das Sakramentale
und seine symbolischen Darstellungsformen, Lebensinitte
und Aussage des Selbstverständnisses der evangelischen
Christenheit sind" (Kl).

Die Kultgeschichte des Protestantismus gliedert G. i"
vier Abschnitte; für die Anfänge der Reformationskirchen
stellt er einen großen „Reichtum des kultischen Lebens"
und eine starke „Traditionsverhaftung der Kultsymbolik"
fest (11). Wirklich neu ist in dieser ersten Epoche nach
Meinung des Vf.s aber die Entwicklung einer biblizistisch
orientierten, vor allem am Alten Testament ausgerichteten
Kultsymbolik in der darstellenden Kunst; an die
Stelle der Heiligenviten und -gestalten tritt - als Mittel
der Begründung und Veranschaulichung des Kultus -
typologisch interpretiertes Material aus dem Alten Testament
.

Die Aufklärung sieht G. als eine Epoche der „Rückbildung
, Verarmung, Verfluchung, rationalen Glättung
und Uniformierung", angeregt und gefördert durch die
„reformierte Aversion gegen das kultische und religiöse
Bild" überhaupt (13). Hier - und nicht schon im 16. Jahrhundert
! - vollzieht sich auch erst der entscheidende
Bruch im Kultverständnis der Reformationskirchen, oder,
wie der Vf. es ausdrückt, „die große Komplizieruiig i«1
Verhältnis des neueren Protestantismus zum Kultus und
zu seiner Symbolik" (14). Bis in die Konzeptionen des
Kirchenbaus hinein (Emporen, Logen) manifestiert sich
ein neu aufgebrochener Dualismus zwischen Kultfrömmigkeit
und individueller Frömmigkeit (14).

Kennzeichnend für das 19. Jahrhundert sind nach Meinung
des Vf.s die restaurativen Bestrebungen in Kunst,
fürenenbau und Kultus: Abwendung von Barock und
Klassizismus, Hinwendung zu Renaissance, Mittelalter
und christlicher Antike; die Unterschiede zwischen der
lutherischen und reformierten Ausprägung des Protestantismus
werden eingeebnet; ein „symbolisches Kult-
verständnis" bricht sich erneut Bahn (15). Diese „Tendenz
zur Neubelebung und Ausgestaltung der Kultsymbolik
" (17) setzt sich, angeregt und bereichert durch
Jugendstil, Impressionismus und Expressionismus, in»
20. Jh. verstärkt fort; G. muß jedoch feststellen, daß die
„symbol-schöpferische Kraft des 20. Jh.s nach der inhalt-