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Ausgabe:

1971

Spalte:

782-783

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Prest, A. P. L.

Titel/Untertitel:

Die Sprache der Sterbenden 1971

Rezensent:

Rensch, Adelheid

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 10

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Rüdersdorf b. Berlin Friedrich Winter

eine Beurteilung bezieht der Vf. zum größten Teil aus der einandersetzung mit den Kritikern und klare methodische

evangelischen Homiletik der letzten Generation. Überlegungen sind nicht zu übersehen. So kann R. Bultmann

Ein Überblick über „Das Predigtmaterial" (1. Teil, S. 13 bis „Zum Geleit" sagen: „Die Arbeit... stellt die Intention mei-

24) zeigt bereits die subtile Arbeitsweise: Fünfundzwanzig ner Predigten verständnisvoll dar. Ich darf sie als einen wert-

Predigten werden zusammengetragen. — Ein 2. Teil, der sehr vollen Beitrag zum ökumenischen Gespräch beurteilen. Denn

lang ausgefallen ist, nimmt eine Strukturanalyse der Predig- sie zeigt, daß zwischen protestantischen und katholischen

ten vor (S. 25—128). Iiier interessiert den Vf. die Textbin- Theologen eine weitgehende Gemeinsamkeit besteht" (S. 9).

dung (allgemeine Schriftbindung, Textwahl, Auswirkung der Nach dieser Arbeit ist es nun wirklich nicht mehr möglich,

Texte in den einzelnen Predigten) und die Verarbeitung an- R. Bultmann unevangelischer Theologie zu zeihen; im Ge-

derer Stoffe aus der Welt der Bibel, des EKG, der Dichter genteil: seine theologische „Orthodoxie" und die Bindung an

und Denker. Knappe Beobachtungen werden zur Partition konventionelle Kirchlichkeit hat der Vf. anhand der Predig-

der Predigten angestellt. — In einem weiteren Teil (S. 129 bis ten in ganz starkem Maße herausgearbeitet, so daß man fast

190) wird „Die Theologie der Predigten" behandelt: Die Re- fragen möchte, wo der aufregende und im guten Sinne „libe-

de von Gott, von Jesus Christus und von der Kirche wirdana- rale" Theologe und Verfasser der Marburger Predigten ge-

tysiert. Dabei beachtet Vf., wie die religionsgeschichtlichen blieben ist.
Auseinandersetzungen der Bibel und ihrer einzelnen Autoren
die theologischen Aussagen der Predigten prägen. — Der 4.
Teil (S. 191—238) untersucht nicht nur anhand der Predigten
, sondern auch mit Hilfe theologischer Äußerungen das
prinzipielle Verhältnis von Verkündigung und Theologie.Dabei
wird deutlich, wie Predigt und theologisches Gesamtwerk

R. Bultmanns in exegetischer und systematischer Beziehung p A p L . uie Sprache der Sterbenden, übers, v. R.

eine Einheit darstellen. - Endlich wird die „Aktualität der Keintzel. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1970].

Predigten" (S. 239-261) erläutert. Alles in allem seien sie der m g go = Handbibliothek für Beratung und Seelsorge,

„Gipfel" der Theologie Ii. Bull manns. h v j Scharfenberg u. G. Groeger, 7. Kart. DM 10,80.

Iis isl auf einige .Nachteile m der Art der Darstellung hinzuweisen
. Manche ungewandte Formulierung ist daraus zu Im Rahmen der „Handbibliothek für Beratung und Seel-
erklftren, daß Vf. die deutsche Sprache nicht als Mutterspra- sorge" ist die Schrift Prests eine wertvolle Ergänzung, denn
che spricht, z. Ii. „exegetisieren" (S. 103). Viele Zitate werden sie ist das Ergebnis reicher seelsorgcrlicher Erfahrungen, die
zwar nicht sinnentstellt, aber ungenau wiedergegeben. Auch der Autor während seiner 15jährigen Tätigkeit als Kranken-
enthäll das Buch viele Druckfehler. Die oft breit und ge- hausseclsorger an einer medizinischen Forschungsstelle der
fflächhch dahinfließende Darstellung führt durch die Art der Vereinigten Staaten machen konnte. Er geht von der Erfah-
Disposition zu einer ganzen Reihe von Wiederholungen;vgl. rung aus, daß das Sterben kein nur zu erleidender Vorgang,
z- Ii. die wörtlichen Anklänge zwischen S. 42 und 170, sondern eine „aktive Haltung des ganzen Menschen" (94) ist,
S- 73 und 173; S. 74f. und 172. Kürzungen und mehr Quer- die eine je einmalige persönliche Sicht des eigenen Todes ein-
verweise wären erwünscht gewesen. I)ie öfter gebotenen Zu- schließt. Die persönlichen Gefühle und Einstellungen der
Sarnmenfassungenwerden nicht slringent durchgehalten. Klei- Sterbenden haben uns etwas zu geben, sie lehren uns, die Ster-
"«' Korrekturen: Statt „Adventsandachten" muß es heißen: benden besser zu verstehen. Darum ist das Ziel der Untersu-
Weihnachtsandachten (S. 23). Die ökumenische liturgische ebung eine systematische Übersicht der verschiedenen Reak-
Institution des Kirchenjahres ist von der lutherischen Kirche tionsweisen einzelner Persönlichkeiten beim Bedenken des
nur zum Teil aus der mittelalterlichen Kirche übernommen eigenen Todes. Vier typische Todeserfahrungen heben sich
Worden (S. 26). Der Begriff „Homiletik" ist falsch verwendet heraus: „Der Tod als Entfremdung", „als Nichtexistenz",
(S. 243f.). Zur Zeil der Entstehung der Predigten spielte das „als Erfüllung" und als „Ambivalenz". „Die gefühlsmäßige
Fernsehen noch keine große oder gar keine Rolle (S. 246). Das Einstellung zum Tode" mit der Grunderfahrung der Ent-
EKG, Württemberger Ausgabe, kann nicht für die Beziehung fremdung — von sich selbst, von den Mitmenschen und von
der Predigten zum Gesangbuch herangezogen werden (S. Gott — variiert in den Erlebnissen der Strafe, Einsamkeit,
265). Angst, Schuld und Furcht. Zur Veranschaulichung werden

Wichtigste Fragen im Blick auf die Beurteilung der Pre- Beispiele aus dem Neuen und Alten Testament, insbesondere
«igten sind die, ob Vf. seine homiletischen Kriterien stets dem Psalter, herangezogen und entsprechenden Beispielen aus
Sachgerecht und geschmeidig genug zur Bewertung heran- der Krankenhauspraxis gegenübergestellt. In der gleichen
z'eht. Z. B. kann man U. Bultmanns verschiedene Einstel- Weise verfährt der Vf. bei der Darstellung der übrigen Haltung
zum Krieg kaum harmonierend aus seinem unterschied- tungen, zunächst der „existentiellen Einstellung zum Tode",
liehen Lebensalter erklären (S. 251). - Hai der Schöpfung«* In ihr wird der Tod nicht unter eschatologischen Aspekten erlaube
bei Bultmann ein so großes Gewicht, wie es nach Vf.s lebt, sondern als Tatsache einfach hingenommen oder als EinMeinung
der Fall zu sein scheint? - Darf man die Predigten gang in das Nichts verstanden. Positive Wertungen sind im
R; Bult manns als „Gipfel" seiner Theologie bezeichnen? Ge- 3. Abschnitt über „Die Sinngebung des Todes" aufgezeigt.
wiß sehen auch wir in ihnen zum Teil eine Frucht seiner theo- Der Tod ist „Erfüllung" einer Hoffnung, „die Möglichkeit,
logischen Arbeit. Dennoch weht durch die Predigten auch so hinüberzugehen zu den Freuden und dem Frieden einer neu-
Vl«l an individueller und homiletischer Eigenart, daß manden cn... Existenzform" (60). Der Tod wird auch als „Erlösung"
Faktor theologischer Homogenität des Predigers nicht zuein- von qualvollen Leiden oder „als Erwartung" der Wiederver-
■jfcig betonen darf. Wie weit R. Bultmann etwa durch die einigung mit geliebten Menschen erlebt oder schließlich in ver-
Homiletik der Jahrhundertwende geprägt ist, wird durch den söhnter Haltung „als Frieden" angenommen. Die Darstellung
Vf- nicht weiter ergründet. Statt dessen arbeitet er mit homi- „Ambivalcnte(r) Haltungen dem Tode gegenüber", in denen
^tischen Kriterien jüngerer Zeitgenosten Ii. Bultmanns (z.B. bewußte und unbewußte Haltung sich oft widersprechen, be-
™. Trillhaas, W. Uhsadel). - IT.-J. Kraus und R. Bohren schließt den vorwiegend beschreibenden 1. Teil des Buches.
Werden als homiletische Kritiker nicht beachtet. Im 2. Hauptteil: „Einige Kapitel über die Haltung demTode

Alles in allem hinterläßt die Arbeit dennoch einen positi- gegenüber" wird die „gemeinschaftliche Dimension des To-

Ven Eindruck. Endlich ist eine Lücke der Forschung ge- des" stärker berücksichtigt, so in den Ausführungen über

Sc,ilossen (vgl.den Hinweis in ThLZ 19(17, 9, Sp. 710). Die der „Das Sterben als eine Erfahrung der Gemeinschaft" und über

'hermeneutischen Schule' vorgeworfenen Predigtschwächen die „Verhaltensweisen der Trauernden". Besonders hervor-

«Hd bei R. Bultmann weniger ausgeprägt. Des Vf.s warme gehoben seien die Kapitel „Eine Theologie des Sterbens" und

Un-d vornehme Art der Darlegungen, die differenzierte Aus- „Hilfen für die Seelsorge an Sterbenden". Die knapp umris-