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Ausgabe:

1971

Spalte:

684-686

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Companion to the New Testament 1971

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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Jesu sind? Im 2. Kapitel weist Pesch nach, daß die Wortüberlieferung
von der Heilung Aussätziger (Mt. 11, 5 par;
10,8; Lk. 4,27; 7,22) auf Authentizität keinen, Anspruch
erheben kann - ein überzeugender Nachweis. Die Täuferanfrage
, eines der wenigen Apophthegmen in Q, hält Pesch
mit Recht für eine späte Bildung, die auf eine bereits ausgestaltete
urchristliche Wundertradition zurückblickt.

Im 3. Kapitel legt Pesch eine gründliche Exegese des
schwierigen Textes Mk. 1,40-45 vor. Während die redaktionsgeschichtliche
Behandlung de* synoptischen Parallelen
zu dieser markinischen Geschichte von der Heilung eines
Aussätzigen nicht voll überzeugt, für die Intention des
ganzen Buches freilich auch ohne Gewicht bleibt, stellt die
Exegese der markinischen Fassung eine vorzügliche und
voll befriedigende Leistung dar. Der Vf. kommt zu dem
Ergebnis, daß wir es bei dieser Heilungsgeschichte mit
einer von Anfang an pointiert christologischen Erzählung
zu tun haben, die hellenistische und jüdische Elemente
miteinander verbindet, also einem hellenistischen Judenchristentum
entstammt, und Jesus als den messianischen
Propheten der Endzeit vorstellt. Sie verdankt ihre Entstehung
nicht „der historischen Überlieferung von Jesus,
sondern der Christusverkündigung und den missionarischen
Notwendigkeiten der frühen Kirche" (78). Sie erlaubt
deshalb keine positive Aussage über ein Heilungswirken
Jesu.

Weniger überzeugend ist m. E. die Erklärung der Erzählung
von der Heilung der 10 Aussätzigen im 4. Kapitel
von Peschs Untersuchung (Lk 17,11-19). Dem für Pesch
entscheidenden Ergebnis der formgeschichtlichen Analyse
wird man freilich gerne zustimmen: Wir haben es mit
einem Apophthegma zu tun, dessen Szene eine wundersame
Begebenheit enthält, die enge Beziehungen zur Naeman-
geschichte 2. Kön. 5 aufweist und die möglicherweise auch
Mk. 1, 40-45 voraussetzt; ein historischer Kern kann nicht
festgestellt werden. Daß 17,19 sekundäre Zutat ist, erscheint
mir dagegen zweifelhaft, und dafj die Pointe in der
Feststellung liegt, man müsse Jesus danken, wenn man
Gott die Ehre geben will, geht u. a. an der entscheidenden
Tatsache vorbei, dafj der dankbare Geheilte ein Samariter
war. Die einheitliche Geschichte gehört vielmehr
in den Umkreis der Erzählungen vom syrophönizischen
Weib und vom Hauptmann zu Kapernaum: schon Jesus hat
den Weg zu den Nichtjuden geöffnet.

Das 5. und letzte Kapitel kehrt zum Anfang des Buches
zurück und beschäftigt sich mit dem theologischen Problem
der historisch zu sichernden Machttaten Jesu, d. h. mit den
Exorzismen und den Heilungen: Wie soll man sie verstehen
? Dabei werden aus den quaestiones disputatae zum
Schluß quaestiones disputandae. Auch die historisch verbürgten
Wundergeschichten, so erklärt Pesch, sind uns nur
mit ihrer und durch ihre Deutung zugänglich. Ihre .authentische
' Deutung aber ist auf Jesu eigenes deutendes Wort
angewiesen. Dieses deutende Wort Jesu lehrt die Dämonenaustreibungen
und Heilungen im Sinne einer impliziten
Christologie verstehen; sie enthalten einen soteriologischen
und einen christologischen Anspruch des irdischen Jesus.
Nur als von Jesus selbst soteriologisch-christologisch gedeutete
Taten sind Jesu Machttaten ipsissima facta Jesu.

Man hat ein wenig den Eindruck, als seien das erste
und das letzte Kapitel als leicht apologetischer Rahmen um
den Kern des Buches, die Behandlung der Aussätzigen-
heilungen, gelegt. Dieser Rahmen befriedigt in seiner
wissenschaftlichen Stringenz jedenfalls weniger als der
Kern. Die Historizität von - wenigstens einigen - Heilungsgeschichten
wird denkbar schwach und unmethodisch begründet
. Bei der Beurteilung der Exorzismen verschmilzt
Pesch die Logienüberlieferung aus der Spruchquelle ohne
weiteres mit den Erzählungen bei Markus, ohne eine möglicherweise
sehr disparate Traditionsgeschichte in Rechnung
zu stellen. Und wieso die authentischen Wunder Jesu als

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Zeichen einer impliziten Christologie verstanden werden
können, wenn doch, wie Pesch selbst sagt, der jüdische
Messias keineswegs als Wundertäter erwartet wurde, vermag
man nur schwer einzusehen.

Konsequent wäre gewesen, wenn Pesch die Heilungen
überhaupt als christologische Erzählungen gedeutet
hätte, die im judenchristlich-hellenistischen Bereich zu
Hause sind, wie er es in glänzender Weise mit den Geschichten
von der Heilung Aussätziger getan hat. Dann
hätte zugleich deutlich werden können, dafj der Exorzismus
als solcher, wie er in der Spruchquelle vornehmlich begegnet
, von Hause aus nichts mit der Christologie zu tun
hat — anders als die markinischen Geschichten von den
wundersamen Dämonenaustreibungen.

Diese kritischen Bemerkungen erlaube ich mir deshalb,
weil Peschs Studie eine erstaunlich sichere und von souveräner
Beherrschung des Werkzeugs der kritischen Methode
zeugende Arbeit darstellt, die eben deshalb zugleich eine
fundiert theologische Leistung präsentiert, die wissenschaftliche
Reife und ökumenische Weite miteinander verbindet.

Berlin Walter Schmithals

Harvey, A. E.: Companion to the New Testament. London:
Oxford University Press; London: Cambridge University
Press 1970. VIII, 850 S. gr. 8° = The New English Bible.
Lw. 60 s.

Neun Jahre nach Erscheinen des Neuen Testaments der
New English Bible (NEB)1 legen die beiden Verlage, die
auch die NEB herausbrachten, nun einen Kurzkommentar
zum ganzen Neuen Testament in einem Band aus der
Feder von A. E. Harvey vor, nachdem schon in den Jahren
1963 bis 1967 Einzelkommentare zu praktisch allen Schriften
des Neuen Testaments in der Fassung der NEB von
verschiedenen Autoren erschienen waren s.

Das Werk ist angelegt als „Begleiter" zum englischen
Text des Neuen Testaments in der Fassung der NEB; die
Lektüre dieses Textes wird vorausgesetzt, nur einzelne
Wörter oder Sätze werden - durch Fettdruck kenntlich
gemacht - wiederholt, wenn sie speziell erklärt werden
sollen oder in die Paraphrase einbezogen werden. Der
Kommentar soll dem Leser „diejenigen Informationen
gebenj die er braucht, um zu verstehen, was die Autoren
des Neuen Testaments sagen wollen" (Klappentext). So ist
die Arbeit hauptsächlich auf Information abgestellt, vor
allem über die „Realien" der Welt und Umwelt des Neuen
Testaments und über die geistesgeschichtlichen Bezüge,
deren Kenntnis zum sachgemäßen Verstehen der Texte
unerläßlich sind (vgl. z. B. S. 301 f. zu Joh. 1,1 die Ausführungen
über den griechischen und jüdisch-hellenistischen
Hintergrund des Logos-Begriffs). Dagegen werden die in
der wissenschaftlichen Exegese behandelten Fragen kaum
ausdrücklich besprochen; sie stehen vielmehr im Hintergrund
der gegebenen Auslegung (vgl. Preface).

Besonderen Wert legt H. darauf, den Gedankengang der
Texte deutlich zu machen, oft so, daß Zwischengedanken,
die sich für den modernen Leser nicht von selbst einstellen,
ausgeführt werden und so der nächste Satz des Textes
ungezwungen vorbereitet wird. Dieser paraphrastische Stil
dominiert naturgemäß vor allem in der Auslegung der
Briefe, oft mit ebenso natürlichem wie überzeugendem
Effekt, während bei den Evangelien die Erörterung von
Realien gleichgewichtig danebentritt. Die Erklärung ist
insofern speziell auf die NEB zugeschnitten, als H. häufig
- teils anerkennend und näher erläuternd, teils ohne Polemik
korrigierend — auf einzelne Wendungen der Übersetzung
der NEB, gelegentlich auch auf die von der NEB
vorausgesetzten Urtextlesarten und auf Unterschiede zwischen
der ersten und der zweiten Fassung der NEB eingehr

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9