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Ausgabe:

1972

Spalte:

268-270

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fitzmyer, Joseph A.

Titel/Untertitel:

The Genesis apocryphon of Qumran cave I 1972

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

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tologische oder eine sonstige in der Anwendung auf politische
Fragen der Gegenwart zumindest problematische
Interpretation erfahren haben, die einer nüchternen Sicht
der Vorgänge in Palästina nicht eben förderlich ist. Um
eine illusionslose Klärung der Sachlage geht es aber
gerade O, und deshalb verdient sein Buch Aufmerksamkeit
.

Der Vf. ist in Jerusalem geboren und von Beruf Jurist.
Als Rechtsanwalt hat er in Palästina und Syrien praktiziert
. Außerdem wirkte er zwischen 1932 und 1942 als
Professor für Rechtswissenschaften in Jerusalem. Nach
1946 hat er die Interessen der Palästina-Araber in verschiedener
Funktion bei den Vereinten Nationen vertreten
. Diesen biographischen Daten entspricht das Anliegen
seines Buches. Im Vordergrund steht "the search
for justice".

Im ersten Teil seines Werkes ("The Origin of the Arab-
Israeli Conflict", S.3-56) bietet der Vf. einen knappen geschichtlichen
Uberblick der Jahre 1922 bis 1948, an den
sieh unter dem Titel "Two Decades of Tension" (S.57 bis
90) eine Darstellung der Ereignisse zwischen 1948 und
1967 sowie weiterhin eine Schilderung der Ursachen und
Hintergründe des "Israeli-Arab War" von 1967 (S.91
bis 134) anschließen. Ausführlich behandelt werden
schließlich die Möglichkeiten einer Lösung des Palästina-
Konflikts ("In Search of Solution", S. 135-204). Besonders
zu begrüßen ist es, daß der Vf. in einem umfangreichen
Anhang die wichtigsten Dokumente zur Palästina-
Frage abdruckt und kritisch erörtert.

Ihren Ausgangspunkt nimmt C.'s Untersuchung in der
Situation im alten Türkischen Reich, die er ja in seiner
Jugendzeit selbst noch kennengelernt hat. Er fragt nach
den Gründen, warum sich das friedliche Nebeneinander
von Arabern, Juden und anderen Bevölkerungselementen
in Palästina nach dem ersten Weltkrieg in ein feindliches
Gegeneinander wandelte. Die Verantwortung für diese
verhängnisvolle Entwicklung trägt nach des Vf.s Auffassung
in erster Linie die britische Regierung. Zunächst
wurden während des ersten Weltkrieges den Arabern aus
militärischen Gründen weitgehende Versprechungen im
Hinblick auf ein von der Türkei unabhängiges arabisches
Großreich gemacht. Aus ähnlichen militärpolitischen Erwägungen
folgte im November 1917 die 'Balfour-De-
claration', die den Interessen zionistischer Kreise weithin
entgegenkam. Allerdings waren die Zusagen der 'Bal-
four-Declaration' so ,elastisch' formuliert1, daß man während
des letzten Kriegsjahres in der antitürkischen Propaganda
den Arabern glaubhaft machen konnte, die
Gründung unabhängiger, des .türkischen Joches' lediger
und von den Einwohnern selbst verwalteter Staaten sei
das Kriegsziel der Entente im Nahen Osten2. Tatsächlich
kam es aber nur zu einem Wechsel in der Oberherrschaft,
indem die Mandatsmächte an die Stelle des besiegten
Türkischen Reiches traten und nur geringe Anstalten
machten, den in Artikel 22 § 4 des Versailler Vertrages
enthaltenen Bestimmungen über die Pflicht der Mandatare
zur baldigen Herbeiführung der staatsrechtlichen
Verselbständigung der ihnen anvertrauten Gebiete nachzukommen
.

Die Verschärfung der Lage in Palästina seit 1947 geht
dann allerdings nicht zu Lasten der britischen Regierung.
Hierfür tragen die Vereinten Nationen die Verantwortung,
die am 29. November 1947 die Teilung Palästinas in einen
arabischen und einen jüdischen Staat (jeweils aus drei getrennten
Teilgebieten bestehend) sowie die Neutralisierung
der Stadt Jerusalem nebst Umgebung beschlossen
. Der Vf. bemüht sich in einem Exkurs (S.260-66) um
den Nachweis, das die Vereinten Nationen keinerlei rechtliche
Grundlage für die Durchsetzung einer solchen Teilung
hatten, ganz abgesehen davon, daß die erforderliche
Zweidrittelmehrheit in der Generalversammlung nur

durch den Druck der USA auf einige von ihnen abhängige
Staaten, die eigentlich gegen den Teilungsplan
stimmen wollten, erreicht wurde (S.26f.). Jedenfalls
haben nun die Vereinten Nationen die Aufgabe, für eine
politische Lösung der Palästina-Frage zu sorgen. Ausführlich
erörtert C. die Möglichkeiten, wie das im einzelnen
geschehen kann. Bestimmend für seine Argumentation
ist die Auffassung, daß sämtliche rechtlichen Entscheidungen
in der Palästina-Frage seit 1917, die einer kritischen
Überprüfung an internationalen Rechtsnormen
nicht standhalten, wieder rückgängig gemacht werden
müssen (S. 186ff.).

Insgesamt ist C.'s Buch ein klug aufgebautes und rhetorisch
geschicktes Plädoyer für die Rechte der arabischen
Bewohner Palästinas. Freilich liegen in der auf die
juristischen Aspekte zugeschnittenen Anlage des Buches
auch seine Grenzen. Die Geschichte Palästinas in den
letzten 45 Jahren erscheint bei C. in der Hauptsache bestimmt
durch eine lange Reihe von Verstößen gegen
internationales Recht. Die entscheidenden Ursachen dafür
bleiben diskret im Hintergrund. Der aufmerksame
Leser wird z.B. fragen, warum denn eigentlich die britische
Regierung die so undankbare Aufgabe des Mandats
über Palästina und andere Provinzen des alten türkischen
Reiches übernommen hat. Von den realen eigenen ökonomischen
und strategischen Interessen der alten europäischen
Kolonialmächte und der USA am türkischen
Erbe ist nur beiläufig die Rede, obgleich diese Interessen
die Geschichte des vorderasiatischen und nordafrikanischen
Raumes seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts
ganz wesentlich geprägt haben3.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

1 Die Erklärung sah vor, "the establishment in Palestina of
a national home for the Jewish people", setzte aber einschränkend
hinzu: "... it being clearly understood that nothing shall
be done which may prejudice the civil and religious rights of
existing non-Jewish communities in Palestine".

2 Die britische Regierung hat diese Auffassung auch später
noch öfters bestätigt, insbesondere in den Festlegungen von
1922 (Command Paper 1700), 1930 (C.P. 3692) und 1939 (C.P-
6019). In der zuletzt genannten Erklärung heißt es u.a. ausdrücklich
: "... His Majesty's Government believe that the fra-
mers of the Mandate in which the Balfour Declaration was em-
bodied could not have intended that Palestine should be con-
verted into a Jewish State against the will of the Arab popu-
lation of the country" (S. 257ff.). Der Artikel 95 des Vertrags
von Sevres vom 10.8.1920 sah allerdings die Errichtung einer
.nationalen Heimat' für das Jüdische Volk' in Palästina vor. Da
die türkische Regierung nicht bereit war, diesen Vertrag zu
unterzeichnen, erlangte erst der Vertrag von Lausanne (24.7.
1923) Rechtskraft, dessen Art. 16 im Hinblick auf die Zukunft
der ehemals türkischen Gebiete nur eine sehr allgemeine
Formulierung bot (S.247).

8 Die Auseinandersetzung der Kolonialmächte um die arabischen
Provinzen der Türkei beginnt nicht erst mit den)
ersten Weltkrieg, sondern schon mit dem Feldzug Napoleons in
Ägypten und Syrien/Palästina im Jahre 1798 und den Gegenmaßnahmen
Englands im Jahre 1801. Auch die damals noch
jungen Vereinigten Staaten von Amerika meldeten sich bereits
durch Flottendemonstrationen, die mit dem Durchbruch der
.Gsorge Washington' durch die Dardanellen im Jahre 1800
eröffnet wurden.

Fitzmyer, Joseph A., S.J.: The Genesis Apocryphon of Quin-
ran Cave I. Ä Commentary. Rom: Pontifical Biblical Institute
1966. XVI, 232 S. gr. 8° = Biblica et Orientalia (Sacra
Scriptura Antiquitatibus Orientalibus Illustrata), 18. Lire
3.000,—.

Längst machen die Handschriftenfunde aus der Wüste
Juda keine Schlagzeilen mehr; an die Stelle sensationeller