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Ausgabe:

1965

Spalte:

442-443

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Rozemond, Keetje

Titel/Untertitel:

La christologie de Saint Jean Damascène 1965

Rezensent:

Andresen, Carl

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1965 Nr. 6

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tum" dient der Abhebung des Judentums und des griechischen
Heidentums, aber auch teilweise des Judenchristentums von
Jesus und Paulus; hier ist Gebet von Zauber klar geschieden,
dort nicht. Es ist allerdings fraglich, ob man so wie L. die Benutzung
traditioneller Gebetsformen und eine konkrete Er-
hörungsgewißheit bei Bittgebeten in Richtung auf „Zauber" abwerten
darf. — Vielleicht die gewichtigste Einzelabhandlung
behandelt „die Frühgeschichte der Lehre von der göttlichen
Eingebung". Auch im AT gibt es Ansätze, aber „kräftiger und
folgerichtiger" sei die Vorstellung in Griechenland (121) von
der dionysischen Frömmigkeit her, mit Piaton und Plutarch als
Hauptinterpreten. Philo repräsentiert das zum Urchristentum hin
vermittelnde Bindeglied, die hellenistische Synagoge. Aber auch
direkte dionysische Einflüsse möchte L. annehmen (13 3). Der
folgende Beitrag „Von Übersetzungen und Übersetzern" gibt ein
interessantes Beispiel von Inspirationsbewußtsein im hellenisier-
ten Ägypten (Oxyrhynchos-Papyrus Nr. 1381).

„Der Sieg des Christentums über die Religionen der alten
Welt" wird damit erklärt, daß es im Gottesbegriff (Hoheit und
doch Nähe), in der Vergeistigung des Kults u. ä. den Wünschen
der Zeit entsprach (179), und allen andern Religionen (auch
Mysterien und Judentum) durch die lebendige Verbindung von
Religion und Sittlichkeit überlegen war. Die tief grabende Ethik
des Christentums mache es zwar den Gläubigen nicht leicht und
führe nicht schnell zu Erfolgen, aber doch auf längere Sicht. L.
meint grundsätzlich, „in der Entwicklung der Menschheit setzte
sich in der Regel, wenn nicht immer, das kulturell Wertvollere
durch" (195 f.). — Der nächste Aufsatz betrachtet „die Aufer-
■stehungsberichte vom Standpunkt der vergleichenden Religionsgeschichte
" aus. „Der Jude kennt nichts Vergleichbares" (197).
Aber auch die Sagen von sterbenden und auflebenden Göttern
können als Ganze nicht herangezogen werden. Jedoch macht L.
auf einzeln« analoge Motive aufmerksam: Das Aufleben des
Osiris am dritten Tage oder nach drei Tagen und drei Nächten,
das Suchen nach Osiris und die Freude des Findens; die romanhafte
Verarbeitung des Mythos etwa in der Entdeckung des
leeren Grabes der Kallirrhoe im Chariton-Roman; dazu die
Romulus-Sage und die Legende von der Erscheinung des abgeschiedenen
Apollonius von Tyana. Eine überlieferte Form, das
ist L.s Eindruck, zeichnet sich hier wie in den Ostergeschichten
ab. — „Die Ablösung des frühen Christentums vom Judentume"
zeichnet der nächste Beitrag; sie vollzog sich nicht gradlinig,
sondern auf zwei Vorstöße bei Jesus und dann später beim
Stephanuskreis folgten jedesmal Rückschläge, zuerst im ältesten
und anschließenden Judenchristentum, dann in der nachpaulini-
schen Heidenkirche, der werdenden katholischen Kirche. Man
findet hier manche Ausführungen des zweiten Beitrages in etwas
ausgeführterer Form wiederholt. — Vielleicht der am wenigsten
überzeugende Beitrag ist der nun anschließende „Von der altchristlichen
Taufe". Die Taufe sei „im Griechenchristentum"
„nicht nur im einzelnen umgestaltet, sondern im ganzen neu
aufgefaßt" (2 31), und dabei haben die griechischen Mysterien-
religionen eingewirkt; dies wird durch 17 Belegpunkte begründet
, während nur sechs Gegenbelege auf das Judentum weisen.
Aber dabei vergleicht L. auf jüdischer Seite mit der Proselyten-,
nur gelegentlich mit der viel gewichtigeren Johannestaufe, und
verkennt daher, daß jedenfalls im neutestamentlichen Griechen-
christentum die Taufe noch immer zentral Taufe der Umkehr zur
Vergebung der Sünden und eschatologisches Sakrament ist; und
was mit den Mysterien verglichen wird, gehört weithin in späte
Zeit und betrifft nicht die Substanz. Manche Analogie ist sehr
schwach. Sehr gewichtig ist der Hinweis auf Rom. 6, 3 ff. Aber
hier hat kein uns bekannter Mysterienrirus eingewirkt, sondern
nur eine mysterienhafte Denkweise, und auch das nicht mit
Sicherheit. Für die Gesamtthese des Bandes ist dieser Aufsatz
natürlich von entscheidendem Gewicht. — Es folgt noch ein
kleinerer Beitrag über „Religionsgeschichtliches zur Elevation der
Abendmahlselemente". Die Elevation wird aus dem Zeigen der
deiknymena bei den Mysterien abgeleitet und an einem Wandbild
aus Herculanum illustriert. Unter den drei aktualisierenden
Schlußbeiträgen steht der erste, „Jesus ist armer Leute Kind",
unter dem Thema „Arm und Reich". Die Beobachtungen zur

sozialen Struktur des frühen Christentums werden gelegentlich
theologisch ausgewertet. „Kleine Leute fühlen sich leicht als
Brüder und Schwestern... In dieser Welt der kleinen Leute
wächst Jesus auf. Es ist ihm schon von daher eine Selbstverständlichkeit
, daß tätige Nächstenliebe sein muß" (265). Im wesentlichen
aber wird ein anschauliches Material ausgebreitet. — Die
beiden folgenden Beiträge stehen unter dem Thema „Krieg und
Frieden". Unter der Überschrift „Das Bild vom Kriege in der
griechischen Welt" wird die sachliche Verwurzelung und weite
Verbreitung des Bildes im Griechentum dargestellt; griechischer
Einfluß wird überall dort angenommen, wo soldatische Bilder und
Begriffe religiös auf den Einzelnen bezogen werden, selbst im
Mithraskult. Jesus vergleicht seine Sendung mit soldatischem
Dienst, aber wohl unabhängig vom Griechentum; griechischer
Einfluß wird dagegen bei Paulus deutlich greifbar, z. B. in Rom. 7
(292). Dabei stellt L. schön heraus, daß die bildliche Rede vom
(geistigen) Kriege mit der Absage an den Krieg im wörtlichen
Sinne zusammengehört. — Das Nein zum Kriege ist nach dem
abschließenden Aufsatz „Bibel und Friedensgedanke" grundsätzlich
schon im AT ausgesprochen. Jesus lehnt für seine Sendung
und den Dienst der Jünger jede Gewaltanwendung ab. Dem folgen
die ersten Christen, wenn sie in Verfolgungszeiten eine gewaltsame
Verteidigung auch dann ablehnen, wenn sie Erfolg versprechen
könnte (328 f.). Ein Programm für die Abschaffung des
Krieges hat weder Jesus noch Paulus, weil beide auf die Entscheidungen
um Krieg und Frieden keinen Einfluß nehmen konnten
(328). Wie ein Christ handeln muß, wenn eine solche Einflußmöglichkeit
besteht, gehe aber aus der Botschaft Jesu klar
hervor (3 3 3).

Der hohe Wert dieser Veröffentlichung besteht in der anschaulichen
Darbietung eines reichen religionsgeschichtlichen
Vergleichsmaterials und in dem Beispiel intensiver Bemühung
um seine Fruchtbarmachung für Theologie und christliche
Existenz, mag man auch oft den von L. gewählten Auswertungen
mit Zweifeln begegnen. Es bleibt auch fraglich, ob dem Leser die
Gesamtschau des Buches — „Von den Mysterien zur Kirche" —
einleuchten wird. Aber er wird aus der Benutzung des Werkes
stets reichen Gewinn haben. Dafür gebührt dem inzwischen verstorbenen
Verfasser herzlicher Dank.

Leipzig Harald Hegermann

Rozcmond, Keetje: La Christologie de Saint Jean Damasccne.

Ettal: Buch-Kunstverlag 1959. IV, 117 S. gr. 8° = Studia Patristica
et Byzantina, hrsg. v. J. M. Hoeck, 8. Kart. DM 17.—.

Die Verfasserin ist „soeur de Grandchamp", Sitz einer
reformierten Schwesternschaft. Sie steht sichtlich im engen Kontakt
mit den Byzantinischen Instituten von Scheyern und Ettal,
wie ihre Ausführungen S. 46 f. und vor allem die Übersetzung
einer noch nicht veröffentlichten Palmsonntagspredigt, die ihr
P. Kotter zur Verfügung stellte, zeigen; F. Dölger folgt sie in
der Zuweisung des Barlaam und Joasaph-Roman. Am stärksten
beeinflußt zeigt sie sich von Florovsky, Die byzantinischen
Kirchenväter des 5.-8. Jhdt's (Russ. Paris 1933), auf den sie
deshalb auch besonders gern verweist. Des ungeachtet tritt sie
in dieser monographischen Untersuchung zur Christologie des
Damascenus als profilierte Theologin in Erscheinung, die in der
Interpretation des vielbehandelten Kirchenvaters ein hohes
Maß an Selbständigkeit bekundet.

Schon an dem ersten Kapitel (4—16) wird das spürbar,
welches den soteriologischen Grundzug in der Christologie
Johannes' v. Damaskus hervorhebt und darin vielleicht den
wichtigsten Forschungsbeitrag erbringt. In der Tat verleitet das
Leitbild von dem „Scholastiker", das weithin die üblichen Darstellungen
beherrscht, allzu leicht dazu, seine Christologie nach
den dogmatischen Lehrtopoi aufzugliedern, um zugleich die
scholastische Synthese bewundern zu können. Darüber wird jedoch
das soteriologische Element vergessen, das auf der einen
Seite die tiefere Wurzel solcher Synthese ist, andererseits jedoch
nicht lehrhaft gesehen werden darf, sondern in seiner religiösen
Motivik als Christusfrömmigkeit zu definieren ist. Nirgendwo
anders als gerade innerhalb seiner Christologie wird
Johannes v. D. zum Sprecher griech.-orthodoxer Frömmigkeit.