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Ausgabe:

1971

Spalte:

207-209

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Ferel, Martin

Titel/Untertitel:

Gepredigte Taufe 1971

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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207

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

208

würde man das Neue nach dem Gesagten doch wohl zuerst
erwarten. Es verwundert etwas, daß die Ablaßthesen
in der Arbeit überhaupt kaum genannt werden. Daß die
36. These „die strafende Gerechtigkeit" ablehne (S.243,
Anm.), vermag ich jedenfalls nicht einzusehen.

Unverkennbar allerdings ist - und darauf liegt in der
Arbeit das Schwergewicht -, daß ein tiefgreifender Wandel
sich in Luthers Theologie von 1517 auf 1518 vollzieht.
Er erfaßt das Verständnis von Wort und Glaube, er läßt
sich an Luthers Hermeneutik ablesen (S.198-203) wie an
seinem Verständnis von Gesetz und Gnade (S.204-217).
Kroeger fragt zuletzt, ob sich nicht in der Zeit zwischen
den Vorlesungen über den Römer- und Hebräerbrief Veränderungen
konstatieren lassen, die jenen Umschwung
vorbereitet haben (S. 218-238). Dies ist in der Tat der
Fall, wenngleich gerade jene Wandlungen noch einmal
das volle Gewicht der Wende in der Hebräerbriefvorlesung
deutlich machen.

Die Arbeit schließt (S.239-244) mit einem Rückbezug
auf die am Anfang ausgeklammerte Problematik des
„Turmerlebnisses": nicht als biographische Frage freilich
, sondern als Frage nach einem erkennbaren Einschnitt
in der theologischen Entwicklung Luthers wird sie wieder
aufgenommen. Zwei elementare Einschnitte lassen sich
in Luthers früher Theologie erkennen: einmal die vor der
Römerbriefvorlesung liegende Einsicht Luthers in die
iustitia Dei als Geschenk Gottes; zum andern die hier aufgezeigte
Wende von 1517/18. Beide Einschnitte könnten
der Anlaß für das „Turmerlebnis" gewesen sein; mehr
läßt sich nicht sagen.

Mit alledem dürfte die Bedeutung dieser Arbeit für das
Verständnis der frühen Theologie Luthers deutlich geworden
sein. Auch da, wo man im angezeigten Sinne Vorbehalte
äußern oder den einen und anderen Akzent anders
gesetzt sehen möchte, bleibt die Tatsache bestehen, daß
wir es hier mit einer Untersuchung zu tun haben, durch
die an wesentlichen Punkten neues Licht auf die verwickelten
Fragen der theologischen Anfänge Luthers
fällt.

Münster/Westf. Martin (irescliat

Ferel, Martin: Gepredigte Taufe. Eine homiletische Untersuchung
zur Taufpredigt bei Luther. Tübingen: Mohr 1968.
VIII, 265 S. gr.8° = Hermeneutische Untersuchungen zur
Theologie, hrsg. von G.Ebeline, E.Fuchs, M.Mezger, 10.
Kart. DM 15,-; Lw. DM 20,-.

Diese Mainzer Dissertation (Ref. M. Mezger) will aus
der Geschichte der Taufpredigt den Beitrag Luthers erheben
. Auf eine direkte Konfrontation der Antworten
Luthers mit der gegenwärtigen Auseinandersetzung wird
bewußt verzichtet. Nach einleitenden Bemerkungen zu
Problem und Methode stellt das 1. Kapitel „Die Taufe in
den frühen Predigten" dar. W. Jetters Beobachtung, daß
die Sakramente in Luthers Frühzeit hinter dem Wort
zurücktreten, wird bestätigt. Vor 1520 war die Taufe nur
ein seltenes Randthema der Predigten. Bestünde die Wahl
zwischen Glaube und Taufe, so wäre das Sakrament eher
zu entbehren als der Glaube. Im Taufsermon von 1519 ist
die Taufe nach Ferel Ausdruck des menschlichen Bemühens
, die Sünde mehr und mehr abzutun (33). So richtig
es ist, daß Luther in diesem Sermon der Heiligung als
Taufkonsequenz großes Gewicht beilegt, so wenig darf
doch behauptet werden, hier gehe der Bund „vom Menschen
aus" (ebd.). Die klare Vorordnung der promissio
und des opus dei findet sich zwar in den Thesenreihen
von 1520 und in De captivitate Babylonica kräftiger betont
, ist aber im Taufsermon von 1519 doch schon deutlich
vorhanden. Ferels Interpretation erweckt dagegen

den Eindruck, als habe Luther seine informatorische
Grundeinsicht erst 1520 auf die Taufe angewandt.

Das 2. Kapitel beschäftigt sich mit der Übersetzung des
lateinischen Taufrituals, die Luther 1523 veröffentlichte.
Neben liturgiegeschichtlich interessanten Erörterungen
über die vermutliche Vorlage wird besonders die Frage
beantwortet, warum Luther keine Taufvermahnung vorsah
: „Was Luther an Formularansprachen und Vermah-
nungen in Taufformularen möglicherweise begegnet ist,
widersprach seinem Verständnis der Taufhandlung und
reizte ihn nicht zur Übernahme" (79). Damit ist allerdings
nicht erklärt, warum Luther nicht ein eigenes Muster
schuf, um damit praktische Hilfe zur Taufverkündigung
zu leisten.

Kapitel 3 schildert „Die Entwicklung der Predigt von
der Taufe", gibt einen Überblick über das Material, vergleicht
die Predigten mit den Katechismen und stellt sie
in den geschichtlichen Rahmen. Nur drei der 47 Predigten,
die Luther seit 1525 der Taufe widmete, wurden bei
Taufen gehalten. Auch bei den katechismusartigen Predigten
faßt Luther aber die Situation in den Blick, ohne
ihr die Predigt auszuliefern (125). Ebenso zeigt sich allerdings
, daß die für eine situationsbezogene Predigt notwendige
Information bei Luther nicht immer vorhanden
war, so daß er den verschiedenen täuferischen Richtungen
und ihren theologischen Argumenten im einzelnen nicht
gerecht werden konnte (120).

Wie Luther die Taufe als Sakrament predigte, zeigt
das 4. Kapitel. Luther wird nicht müde, die Taufe als
Gottes Werk und Anordnung zu verkünden. Besonders
deutlich findet er ihre göttliche Einsetzung in der Taufe
Jesu bezeugt. Ferel untersucht deshalb im 5. Kapitel „Die
Predigten über die Taufe Jesu". In zunehmendem Maße
begründet Luther die Notwendigkeit und den Sinn unserer
Taufe aus der Taufe Jesu. „CHRisti Tauff meine Tauff"
(189).

Nach dem Verhältnis von „Taufe, Glaube und Leben
in den Predigten" fragt das 6. Kapitel. Der „Nutzen" der
Taufe wird erstens als eine neue Existenzbestimmung beschrieben
, die hinter dem Getauften liegt und ihn ein für
allemal in Tod und Leben Christi einbezogen hat. Zweitens
ist damit die Gegenwart des Getauften als immer neues
Hindurchgehen durch Christi Tod zu seinem Leben in der
täglichen Abtötung der Sünde qualifiziert. Drittens wird
dadurch die Zukunft des Getauften bestimmt, weil er
seine Taufe stets auch vor sich hat, bis im leiblichen Tod
das geistliche Sterben an sein Ende kommt (207).

Vom Zusammenhang zwischen Taufe und Rechtfertigung
aus ist das Verhältnis von göttlichem und menschlichem
Tun in der Taufe und die Frage nach Wiedertaufe
und Kindertaufe zu beantworten. Luther greift zu verschiedenen
Beispielen, um die Prävalenz des Werkes
Gottes zu betonen. Wie es nicht mein Werk ist, daß die
Sonne aufgeht, obwohl ich das Tageslicht doch gebrauche
und empfange, so empfangen wir die Taufe als Geschenk,
um dann ihrer Wirkung dos neuen Lobens teilhaftig zu
werden. Ohne Glauben gibt es zwar nicht diesen Nutzen
der Taufe, wohl aber rechte, gültige Taufe, wie ja die
Sonne auch dann scheint, wenn die Menschen Türen und
Fenster verschließen, um ihr Licht nicht hereinzulassen.

Die entscheidende Lösung des mit der Kindertaufe gegebenen
Problems findet Luther nach Ferels Meinung in
der Taufpredigt: „Taufpredigt kompensiert und korrigiert
die Kindertaufe, weil sie die Akzente verlagert vom Interesse
am Zeitpunkt und Vorgang des Vollzugs zu Verständnis
und Übernahme ihres Sachverhaltes in die Existenz
. Die Taufe muß gepredigt und so stets neu .empfangen
' werden" (239). Sicher ist es richtig, daß die Taufe
durch die Predigt für das Leben der Christen stets neu
aktualisiert werden soll. Das wird besonders im 6. Kapitel
eindrucksvoll verdeutlicht. Dagegen ist es mindestens für