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Ausgabe:

1968

Spalte:

506-507

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Scroggs, Robin

Titel/Untertitel:

The last Adam 1968

Rezensent:

Güttgemanns, Erhardt

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Theologische Litcraturzcitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 7

506

Dem Buch ist die Überschrift Signum Crucis vorangestellt, die
als Leitmotiv für alle Arbeiten dient, im engeren Sinne aber den
Themen der ersten fünf Aufsätze gilt, in denen in immer neuen
Ansätzen ein gewichtiger Beitrag zur Beantwortung der Frage
nach Geschichte und Sinn des Kreuzsymbols geleistet wird. Überzeugend
wird nachgewiesen, daß die Entstehung des Krcuz-
symbols auf zwei verschiedene Ansätze zurückzuführen ist, die
ursprünglich nichts miteinander zu tun haben. Der erste ist in
dem bereits im Judentum bekannten Gebrauch des Kreuz-
zeichens gegeben. Auf Ossuarcn aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.,
aber auch auf Grabinschriften findet sich das Krcuzzcichcn. Daraus
ist sicherlich nicht auf judcnchristlichc Herkunft dieser Ossuarc
und Inschriften zu schließen, sondern es wird der Buchstabe Tav
abgebildet, der nach Ez. 9, 4 ff. als Jahwezeichen zu verstehen ist,
das demjenigen, der mit diesem Zeichen versehen ist, Schutz und
Bewahrung zusichert. Die Vorstellung, durch ein Zeichen dem Bekenntnis
zu Jahwe Ausdruck zu geben und die Zusage seines
Schutzes zu empfangen, ist also im Judentum der neutestament-
Hchcn Zeit durchaus lebendig gewesen. Aber „vom jüdischen Kreuzzeichen
zum christlichen Zeichen des Golgathakreuzes führt kein
direkter Weg" (S. 35). Die Christen haben vielmehr zunächst das
Kreuz nicht als Symbol verwendet; denn das Kreuz Christi hätte
in der Umwelt notwendig als Ausdruck seines Scheiterns mißverstanden
werden müssen. Eine sehr eindrucksvolle Sprache redet
das aus dem 3. Jahrhundert stammende Spott-Kruzifix vom Pala-
t'n, das einen am Kreuz hängenden Mann mit Esclskopf darstellt
~ offensichtlich die Verhöhnung von Christen durch NichtChristen
(S. 150-153). Man wird es daher „nicht für ausgeschlossen ansehen
können, daß die ersten Darstellungen eines Crucifixus von
NichtChristen stammen" (S. 153). In dieser Zeit hätten die Christen
mit dem Krcuzzcichcn nur Mif3verständnis und Hohn hervorgerufen
. Die Lage wandelte sich jedoch grundlegend in konstanti-
nischcr Zeit. Von der Mitte des 4. Jahrhunderts an ist das Kreuz
als eigenes Darstcllungsthcma in der christlichen Kunst bezeugt.
Nun wird es nicht als Ausdruck der Erniedrigung und Schwäche,
sondern als Zeichen des Sieges und des Heils verstanden, das im
Tode des Gottessohnes gewonnen wurde.

Lassen sich aus diesem Befund, wie ihn minutiöse archäologische
Arbeit aufgewiesen hat, Folgerungen für die Exegese neu-
tcstamcntlichcr Stellen ziehen? Obwohl er sich der Schwierigkeiten
, die mit dieser Fragestellung verbunden sind, wohl bewußt
'st, wagt Dinkler doch den Versuch: 1. Was könnte Jesu Wort vom
Kreuztragen ursprünglich bedeutet haben? Wenn es ein Wort des
historischen Jesus ist - und das wird angenommen -, dann kann
es schwerlich ein Hinweis auf das Kreuzesmartyrium gewesen
sein. Dinkler vermutet, im Munde des historischen Jesus sei das
Kreuzzeichen als Versiegelung verstanden: „Nimm dein Tav
auf, nimm dein Eigcntumssiegcl auf, mache das von Ezechiel geforderte
Kreuz auf deine Stirn. In der Sache ist dies eine Variante
zur Forderung des metanocite" (S. 96). Man wird jedoch zu bedenken
haben, daß das Logion sowohl in der Markus- als auch
W der Q-Fassung - wie der jeweilige Kontext zeigt - eindeutig
als Hinweis auf das Leiden aufgefaßt worden ist. Es bleibt daher
c'ne unbeweisbare Vermutung, daß in der ältesten - aber nicht
Hehr greifbaren - Phase der Tradition von einem Zeichen der
Versiegelung die Rede gewesen sein sollte. Soweit sich der Gang
der Überlieferung verfolgen läßt - ob er bis zum historischen
Jesus zurückreicht, ist nicht mit Sicherheit auszumachen -, handelt
das Logion von Nachfolge und Leidensbcrcitschaft. 2. Das Motiv
der Versiegelung spielt schon in sehr früher Zeit eine Rolle in
der urchristlichen Taufe. Wenn 2. Kor. 1, 21 f. in einer offensichtlich
vorpaulinischen Wendung Salbung und Versiegelung erwähnt
werden, so ist es naheliegend, an „eine übertragene Redeweise"
zu denken (S. 106). Aber auch hier versucht Dinkler über diese
Feststellung hinaus einen Schritt vorsichtig angestellter Erwägun-
9en zu tun, indem er die Frage stellt, ob mit der Versiegelung
»auf eine schon zu des Paulus Zeit anzunehmende kultische Eigcn-
'umssignicrung hingewiesen sein könnte" (S. 111). Das gewichtigste
Argument für diese Annahme ist „die Tatsache, daß die jüdischen
Quellen der Zeit die Aufnahme von Ez. 9, 4 ff. in einer cschato-
'ogischen Versiegelung mit dem Tav-Sicgcl bezeugen" (S. 112).
Eindeutige christliche Belege fehlen jedoch, und so kann es auch
an dieser Stelle nur bei einer Hypothese bleiben.

Aus allen Aufsätzen dieses reichhaltigen Bandes empfängt der

Leser reiche Belehrung. Mit vorbildlicher Akribie wird jede Einzcl-
fragc abgehandelt und dabei nie der große Zusammenhang aus
dem Auge verloren. So mannigfaltig die Aufsätze aus den verschiedenen
Arbeitsgebieten des Verfassers sind, so sind sie doch
zusammengehalten durch den Ernst und die Hingabc, aber auch
die Freude, mit der Theologie getrieben wird. Beispielhaft wird
gezeigt, wie biblisches Wort und kirchliche Überlieferung nicht
etwa durch kritische Untersuchung verlieren, sondern nun vielmehr
nur um so deutlicher ihr uns treffendes Wort vernommen
wird. Diese Sammlung beweist, daß in der Tat überkommene
fachliche Abgrenzungen heute ihre Gültigkeit verlieren und archäologische
Forschung, historisch-kritische Bibclintcrpretation und
systematisch-theologische Überlegung miteinander der einen Aufgabe
der Theologie dienen, dem „Denken des Glaubens" (S. 378).

Göttingen Eduard L o h s c

Scroggs, Robin: The Last Adam. A Study in Paulinc Anthro-
pology. Philadelphia: Fortrcss Press u. London: Blackwcll (1966).
XXIV, 139 S. 8°. Lw. $ 4,25 (21 s).
Die auf Anregung von W. D. Davies entstandene Arbeit des
jetzigen Assistant Professor of Religion am Dartmouth College
in Hanover, New Hampshire umschreibt ihre Ziele in der Intro-
duetion (S. 1X-XXIV): In einer religionsgcschichtlich orientierten
Untersuchung soll die „Adamic Christology" des Paulus erneut auf
ihre umwcltlichen Voraussetzungen und ihren theologischen Sinngehalt
untersucht werden. Fast a priori führt Verfasser die These
ein, Paulus sei von der jüdischen Adam-Theologie beeinflußt, nicht
von dem „gnostischen" Urmcnsch-Erlöscr-Motiv, dessen historische
Grundlagen C. Colpc erschüttert habe (S. IX f.). Vor allem B. Mur-
melstcins Kombinationen', aber auch O. Cullmanns- und E. Brandenburgers
^ Exegesen muß Verfasser von da aus bestreiten
(S. X ff.): Im Judentum gibt es keine Identifikation Adams (= Urmensch
) mit dem Erlöser (S. XIV f.). Ein „gnostischcr" Zug ist somit
in diesem Bereich nicht nachweisbar (S. XVII f.). Diese Feststellung
hat ihre gedankliche Prämisse in der These, die Verfasser
mit seinem Lehrer W. D. Davies'1 teilt: „Paul s Adamic Christology
is based securcly in Jewish theology about Adam" (S. XXI).
Verfasser sieht die Gefahr einer heteronomen Interpretation des
Paulus von außen, die mit dem aus dem religionsgcschichtlichen
Material gewonnenen Vorurteil an Paulus herangeht. Verfasser
will darum nicht behaupten, „that Paul is guided and influenced
only by his Jewish and Christian heritagc" (S. XXIV). „The primary
task in studying Jewish theology and Paul is to determine first
their own frame-work and their own intent, to graps the mcaning
they ascribc to a motif by secing how it funetions in their own
Ihcological context" (S. XXIII).

Mit diesen Formulierungen ist eine Fülle vor allem methodo
logischer Probleme eigentlich mehr angedeutet als souverän in
den Griff genommen. So bleibt vor allem undeutlich, ob Verfasset
sich wie etwa E. Jüngclr' entschlossen einer theologischen
Interpretation der behandelten Texte zuwendet oder ob er nicht
doch zu sehr in dem herkömmlichen Schematismus rcligicns-
gcschichtlicher Forschung steckenbleibt, für den die Einordnung
des Paulus in das Judentum („Judaism") fast zu einer Art wissenschaftlichen
Bekenntnisses geworden ist. In letzterem Falle müßte
man den Rückschritt gegenüber E. Brandenburger bedauern, der
sich zumindest von der schcmatischcn Einteilung des religionsgcschichtlichen
Materials in Judentum und Hellenismus freigehalten
hatte.

Verfasser führt seine Untersuchung in fünf Kapiteln durch,
denen sich zwei Exkurse über Adam as Microcosmus (S. 113 f.)
und über Philo's Interpretation of Genesis 1-3 (S. 115-122) anschließen
. Je zur Hälfte des Buches behandeln die Kapitel das
rcligionsgcschichtliche Material der Umwelt und die „Adamic
Christology" des Paulus: I. Old Testament Thought of the First
Adam (S. 1-15); II. Adam in the Apocrypha and Pscudcpigrapha

1 B. Murmclstcin. Adam, ein Beitrag zur Mcssiaslchrc. WZKM 35. 1928, 242-275:
36. 1929. 51-86.

- O. Cullmann. Die Christologic des Neuen Testaments. 1957. 138 ff.
3 E. Brandenburger. Adam und Christus. Exegetisch-rcligionsgcschichtliche Untersuchung
zu Rom. 5, 12-21 (1. Kor. 15) 1962 (WMANT 7).
'• W. D. Davies, Paul and Rabbinic Judaism. 19482. 1955.

5 E. Jüngel, Das Gesetz zwischen Adam und Christus. Eine theologische Studie
zu Rom. 5, 12-21. ZThK 60. 1963. 42-74.