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Ausgabe:

1965

Spalte:

467-468

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Böttger, Paul Christoph

Titel/Untertitel:

Calvins Institutio als Erbauungsbuch 1965

Rezensent:

Böttger, Paul Christoph

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467

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

468

Im Gegensatz zur Baugeschichte ist der folgende, der Ausstattung
gewidmete Teil der Arbeit nicht chronologisch, sondern
systematisch angeordnet. Nach einem einleitenden Kapitel über sakralen
und profanen Charakter der Synagoge werden Aronbauten, Almemor-
bauten, Gestühl, Beleuchtung, Silbergeräte und Textilien behandelt.
Da hier mehr als im Architektonischen das spezifisch Jüdische greifbar
wird, legte der Verfasser auf Vergleichsmaterial aus anderen Synagogen
besonderen Wert; gottesdienstgeschichtliche Erklärungen fehlen ebensowenig
wie ein (dem Ganzen vorangestelltes) Verzeichnis der wichtigsten
Fachausdrücke der jüdischen Kunstgeschichte.

Gleichsam die Begründung des Vorangegangenen liefert der 1 n-
schriftenteil der Arbeit. Hier werden erstmals alle erreichbaren
Inschriften der Wormser Synagoge in Wiedergabe des hebräischen
Textes, Übersetzung und Kommentierung ausführlich behandelt; unter
den 39 Inschriften befinden sich 18 Erstveröffentlichungen. Im Anschluß
an diese wertvolle Materialsammlung werden jüdische Epigraphik und
jüdische Chronologie — insbesondere die seit 1174/75 üblichen kunstvollen
Chronogramme — grundsätzlich dargestellt und an charakteristischen
Beispielen erläutert. Das Verzeichnis der benutzten Literatur allgemeiner
Art wird ergänzt durch eine Bibliographie zum
jüdischen Worms, die über 300 Titel umfaßt. Ein reicher Bildteil
liefert die unentbehrliche Dokumentation des Buches, das im Rahmen
der Festschrift zur Wiedereinweihung der Wormser Synagoge
(3. 12. 1961) bereits eine zweite, verbesserte Auflage erlebt hat.

B ö 11 g e r, P. C.: Calvins Institutio als Erbauungsbuch. Versuch einer
literarischen Analyse. Diss. Göttingen 1964. 159 S.

Der Titel der Arbeit klingt ungewöhnlich. Es sieht so aus, als solle
Calvin hier in eins der vorpietistischen Schubfächer der nachreforma-
torischen Zeit geschoben werden. Doch die Tendenz der Arbeit ist
eine andere. Es geht darum, die Grundlagen für die Erforschung der
reformatorischen Theologie durch exakte Erkenntnis der literarischen
Gattungen zu verbreitern.

Bei der Untersuchung der Institutio ging der Verf. von folgender
Beobachtung aus: Calvin hat die von ihm behandelten Lehrstücke meist
nicht nur auf ihren materialen Gehalt hin befragt, sondern in ihnen
„Mittel" gesehen, durch die Gott an uns wirken will. Calvin übernimmt
die praktisch-erzieherische Tendenz der christlichen Lehre. Er will sie
auch und gerade in dieser ihrer Dimension in seinem Buch zur Geltung
kommen lassen. Damit aber wandelt sich der literarische Charakter der
Institutio gegenüber den Summen des Mittelalters. Man kann sie als
ein katechetisches Werk, ja sogar als Erbauungsbuch ansehen, wenn man
„erbaulich" in seinem richtigen, neutestamentlichen Sinne versteht.

Wie wirkt sich das in der Struktur des Buches aus? 1536 hat sich
Calvin an die in der katechetischen Literatur vorgegebene Reihenfolge:
Dekalog, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Sakramente angeschlossen.
Dabei sind nun die einzelnen Lehrstücke nicht durch einen sachlich
theologischen Zusammenhang, sondern dadurch verbunden, daß Calvin
die innere Ordnung ihres Appliziertseins auf die praxis pietatis sichtbar
macht: Durch das Gesetz zeigt Gott uns unser Elend, durch das Symbol
den Ort, wo Hilfe zu finden ist, und durch das Vaterunser die Weise,
diese Hilfe zu erlangen (so zu Beginn des dritten Kapitels — der Einfluß
von Luthers Schrift „Eine kurze Form der zehn Gebote, eine kurze
Form des Glaubens . . ." ist offensichtlich). Dieses Gefälle der Applikation
ist es, das die Disposition der Institutio bestimmt. Im Laufe der
Entwicklung treten immer mehr Lehrstücke in diesen applikativen
Rahmen, bis 1559 die große Neuordnung nach sachlichen Gesichtspunkten
notwendig wird. Es ist nun kennzeichnend, daß 1 5 59 das — inzwischen
mehr differenzierte — applikative Schema nicht aufgegeben
wird, sondern bestehen bleibt, teils in Harmonie, teils in Spannung zu
der geschaffenen sachlichen Disposition. Das zeigt sich z. B. an der
Aufeinanderfolge der drei ersten Bücher, die der der ersten drei Kapitel
von 1536, wenn auch mit einigen Verschiebungen (II, 1—8 wären cum
grano salis noch mit dem alten ersten Kapitel zu parallelisieren), entsprechen
. Geblieben ist ferner die Tatsache, daß alle Lehren auf ihren
applikativen Skopus befragt werden. Sie sind ja nicht aus den Quellen
der Offenbarung geschöpfte menschliche Theoremata, sondern verständlich
gemachter Gehalt des Schriftwortes, der — Calvin sagt es im humanistischen
Gewand — von Gott uns zur „Erziehung" gegeben ist. Das
gilt nicht nur von den alten katechetischen „Stücken", sondern auch
von der nach sachlichen Gesichtspunkten geordneten Lehre. So kommt
es zu jenem Doppelcharakter der Institutio, ihrer gedanklichen Klarheit
und der ständigen Bezugnahme auf die Existenz der Gemeinde und
des Einzelnen, einem Schlüssel, der uns die Wucht ihrer Aussage verstehen
lassen kann.

Es würde zu weit führen, den Aufbau der einzelnen Kapitel unter
diesen Gesichtspunkten vor Augen zu führen, obwohl dies erst das Ergebnis
plastisch machen würde. Diese wenigen Einzelheiten mögen genügen
, um zu erkennen, daß Calvin nicht nur in seiner Genfer Wirksamkeit
, sondern auch in seinem dogmatischen Schaffen Diener des
Wortes und der Kirche gewesen ist. Gerade diese Dimension müßte

anhand von weiteren literarischen Analysen immer deutlicher herausgearbeitet
werden. Die gattungsgeschichtliche Forschung sollte wie in
den exegetischen Fächern, so auch hier, zu neuen Akzentsetzungen in
der Erforschung der Theologie der Reformatoren führen. Dies wäre
m. E. ein Weg, der über das gerade bei den Reformatoren so mißliche
Schema der Einteilung ihrer Gedanken, das bisher angewandt und aus
der systematischen Theologie entlehnt wurde, hinauszukommen.

de B o o r, Friedrich: Die neue Definition der Simonie bei John
Wyclif. Ein Beitrag zur Untersuchung des Zusammenhanges und der
Entwicklung der theologischen und kirchenpolitischen Grundgedanken
Wyclifs. Diss. Halle 1964. IX, 229 u. 149 S.

Die Untersuchung hat das Ziel, die neue Definition der Simonie
bei Wyclif und ihr Verhältnis zur traditionellen kirchlichen Anschauung
vom Wesen der Simonie zu klären, ihren Zusammenhang mit den
theologischen und kirchenpolitischen Grundgedanken Wyclifs nachzuweisen
und die Entwicklung seiner Auffassung in dieser Frage aufzuzeigen
.

Nach einem Überblick über die Ergebnisse der Forschung und
einer Darstellung der Geschichte des Simoniebegriffes bis Wyclif
(Teil 1) wird in einem terminologischen Vergleich zwischen der traditionellen
Formel und ihrer kritischen Umbildung in Wyclifs neuer
Definition die Auflösung der traditionellen Anschauung (Teil II) und
die Herausbildung einer neuen Auffassung (Teil III) untersucht. Dabei
ist die Arbeit in erster Linie um eine Interpretation des Wyclifschen
Traktates „De Simonia" bemüht. Zur Erläuterung der kirchlichen Formel
wird vor allem Thomas v. Aquino herangezogen. Abschließend
wird der Beitrag der Untersuchung für eine neue theologische und
theologiegeschichtliche Würdigung der Kirchenkritik Wyclifs zusammengefaßt
.

Wyclif ist Vertreter der staatlichen Partei, die am Ausgang des
Mittelalters den Vorwurf der Simonie gegen die verweltlichte Hierarchie
erhebt. In der Schärfe und Weite der Anwendung bildet seine
Kritik das genaue Gegenstück zur Verwendung des Begriffes durch die
kirchliche Partei im Investiturstreit. Doch bleibt Wyclif nicht bei der
kirchenpolitischen Umkehrung stehen, sondern kommt zu einer neuen
Definition, in der die bis dahin bestehende Verbindung mit der sakramentalen
Gnadenanschauung aufgelöst wird und erstmals religiössittliche
Motive begriffsbestimmend werden.

Die neue Auffassung hat sich bei Wyclif erst langsam herausgebildet
. Zwar sind die tragenden Grundgedanken bereits in den frühen
philosophischen Schriften nachweisbar. Doch wird der Vorwurf der
Simonie noch in den ersten Kämpfen gegen den Mißbrauch des Kirchenbesitzes
kaum, und dann im traditionellen Sinne verwandt. In den
Schriften der mittleren Zeit zeichnet sich ein Wandel der Anschauung
und des Interesses ab. Aber erst mit dem Traktat „De Simonia" rückt
der Begriff in das Zentrum der Kritik Wyclifs und wird so umgewandelt
, daß er der Polemik gegen den Kirchenbesitz und die verweltlichte
Hierarchie dienstbar gemacht werden kann. Doch tritt er in den Schriften
der Spätzeit — mit Ausnahme einiger in ihrer Echtheit fraglicher
mittelenglischer Traktate — fast vollständig zurück, weil der Streit
um den Kirchenbesitz durch die Auseinandersetzung um das Abendmahl
und den Kampf gegen die Bettelmönche abgelöst wurde.

So hat der Begriff in Wyclifs Denken nur in der mittleren,
kirchenpolitischen Epoche eine zentrale literarische und sachliche Bedeutung
gehabt. Doch kann er als Schlüssel für das Verständnis der
theologischen und kirchenpolitischen Grundanschauungen Wyclifs
dienen. Wyclifs Aussagen über die Simonie zeigen die begriffsbestimmende
Kraft des Ordnungsgedankens und des Armutsideals für
seine Kirchenkritik. Er hat diese traditionellen Ideen aus der Einfügung
in den hierarchisch-sakramentalen Kirchenbegriff gelöst, sie miteinander
verbunden und dadurch radikalisiert. So kommt es von diesen Gedanken
aus zu einer Auflösung des hierarchischen Kirchenbegriffes und
der sakramentalen Gnadenlehre. Damit hat sich Wyclif an einem entscheidenden
Punkte von dem mittelalterlichen Katholizismus gelöst.
Von daher sind die theologiegeschichtlichen Urteile der neueren deutschen
Forschung kritisch zu überprüfen.

S e 1 g e, Kurt-Victor: Apostelberuf, apostolisches Leben und apostolische
Verfassung. Die Frühgeschichte der waldensischen Pauperes
spiritu (Lyon 1177 bis Bergamo 1218). Diss. Heidelberg 1961.
505 S.

Die Arbeit wertet die von P. A. Dondaine O. P. angezeigten
neuen Quellen (2 antikatharische Traktate des Waldensers und späteren
Leiters der „Katholischen Armen" Durandus von Huesca) aus und
versucht, die Konzeption des genuinen Waldensertums, die Sonderentwicklungen
und Schismen innerhalb der Gemeinschaft und die Auseinandersetzung
mit der römischen Hierarchie bis zum Beginn der
zweiten Generation neu darzustellen. Vorangestellt ist ein Überblick