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Ausgabe:

1972

Spalte:

204-206

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lyonnet, Stanislas

Titel/Untertitel:

Sin, redemption and sacrifice 1972

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 3

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genwärtigen Stand der Editionsarbeiten der Texte von Qum-
ran aramäisch erhaltene Fragmente aus Höhle 4. Der Apparat
verzeichnet vor allem die wichtigeren Abweichungen vom
Manuskript, im gegebenen Rahmen Varianten der Ausgaben
(bzw. zum letzten Teil: der einzigen Edition'1), gibt Hinweise
auf neuere Literatur usw. Im ganzen ist Black weniger
konjunkturfreudig als seine Vorgänger und läßt des
öfteren auch einen schwierigeren Text stehen; mehrfach
wird dabei das Verständnis durch das Setzen einer anderen
Interpunktion erleichtert.

Zum letzten Teil ist nicht immer o .w. zu erkennen, ob in
[ ] ein am Rand des Papyrus abgebrochenes Stück ergänzt
wurde oder eine vermutete Lücke im äußerlich unversehrten
Bestand. — Zu 5,5 konjiziert Dillmann tcai tä h>j rijs C<oi]s
(statt des überlieferten xaza rt/g Zwrjg). In 18,12 lies rjv, nicht
fj. In 103,4 lies %ag>/oovzat.

In der Einleitung skizziert Black den Inhalt von 1. Hen.,
erörtert das Verhältnis zu den schon erwähnten aramäischen
Fragmenten und die Grundlagen der neuen Edition. Außerdem
werden Texte der altkirchlichen Literatur und der Test.
XII wiedergegeben, die 1. Hen zitieren oder darauf anspielen
; daß nicht alle Bezugnahmen auf eine Henochschrift zu
verifizieren sind, scheint mir die Frage zu erlauben, ob damit
etwa z. T. andere Henochliteratur gemeint sein kann
(oder auch mündliche Tradition). Übrigens dürfte m. E. die
weitgehende Berührung des griechischen Textes von 1. Hen
1,4 mit Jud 14f dafür sprechen, daß die griechische Übersetzung
des ersten Teils von 1. Hen vor Abfassung des
Jud. anzusetzen ist.

Ein besonderes Verdienst hat sich Pater Denis durch die
Darbietung einer fundierten Handausgabe der weit verstreuten
und z. T. kaum beachteten griechischen Fragmente
der jüdischen Pseudepigraphen erworben. Wir müssen wenigstens
die Schriften anführen, von denen etwas umfänglichere
Stücke enthalten sind: ass Mos, Jub, mart, Jes, or
Manass, 2 (syr) Bar (Apokal), apoer Ezech, 4. Esr, (Apo-
kal). Texte anderer Art sind die in vit. Aesop 101—123 erhaltenen
Achikarpassagen*, das Lehrgedicht des Pseudo-
Phokylides, die Heraklitbriefe 4 und 7. Damit ist die Grenze
der Pseudepigrapha Veteris Testamenti schon überschritten.
In drei weiteren Abschnitten fügen sich an die Verse, die
durch das hellenistische Judentum nicht weniger als 13
heidnischen Autoren (meist Dichtern) in den Mund gelegt
worden sind, die Überreste der Werke jüdischer Geschichtsschreiber
(hauptsächlich Demetrios, Eupolemos, Artapanos)
und die weiterer jüdischer Autoren, von denen die bedeutendsten
Echziel, der Verfasser eines Mosedramas, und Ari-
stobulos sind"'. In einem kurzen Schlußabschnitt sind frag-
menta anonyma zusammengestellt, die jüdischen Ursprungs
sein dürften6.

Die Anordnung der Texte entspricht damit der Disposition
in A.-M. Denis, Introduction aux pseudegraphes grecs
d'Ancien Testament, 1970, Kap. XV—XXXIII. Die Edition ist
ohne die Introduction benutzbar; die nötigen Angaben über
die verwendeten Vorlagen usw. sind in der Edition zu jedem
Stück gemacht (außer der benutzten werden auch frühere
, i. a. leicht zugängliche Editionen genannt). Über die
Fragen zur Abfassung oder zur literarischen Eigenart der
betreffenden Schriften und anderem gibt allerdings erst die
Introduction genauere Auskunft; so z. B. auch über die Hss.,
die jeweils im Apparat der Edition verwendet sind. Die Einleitung
der Edition (S. 51-58) kann sich deshalb im ganzen
auf Formalia beschränken, Bemerkungen über die Grundsätze
der Auswahl der Fragmente, übersichtliche Listen der
Autoren bzw. Schriften, die die Fragmente enthalten, zu den
ersten mit Angaben über ihre in Frage kommenden Werke,
und kurze Hinweise zur Anordnung im einzelnen.

Die Edition als solche7 ist vortrefflich arrangiert. Um das
Verständnis des Fragments zu erleichtern, wird eine knappe
Inhaltsangabe des Kontextes vorangestellt und, soweit angebracht
und möglich, der Rahmentext mit abgedruckt. Der

Text des Fragments selbst (dessen Abgrenzung freilich dort
nicht immer ganz sicher zu vollziehen sein dürfte, wo er
im Rahmen antiker bzw. byzantinischer Schriftsteller aufbewahrt
wurde) ist in halbfetter Type (in lateinisch erhaltenen
oder ins Englische übersetzten Paralleltexten in Kursiv
) gesetzt, der Rahmentext des Tradenten in normaler
Type, dazu in einer kleineren sachlich zugehörige Texte
(aus Kirchenschriftstellern, Pseudographen, Altem Testament
usw.), insbesondere antike Bezugnahmen auf den betreffenden
Text, Material, das auch für die Interpretation
hilfreich sein dürfte. Am linken Rand des Textes sind u. a.
die Zeilen der benutzen Edition angegeben (soweit dort vorhanden
), am rechten Rand eine eigene Zählung der Zeilen,
auf die im Apparat Bezug genommen wird. Der textkritische
Apparat trifft in der Fragmentensammlung naturgemäß (s.u.)
eine Auswahl aus dem in den Vorlagen gegebenen (S. 58).

Register der Bibelstellen, der antiken und mittelalterlichen
Texte und der modernen Autoren fördern die Benutzung
des Bandes. Das zweite dieser Register deutet ein klein
wenig an, welche Fülle von Texten verschiedenster Art und
Herkunft insgesamt vom Herausgeber verarbeitet worden
ist; aber erst die genauere Einsicht in Text und Apparat
und Vergleiche mit den zugrunde liegenden Editionen geben
eine Vorstellung davon, welchen Aufwand an Mühe
die gründliche Aufbereitung der Fragmente gekostet hat,
die nun so bequem und übersichtlich dem Benutzer an die
Hand gegeben sind.

Halle/Saale Gerhard Delling

' Vgl. zu I J. Leipoldt, Tri LZ 90, 1965, 754, zu II G. Bertram, ebd.
94, 1969. 501f.

- Es handelt sich je um ein Ms.; zum ersten Teil liegt ein Duplikat
für 19,3-21,9 vor, zu Georgius Syncellus s. u.

:f C. Bonner in Studies and Documents 8, 1937, mit Transkription.

1 In der Übersetzung bei R. H. Charles, Apocrypha and Pseudepigrapha
II, 1913, ist dieser Text nicht berücksichtigt.

■r» Zu diesem s. Nikolaus Walter, Der Thoraausleger Aristobulos,
TU 86, 1964.

0 Aufnahmewürdig wären wohl noch die jüdischen Einschöbe in den
Alexanderroman des Ps.-Kallisthenes gewesen, an die N. Walter erinnert
(s. Fr. Pfister, Eine jüdische Gründungsgeschichte Alexandrias,
Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. phil.-hist. Kl. 1914, H. 11).

7 Die speziellere editorische Neubearbeitungen der einzelnen Textgruppen
wird dadurch nicht überflüssig gemacht.

KIRCHENGESCHICHTE:
ALLGEMEINES

Lyonnet, Stanislas, u. Lepold Sabourin: Sin, Redemption
and Sacrifice. A Biblical and Patristic Study. Rome: Bi-
blical Institute Press 1970. XVI, 351 S. gr. 8° = Analecta
Biblica, 48. Lire 3900—

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die von
Leopold Sabourin auf der Grundlage einer Übersetzung von
Fidelis Buck besorgte und überarbeitete englische Ausgabe
des Buches „De Peccato et Rcdcmptione" von Stanislas Lyonnet
, die durch eigene Beiträge (Teil III und IV dieser Arbeit)
des Herausgebers erweitert wurde.

Wie der Untertitel andeutet, will die katholische Studie
im Sinne biblischer Theologie interpretiert werden, über
deren Verständnis in einer kurzen Einführung Aufschluß
gegeben wird. Biblische Theologie sei ihrem Wesen und ihrer
Aufgabe nach kein Bestandteil dogmatischer Theologie
und daher auch nicht darauf angelegt, eine bestimmte Doktrin
anhand der textlichen Befunde zu erhärten. Sie setze
vielmehr beim biblischen Text ein, gehe aber über die exegetische
Arbeit hinaus, indem sie die in der Schrift enthaltenen
verschiedenen Elemente koordiniere und sinnvoll zusammenfüge
(.....it differs from exegesis by an effort at

synthesis ...", p. XIV).

Vom protestantischen Schriftverständnis will sich das Buch
von vornherein abgrenzen: „It is certain, tliat not all dog-
matic theology can be reduced to biblical theology as, for