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Ausgabe:

1968

Spalte:

441-442

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Zijl, Theodore P. van

Titel/Untertitel:

Gerard Groote, ascetic and reformer (1340-1384) 1968

Rezensent:

Bork, Ruth

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441

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6

442

biblischer und spekulativ-theologischer Wahrheiten" (S. VI) gesucht
wird.

So bietet die Untersuchung einerseits zuviel; eine historische
Darlegung der Caritas-Lehre des Aquinaten könnte auf die meditative
Spekulation verzichten und wäre als solide Unterrichtung
wertvoller; andererseits fehlt mit der geschichtlichen Interpretation
ein Kernstück. Der Verfasser vereitelt damit selbst seine Absicht
, dem unter der Zerrissenheit der Wissensgebiete leidenden
Zeitgenossen eine Anregung zur Verganzheitlichung seiner Person
zu geben. Gesetzt, ein Zeitgenosse verlangt danach, so würde er
sich doch auf den hier beschrittenen Weg kaum einlassen dürfen.
Aus dem Gefängnis einer ins Vielerlei zerrissenen Existenz geriete
er sonst nur in die andere Gefangenschaft, sich durch Meditation
und Spekulation ein Selbstverständnis anerziehen zu müssen
, in dem die Spannung christlicher Existenz zwischen Welt-
und Wortwirklichkeit zum Schaden der Erfahrung beider eingeebnet
ist.

Stuttgart Hans Vorster

Zijl, Theodore P. van, Rev. S. V. D., M. S. in L. S., M. A.: Gerard
Groote, Ascetic and Reformer (1340-1384). A Dissertation.
Washington: Catholic University of America Press 1963. X, 377 S.
gr. 8° = The Catholic University of America, Studies in Mcdiae-
val History, New Series, Vol. XVIII. $ 6,-.
Obwohl man die Bedeutung der „Brüder vom gemeinsamen
Leben" als Teilerscheinung der Devotio moderna oft untersucht hat
und ihr auch als einer auf die Reformation hinweisenden Bewegung
besonderes Interesse zuwandte, hat man sich mit dem
Leben und Wirken ihres eigentlichen Initiators, Gerhard Groote
aus Dcvcnter, verhältnismäßig wenig befaßt. Van Zijl will, indem
er anhand des überlieferten Quellenmaterials eine kritische Darstellung
von Grootes Leben bietet, dem Mangel an einer adäquaten
Biographic abhelfen.

Die Chronologie von Grootes Entwicklung zu rekonstruieren,
war nicht leicht. Die Anhänger und ersten Biographen Grootes beschäftigte
mehr sein späteres Wirken. Außerdem dienten ihre
Schilderungen vor allem erzieherischen und erbaulichen Zwecken.
Die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens gewinnen aber in einem
Zeitalter, das auf Entwicklungsproblemc und psychische Momente
gesteigerten Wert legt, an Gewicht. Und so wird der Werdegang
Grootes von dem aus begüterter Familie stammenden, begabten
Jüngling, der sich an den berühmtesten Universitäten in allen
Wissenschaften mit viel Erfolg bemüht und nach entscheidender
religiöser Umkehr einer glänzenden wissenschaftlichen Laufbahn
entsagt, um ein Leben der Vcrinnerlichung und der strengen Nachfolge
Christi zu führen, heute auf ein lebhafteres Interesse stofjen.
Leider sind die Nachrichten über seine Jugend nicht sehr reichhaltig
. Van Zijl ist in ständiger Auseinandersetzung mit den
Quellen allen erreichbaren Details über Familie, Kindheit und
Jugend Grootes nachgegangen. Die wahrscheinlich älteste Biographic
Grootes von Thomas a Kcmpis (Vita Gerardi Magni) sucht
van Zijl zu verteidigen und aus ihrer Zeit heraus zu verstehen.
Thomas wähle zwar aus, doch bedeute das kein Ändern von Fakten
. Den Einzelangaben über die verschiedenen Stadien der Entwicklung
Grootes geht van Zijl mit großer Sorgfalt nach. Er bietet
keine Kombinationen oder Ideenverbindungen, wie sie vielleicht
eine geistcsgcschichtlichc Abhandlung wagen würde. Keine Rede
etwa von einem Brückenschlag Prag-Deventer, durch den frühhumanistisches
Geistesleben aus Böhmen in die Niederlande kommen
mochte, wie es E. Winter in seiner Arbeit über den Frühhumanismus
sieht. Dafür aber ein oft minutiöses Aneinanderreihen
v°n Einzeltatsachen, die sich schlie51ich zu einem beredten Mosaik
zusammensetzen. Gerade die Kapitel über die innere Wandlung
Grootes vermitteln etwas von der Glaubenstiefe, die uns auch in
der „Imitatio Christi" des Thomas a Kcmpis begegnet (von manchen
Gelehrten übrigens Groote selber zugeschrieben). Das Ringen
um innere Klarheit und demütige Hingabe an Stelle eines ehrgeizigen
Strebens nach Wissen und Ruhm füllte die erste Phase
nach seiner Bekehrung aus. Diesen Erlebnissen dann nicht nur in
Gebet und erbaulichen Betrachtungen - kurz einem mönchischen
Leben - nachzugehen, sondern sie in die Welt zu tragen und
weiterzugeben, durch vorbildlichen Lebenswandel und Wirken in
Predigten einerseits und den Kampf gegen ein verderbtes Christentum
andererseits, auch gegenüber Enttäuschungen und Predigtverbot
, waren weitere Marksteine auf seinem Lebensweg. Ihnen
gelten die letzten Kapitel der Biographie van Zijls.

Jedenfalls versteht es der Verfasser, unter kritischer Behandlung
der Quellen und älterer Literatur das Lebenswerk Grootes
nicht nur in einer gelehrten Abhandlung darzulegen, sondern dem
Leser durch lebendige Schilderung und warme Anteilnahme, die
er als gläubiger Katholik dem Thema entgegenbringt, ein eindrucksvolles
Bild zu vermitteln, das etwas von der Atmosphäre
jener spätmittelaltcrlichen Bewegung und ihrer Zeit widerstrahlt.

Potsdam Ruth Bork

Barth, Timotheus: Johannes Duns Scotus, gestern und heute

(WissWeish 31, 1968, S. 190-204).
Elsässer, Antonellus: Die verschiedenen Stände in der Kirche

nach der Lehre des heiligen Bonaventura (WissWeish 31, 1968,

S. 13-29).

Gründel, Johannes: Die „Artes liberales" und die Philosophie
im Mittelalter (ThPh 43, 1968, S. 76-80).

Mayr, F. K.: Philosophische Randbemerkungen zum Verständnis
der Konzilsdekrete von Konstanz (ZkTh 90, 1968, S. 129-161).

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Modalsli, Ole: Das Gericht nach den Werken. Ein Beitrag zu
Luthers Lehre vom Gesetz. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1963. 246 S. 8° = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte
, 13. DM 25,-.
Modalsli hat, veranlaßt durch Joests Arbeit über „Gesetz und
Freiheit", nach Luthers Vorstellungen über das Gericht nach den
Werken gefragt. Mit seinem Buch liegt, wie ihm Joest in dem
erbetenen Geleitwort bescheinigt, eine „umfassende Studie zum
Gesetzesbegriff Luthers" vor, die „Züge ans Licht" bringt, „die
bisher unerkannt geblieben waren".

Ohne die einschlägigen Lehrschriften zu vernachlässigen, legte
er seiner Analyse in erster Linie die Predigten Luthers über die
Gerichtsperikopen aus den dreißiger Jahren zugrunde und untersuchte
, ob bei diesem die Werke zur Rechtfertigung dazugehören
bzw. welches Verhältnis zwischen der Rechtfertigung durch den
Glauben und dem Gericht nach den Werken besteht. Das Problem,
wie sich das Gericht nach den Werken existentiell auswirkt, führt
dann notwendig zur Frage nach dem Gesetz.

In der Anlage seines Werkes stimmt Modalsli mit Joest überein
. Wie dieser stellt er neben Luther das Zeugnis des Neuen
Testaments. Allerdings geht er über Joest hinaus, indem er das,
was er als wesentliche Erkenntnis Luthers betrachtet, bereits im
Alten Testament - wenn auch noch nicht in letzter Klarheit - zu
finden meint.

Sie besteht in der „prinzipiellen Unterscheidung" „zwischen den
beiden existenzicll-eschatologischcn Begriffen des locus iustifica-
tionis in absolutem Sinn und des locus iudicii operum" (55). Diese
Scheidung führt Verfasser konsequent durch. So trennt er hinsichtlich
der Gebote. Er sagt: „In den locus iustificationis gehört
das 1. Gebot als Glaubensgebot, in den locus iudicii operum die
10 Gebote der Liebe" (55). Oder er reißt die Voraussetzungen für
das Bestehen vor Gott auseinander: „Der Glaube allein gilt als
Voraussetzung des Bestehens coram Deo in loco iustificationis",
die Werke haben ihre Geltung „coram Deo in loco iudicii operum"
(57), d. h. aber extra locum iustificationis. Entsprechend gehört
von den beiden, Gesetz und Evangelium, „allein das Evangelium
in den locus iustificationis" (57). Diese Scheidung gibt ihm die
Möglichkeit, „unter Festhalten an der Rechtfertigung durch den
Glauben zugleich den Werken eine bedingt entscheidende Bedeutung
" zuzuschreiben (11). Die letzte Konsequenz der Trennung ist
die Verharmlosung der menschlichen Situation, da nun „durch die
Vorherrschaft des Evangeliums in der Verkündigung Christi auch
die eigentliche Gesetzespredigt ein gemildertes Gepräge" .bekommt
" (154).

Wir müssen deshalb, wenn wir auch vielen Einzelbeobachtun-
gen des Verfassers zustimmen, die Frage stellen, ob er Luther im
wesentlichen gerecht geworden ist. Wohl sieht er beides, die
Rechtfertigung allein durch den Glauben und die Notwendigkeit
der Werke. Aber die Spannung in Luthers Rechtfertigungsver-