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Ausgabe: | 1965 |
Spalte: | 659-670 |
Autor/Hrsg.: | Koch, Klaus |
Titel/Untertitel: | Das Verhältnis von Exegese und Verkündigung anhand eines Chroniktextes 1965 |
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659
Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 9
660
Übersetzung „who (is) in oath" (d. h. Präp. b + 'sybh von sb'
„schwören" mit Verweis auf Dalmans 'sybt' s. v.) vorgeschlagen"-.
Ohne sich zu fragen, ob nach einem solchen — obwohl nur nominalen
— Relativsatz noch br mit der Angabe des Vaternamens syntaktisch
möglich wäre, sind sie diesem Vorschlag gefolgt. Die tatsächliche Bedeutung
dieses Wortes kann aber aus dem eben erwähnten Grunde
kein relativer Nominalsatz mit der Präp. b, sondern einfach nur ein
Titel sein: b'sybh entspricht dem pers. bäg-bän mit der sogar im
Mandäischen mehrfach bezeugten Apokopierung des finalen nHi. Für
das altpers. bägi hat G. G. Cameron"4 eine elamische Schreibung
ba-si(-is) angeführt. Eine Form b'iy wäre als ihre Kontraktion erklärbar
. Besonders die mand. Varianten hansaman, hanäamin wie
auch ihre apokopierte Form h a n s (u) m aH5 des iranischen (h)anguman
zeigen aber, daß ein südbabylonisch-aramäisches & das iranische g darzustellen
pflegte.
Der zweite Titel bl'rw wurde von den Verfassern schon ohne
Hennings Hilfe mißverstanden: „The title bl'rw is almost certainly a
Compound of Bei, the name of the divinity, with 'rw"a, Dieser Titel
ist höchstwahrscheinlich eine Zusammensetzung des bei (mand. bei,
bella „Herr") + 'rw, wobei bei aber in diesem Falle nicht die Bedeutung
einer Gottheit hat. Denn ein solcher Titel könnte überhaupt
nicht an den vorhergehenden Namen durch ein Relativwort angeknüpft
werden. Der genannte Mann selber muß ein „Herr" des 'rw sein, nicht
aber der Gott Bei. Da jedoch die Verfasser ihre Meinung a. a. O. sonst
richtig beurteilt haben: „The structure of such a [d. h. von ihnen selbst
erfundenen] Compound is, of course, utterly non-Semitic", werden sie
es dem Leser nicht verübeln dürfen, wenn er ihre angebotene Erklärung
nur verwerfen kann. Denn auch ihre Vermutung, daß 'rw aus
dem Phönizischen zu erklären sei, verdient ebenso wenig Vertrauen
wie ihre oben besprochene Inportierung palmyrenischer Namen. Das
Wort ist durch das akkad. urü „Stall" erklärbar. Deshalb kann seine
Zusammensetzung mit bei auf keinen Fall „the keeper of the altar of
Bei" heißen, wozu noch ein anderes bei notwendig wäre, sondern sie
ist als eine gute semitische Konstruktion mit der Bedeutung „Stallmeister
" durchaus verständlich.
Die Verfasser haben die Veröffentlichung weiteren, von ihrem
zweiten Besuch in Si'mbär mitgebrachten Materials versprochen (:„the
m) S. 273 f.
83) Vgl. mein „Handbook", S. 48 ff.
84) L. c, p. 43 n. 17.
S5) Drower-Macuch, Op. cit., S. 125a.
M) S. 276.
more ambitious material from the second visit being reserved for a
subsequent publication")'7. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sie dieses
„ambitiösere" Material mit besserer Unterscheidung zwischen dem
Möglichen und Unmöglichen bearbeiten würden.
Schon ein Jahrhundert nach den besprochenen Inschriften im Jahr
272 ist die Redaktion des klassischen, in der ganzen Geschichte der
Mandäer unübertroffenen Werkes der mandäischen Liturgien anzusetzen
, wie aus einem Kolophon der CP1" 98 f. (Text) hervorgeht. Der
Kopist Rämow'i bar Eqaymat, der am Anfang der muslimischen Ära,
in den Jahren des erwähnten Ethnarchen Annos bar Danqä, in Tib
gelebt hat, sagt, daß die Urkopie dieses Werkes von Zäzay d-Gawaztä
vor 368 Jahren geschrieben wurde, der sie vom Blatt des Ersten
Lebens abgeschrieben hatte. Von demselben Zäzay soll auch eine Anzahl
priesterlidier Kommentare stammen, die bis auf den heutigen Tag
in ihrer ursprünglichen Rollenform erhalten sind ". Es ist merkwürdig,
daß diese Schriften — im Gegensatz zu dem im ersten muslimischen
Jahrhundert redigierten Ginza und dem späteren Johannesbuch und
noch späteren Aslar ma'lwäsi — kein Zeichen islamischer Zeit tragen.
Die Liturgien tragen aber ein Zeichen besonders hoher Altertümlichkeit
, und viele ihrer Gesänge beweisen einen echt palästinischen Ursprung
.
Wie die Einflüsse des Mandäismus auf die elymäisch-chara-
kenische Schrift und die mittelpersischen Ideogramme''0 einerseits
und auf Mäni und den Manichäismus91 andererseits beweisen,
stellt diese ethnische und religiöse Gruppe im 2. und 3. Jh. ein
sehr starkes Element im geistlichen Leben Südbabyloniens dar.
Trotz der noch nicht bewiesenen, aber wohl richtig vermuteten
Verfolgung zur Sasanidenzeit92, wird die vorislamische Periode
noch immer als die größte Blütezeit dieser Sekte in ihren heutigen
Sitzen gelten müssen. Deshalb muß aber auch jede spätere
als meine oben erwähnte Ansetzung ihrer Einwanderung nach
Nordmesopotamien als verfehlt betrachtet werden.
87) S. 265, Anm. 1.
M) The Canonical Prayerbook of the Mandaeans, ed. E. S. Drower,
ee) Siehe meine „Anfänge der Mandäer", Kapitel: Die ältesten
mandäischen Schriften, S. 158—165.
Leiden — E. J. Brill 1959.
90) Ibid., S. 167 f.
nl) Ibid., Exkurs II: Manichäismus, S. 168—196.
82) Ibid., Kap.: Mandäismus in der Sasanidcnzeit, S. 165 ff., vgl.
auch Bammel, a. a. O.
Das Verhältnis von Exegese und Verl
Von Klaus K
Exegese ist ein zentrales Thema der Bibelwissenschaft. Nicht
aber ist Verkündigung deren Thema; Verkündigung verstanden
als die gegenwärtige Verbreitung christlicher Botschaft durch die
verschiedenartigen Lebensäußerungen christlicher Kirchen. Arten
und Weisen der Verkündigung sind vielmehr Thema der Praktischen
Theologie. Da jedoch jeder Alt- oder Neutestamentier von
der Meinung durchdrungen ist, daß sein Arbeitsgebiet von lebenswichtiger
Bedeutung für unsere GegenwaTt ist, ja, da er in der
Regel seinem eigenen Forschungsgebiet sich gar nicht zugewandt
hätte, wäre er nicht von dessen ausschlaggebender Bedeutung
überzeugt, so interessiert er sich von Zeit zu Zeit für das, was
die kirchliche Praxis aus seinen Ergebnissen macht. Der Wissenschaftler
, eingezwängt in die Strenge schulmäßiger Fachsprache,
schaut über seinen Gartenzaun hinaus und betrachtet, was andere
aus seinen Produkten machen, schaut sich nach der auf Allgemeinverständlichkeit
zielenden Popularisierung der exegetischen Ergebnisse
um. Ihm fällt auf, wo den anderen, den Praktikern,
Schwierigkeiten entstehen. Er überlegt sich, wie er solchen selbst
begegnen würde. In diesem Sinne sind meine Ausführungen gemeint
. Nicht mehr im sonntäglichen Predigtdienst stehend, rede
ich also im Blick auf die zweite Hälfte meines Themas, auf die
Verkündigung, ein wenig wie ein Laie.
Doch, um sofort einem Mißverständnis vorzubeugen, das
eben angeführte Verhältnis von fachwissenschaftlicher Forschung
und populärwissenschaftlicher Ausmünzung reicht nicht zu, das
* Ein Vortrag
indigung anhand eines Chroniktextes*
c h, Hamburg
Verhältnis vom Excgeten zum Verkündiger hinreichend zu umreißen
. Kirchliche Praxis steht zur Bibelwissenschaft nicht in
einer Abhängigkeitsbeziehung, die der einer Kohlenhandlung
zum Bergwerk unter Tage gliche. Die Predigt z. B. ist keineswegs
nur die Verlängerung der wissenschaftlichen Exegese hin
zur praktischen Exegese. Das hieße, den Geist mit dem Buchstaben
töten! Jede Predigt und jede andere Art von Verkündigung
stellen vielmehr — wenn sie recht geschehen — dem biblischen
Text gegenüber ein völlig neues Wort dar. Gewiß sind exegetische
Erkenntnisse für eine rechtschaffene Verkündigung unabdingbar
. Aber die Wendung zur Zuhörerschaft, zu jetzt lebenden
Menschen, setzt einen schöpferischen Vorgang voraus
, aus Nachdenken und Eingebung geboren, aus Umgang mit
der Gemeinde und Fingerspitzengefühl. Erst die Summe dessen
macht das aus, was die Theologie das Wirken des heiligen Geistes
nennt! Der Mann auf der Kanzel, tut er seine Aufgabe sachgemäß
, steht mit seiner Tätigkeit dem Schaffen eines Dichters näher
als dem Forschen eines Wissenschaftlers. (Umgekehrt sollte es
sich eigentlich mit dem Exegeten verhalten!) Für jemanden wie
mich, der normalerweise die Kirche als Predigthörer besucht, ist
es eine bedenkliche Beobachtung, daß manche junge Geistliche den
Mut zu solcher gottgebotenen, dichterischen Freiheit nicht finden,
sondern ängstlich am exegetischen Leitfaden kleben und den Absprung
zur Gegenwart nicht wagen. Es könnte sich langsam
herumgesprochen haben, daß der Biblizismus eine unchristliche
Erscheinung ist. Leider gibt es auch einen historisch-kritischen
Biblizismus. Den bemerkt man schlechter. Aber er ist genau so
schlimm.