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Ausgabe:

1967

Spalte:

331-336

Autor/Hrsg.:

Mann, Ulrich

Titel/Untertitel:

Quaternität bei C. G. Jung 1967

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 5

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sie wesentlich sind für die Stellung des Theologen in der Territorialkirche
. Für die theologische Auseinandersetzung mit den
Schwärmern ist die Vorrede zum Amoskommentar bedeutsam.

Im Zusammenhang mit der Herausgabe der Frühschriften ist
auch ein vorläufiges Wort über den Ertrag der Arbeit möglich.
Der Zugang zu Brenzens Werken wird unsere Kenntnis der Reformation
und der Reformatoren differenzieren, z. B. was die
Abendmahlslehre, die Rechtfertigungslehre und das Verhältnis
zu den Schwärmern betrifft. Vielfach haben wir es mit einer
eigentümlichen Rezeption lutherischer Gedanken zu tun. Eindrücklich
ist die Profilierung, die Brenz nunmehr erhält als einer
der bedeutendsten originalen Stadttheologen Oberdeutschlands,
zwar deutlich unterschieden von Zwingli, Bucer und Oekolam-
pad, und in vielem ihnen doch so ähnlich. Selbständig steht er
der Obrigkeit gegenüber und vertritt doch aktiv und in manchem
schöpferisch die Konzeption der Territorialkirche. Auf dem
Gebiet der Kirchenordnung wird man die Bedeutung Brenzens
kaum überschätzen können.

Über die geistigen Wurzeln Brenzens hat sich nicht allzuviel
und darunter mehr Negatives als Positives ergeben. Die früher
behauptete Beziehung Brenzens zur Mystik hat sich nicht verifizieren
lassen. Brenzens Augustinismus ist nicht deutlicher geworden
, auf platonischen Einfluß stößt man gelegentlich. Kenntnisse
der Patristik sind vorhanden (u. a. Tertullian) aber nicht bestimmend
. Brenzens Verhältnis zum Humanismus ließ sich durch
Chr. Hermanns Untersuchung der Rhetorik etwas näher bestimmen4
. Brenz steht hier in der vormelanchthonischen Heidelberger
Tradition, die aber nicht weiter entwickelt wird. Das bedeutet,
daß Brenz zunächst vor allem von Luther abhängt, alle anderen
Einflüsse stehen dem weit nach. Weiter hat sich herausgestellt,
daß Brenz beachtliche Kenntnisse im kanonischen, römischen und

*) Ein Fragment gebliebenen Rhetorik von J. Brenz a. a. O. S.
79—103.

nichtrömischen Recht besessen hat, obwohl von einem Jurastudium
nichts bekannt ist. Brenzens juristische Position muß von
einem Fachmann überprüft werden. Wahrscheinlich stammen aus
einer juristischen mittelalterlichen Überlieferung eine Reihe von
Zitaten, die sich bis jetzt nicht verifizieren ließen. — Anhangsweise
sei hier noch darauf hingewiesen, daß Kantzenbachs Deside-
rium einer Brenz-Chronologie für das Frühwerk ganz, für die
späteren Schriften zum Teil erfüllt ist0.

Das weitere Programm der Edition soll wenigstens kurz
skizziert werden. In Arbeit sind die wichtigen christologischen
Spätschriften. Vielleicht konnte bis jetzt der Eindruck entstehen,
als ob die Schriftauslegungen und Predigten, die Hauptmasse von
Brenzens literarischer Hinterlassenschaft, vernachlässigt würden.
Das wäre nicht recht und das ist nicht beabsichtigt. In der Abteilung
der Schriftauslegung soll der Johanneskommentar als der
wichtigste Kommentar der Frühzeit mit den bedeutenden Zusätzen
der 2. Auflage und späteren Anmerkungen Brenzens ediert
werden. Die bereits angelaufenen Arbeiten sind hier leider stek-
kengeblieben, werden aber wohl in absehbarer Zeit wieder aufgenommen
. Man wird sich ferner an eine Edition des Römerbriefkommentars
von 1 538 oder des Galaterbriefkommentars machen
müssen. Hier ist aber im Vorfeld der Kommentarüberlieferung
noch einiges zu klären, gerade was die Haller Kommcntarmanu-
skripte und die doppelt vorhandenen Kommentare betrifft. In
den ersten Anfängen steht die Bearbeitung des Briefwechsels und
der Gutachten, durch die Th. Presseis Anekdota Brentiana ersetzt
und ergänzt werden sollen. Als fester Programmpunkt
kann noch genannt werden eine Ausgabe der Brenz'schen Katechismen
zusammen mit der Erklärung von 1551.

Es ist zu hoffen, daß bis zu B'renzens 400. Todestag 1970
sein Werk nicht mehr die terra incognita sein wird, die es bisher
war.

5) M. Brecht, Die Chronologie von Brenzens Schriftauslegungen und
Predigten, a. a. O. S. 53—74.

Quaternität bei C. G. Jung

Bemerkungen zur Überschneidung tiefenpsychologischer Problembereiche mit dem Gebiet der Religion'

Von Ulrich Mann, Saarbrücken

C. G. Jung hat sich 1913 von seinem Lehrer Freud getrennt. er sich geradezu ängstlich, immer wieder glaubhaft zu machen,

Auch Jung stand wie Freud dem Religiösen zunächst fern; in sei- daß er empirische Forschung treibe und sonst nichts, und daß er

ner Selbstbiographie . (Erinnerungen, Träume und Gedanken) dem Theologen und dem Philosophen nicht ins Handwerk pfu-

stellt er sehr deutlich heraus, wie ihm das Dogmatistische im sehen wolle.

Christentum der Generation um 1900 zuwider war und er sich Dabei ist der spätere Jung, im Unterschied zu Freud, der

deshalb der empirischen Wissenschaft zuwandte. Jung wollte sich Religion, insbesondere auch der christlichen gegenüber, sehr

jedoch von Freud nicht auf die ihm allzu einseitig erscheinende aufgeschlossen, ja ihr durch und durch freundlich gesonnen; frei-

Libido-Konzeption der psychoanalytischen Schule festlegen las- 1;^ mjt sebr bemerkenswerten und charakteristischen Einschrän-

sen. Freud habe sich nie gefragt, sagt Jung, warum er denn vom kungen und Erweiterungen.

Gedanken des Sexus so leidenschaftlich ergriffen war und ob Der nich(. se,ten geg£n Jung erhoW Vorwurf, daß er das
nicht vielleicht gerade in dieser Ergriffenheit die als mystisch zu christHche Dogma „verpsychoIogisiere", läßt sich nicht aufrechtbezeichnende
Seite in Freud selbst zu suchen wäre, ts scheint crhaken Es war soeben schon darauf hingewiesen worden, daß
auch so, daß Freud die Unausweichlichkeit des Religiösen in der Jung häufigj vielldcht verdächtig häufig> den empirischen Cha-
Begegnung mit der Psyche geahnt hat und sich deshalb so ver- rakter sdner porschung betont und versidlert( daß er sich zunl
zweifelt an die rationa istische Sexualtheorie klammerte. So ging theologisdlen und metaphysischen Charakter der Dogmen nicht
nun Jung mit seiner Schrift „Wandlungen der Libido entschlos- äußem ^ £r w.„ vidmehr bewußt den Raum offen lasscn>
sen über den Freud sehen Standpunkt hinaus. Libido ist von nun -n wekhem das Theologische ZUr Sprache kommen kann; ja er
an für Jung ganz allgemein seelische Energie. Und nun begmnt „ußert ^ ^ m Std]en dahingehend daß er das Ge.
jene Entdeckungsfahrt Jungs, welche bis zu seinem Lebensende spräch mj(. Theologen erhoffe cine Hoffnung freilich, die ihm
im Jahre 1961 weitergehen sollte. Auf dieser Fahrt hält er Aus- ^ zum sehr geringen Teil erfüllt werden solke j war da_
schau nach den Äußerungen der Religion aller Zeiten und Zonen, yon übcrzeugt> daß das Gottesbild in der Seele, das er als pri-
um in ihnen die weite psychische Wirklichkeit zu finden von mären Archetyp cntdeckt hatte, Abbild und Ausdruck einer me-
der ihm eine Ahnung aufgegangen war, als er sich von Freud taphysischen Urwirklichkeit ist. An diesem Punkt geht für ihn
distanzierte. der Q]aube ;n das Wissen über. Allein, man muß sehr genau be-
In der Religion, im Mythos und im Symbol findet er jene achten: Daß das zu Wissende auf eine metaphysische Wirklich-
Archetypen, die heute wie einst die Psyche des Menschen erfül- kek zurückgeht, ist für ihn nun wiederum Sache des Glaubens,
Jen und beherrschen. So ist Jungs Psychologie vollständig in vvas jn der permanenten Selbstbeschränkung auf das Empi-
einen religiösen Gesamtrahmen eingebaut. Dabei aber bemüht rische deutlich zeigt.

') Kurzfassung des auf dem 2. Wiener Ev. Theologenkogreß ge- Von diesen Voraussetzungen her wird man es Jung nicht

haltenen Sektionsreferats. verargen können, wenn er das Trinitätsdogma psychologisch