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Ausgabe:

1963

Spalte:

139-141

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Haas, Albert

Titel/Untertitel:

Die Abendmahlsgemeinschaft in der EKD 1963

Rezensent:

Kimme, August

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139

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 2

140

Haas, Albert: Die AbendmaMsgcmeinsdiaft in der EKD. Erwägungen
zum Verständnis der Arnoldshainer Thesen. München: Kaiser i960.
101 S. gr. 8° = Theologische Existenz heute. Eine Schriftenreihe,
hrsg. v. K. G. Steck u. G. Eichholz, N. F., Nr. 81. DM 5.80.

Die vorliegende Studie erweckt insofern falsche Vorstellungen
, als sie nur gelegentlich auf die der EKD noch
fehlende Abendmahlsgemeinschaft hinweist und im übrigen
thematisch von den Arnoldshainer Abendmahlssätzen von 1957
handelt. Das geschieht in einem etwas umständlichen Verfahren,
das unter einigen vermeidbaren Wiederholungen leidet. H. vollführt
gewissermaßen einen doppelten Anmarsch, ehe er die
Thesen selbst erläutert: Zunächst gibt er eine „Einleitung"
(S. 7—40). Darauf folgen neun „Vorerwägungen zu den Thesen
von Arnoldshain" (41—68), in denen bereits das eigentliche
Sachgespräch über die Thesen zum größeren Teil vorweggenommen
wird. Die abschließende Auslegung der Sätze selbst („Zum
Verständnis der Thesen", 69—97) bietet nur noch wenige Fortschritte
im Gedankengang. Der apologetische Charakter der
Schrift erhellt vollends daraus, daß sie in allen drei Teilen für
die Thesen im ganzen wie im einzelnen wirbt. Ihr geht es um
Verständlichmachung, Erläuterung und Würdigung des Abendmahlsdokuments
, weniger um eine kritische Befragung der
Sätze auf ihren Inhalt. Eine solch positive Einstellung ist H.
möglich, weil er in der Deutung des Theseninhalts sich hauptsächlich
an die Kommentare von Gollwitzer und Kreck anschließt
. Die Studie hat aber ihr eigenes Gewicht darin, daß sie
von dem eben gekennzeichneten Standort aus die theologischen
und kirchlichen Voraussetzungen eines solchen Abend-
mahlsverständnisses im Zusammenhang schildert. Dabei formuliert
H. in den strittigen Punkten pointierter als seine
Gewährsmänner. Wir können hier nur einige Spitzensätze darbieten
.

Zur Abendmahlszulassung in der EKD: „Man sollte hier nicht
vorschnell vom Sonderfall der Spendung in periculo mortis (d. h. bei
Todesgefahr) reden. Vielmehr scheint uns gerade vom Grenzfall her
die Mitte des Ganzen, vom Sonderfall her das Allgemeine deutlich zu
werden" (10). Zur neueren Abendmahlsexegese (20): ,,H. Gollwitzer
faßt als durchgängige Aussagen der Mehrzahl der Exegeten zusammen
: ,1. Die Einsetzungsworte sind nicht buchstäblich zu verstehen;

2. sie meinen keinen Empfang des natürlichen Leibes mit dem Munde;

3. die Himmelfahrt ist nach Meinung der neute6tamentlichen Schriftsteller
nicht nur ein UnSichtbarwerden, sondern ein Sich-Entfernen
Christi; 4. ein leiblidier Empfang der Ungläubigen wird auch im
Schluß von 1. Kor. 11 nicht gelehrt'" (zit. aus Coena Domini, S. X,
von 1937!) Zu Bekenntnis und Dogma: „Das Dogma ist nicht an und
für sich objektiv gültig, sondern nur im bezug auf mich, indem ich
durch das Dogma meinerseits auf die Heilige Schrift und ihre Mitte
Jesus Christus bezogen werde" (29). Im konfessionellen Luthertum
wird das Bekenntnis „zur Sicherung gegen das Wort Gottes, zur falschen
Sicherheit eines nach einem Kirchenidcal gestalteten, organolo-
gisch entwickelten, vom Bekenntnis entelcchisch geformten konfessionellen
Kirchentums, das in seinen früheren Lehraussagen irreversibel
ist, in der die Abendmahlslehre also ein für allemal festgelegt ist. —
Von hier aus führt tatsächlich kein Weg zu den Arnoldshainer Thesen
" (40). „Die Uneinigkeit in der Stellungnahme zu den Thesen ist
bei den lutherischen Theologen mit in der Zwiespältigkeit von
Luthers Aussagen zum Abendmahl begründet" (46). Der „Hiatus
zwischen dinghaft ontischer Gegenwart von Leib und Blut in den
Elementen Brot und Wein und der personalen Gegenwart des totus
Christus im Mahl als Ganzes ist von Luther so nicht empfunden
worden und in seiner Spannung unausgeglichen stehen gelassen worden
" (47). Zum überkommenen reformierten Abendmahlsverständnis:
„Das Verständnis von Brot und Wein als Zeichen, Wahrzeichen,
Pfand und Siegel genügt hier [in 1. Kor. 10 f.] nicht. Die starke
Herausstellung des ,soma'-Begriffes durch Paulus bestätigt zwar nicht
die lutherische Interpretation in Richtung des stückhaft-dinghaft-
ontisch - statisdi vorhandenen Leibes und Blutes Christi, charakterisiert
aber die reformierte Interpretation in ihrer Zurückhaltung hinsichtlich
der leibhaften Aussagen als ungenügend" (55). „In Richtung
dieser möglichen Zuspitzungen reformierter Abendmahlsichre: .Spiritualismus
', .Rationalismus' und .Psvchologismus' werden die Arnoldshainer
Thesen der reformierten Theologie manchen Riegel warnend
vorzuschieben haben" (59). Gegen Sommerlath: „Ein dinghafter Anbruch
des Eschaton, eine dinghafte Wiederkunft des Herrn — und
wäre es auch nur eine anbruchsweise — ist ein Unding in sich
•elbst!" (75). „Solche Sätze und Formulierunren, wie: Jesus Christus
als primus causator eines Substrates in Gestalt einer res, nämlich des
Leibes und de« Blutes Christi, sollten in einer evangelischen Abendmahlsichre
nicht vorkommen. Sie sind nur darum möglich, weil hier

in einer anthropozentrischen Dialektik in der Entgegensetzung von
Person und Sache schließlich doch innerhalb des Subjekt-Objekt-
Schemas verblieben wird, weil letztlich in diesem Denk-Schema das
trinitarische Geschehen der Offenbarung Gottes in Jesus Christus nicht
,sadi -gemäß wiedergegeben werden kann. Hier wird die dritte Person
der Trinität in einer gröblichen Weise mißachtet. Ist der heilige Geist
weniger real als das Substrat von Leib und Blut, dann muß man zu
solch ungeistlichen Ersatzlösungen auch in Richtung der Eschatologie
kommen" (76). Zur zentralen These IV: „Dieses Verständnis des
Sichgebens und Empfangens Jesu Christi ist nicht das Ergebnis einer
Kombination der lutherischen und reformierten Auffassungen unter
Weglassung des Entgegenstehenden. Vielmehr fanden sich Lutheraner
und Reformierte unter dem zwingenden Eindruck der modernen Exegese
: ,Es muß 6ich bei jeder Lehre vom Abendmahl bewähren, daß
Christus in Person die Gabe ist' [Schniewind, in: Abendmahlsgesprädi.
S. 17]. Es ist eine exegetische Erkenntnis, daß der Anteil am Leibe
Jesu Christi immer auch Anteil an der Gemeinde als dem Leibe Jesu
Christi (Paulus!) ist. In diesem Sinne hat aber nur der Glaube Anteil
an Jesus Christus. Damit ist von der Exegese her eine echte Korrektur
der dogmatischen Reflexion in der Richtung erfolgt, daß über die
reformierte Auffassung hinaus Jesus Christus sich wirklich gibt, zugleich
aber wird in der Beschränkung des Empfangs auf die Glaubenden
die manducatio impiorum abgewiesen, wie auch die Gefahr vermieden
wird, im reformierten Sinne auf die subjektive Gläubigkeit
zu reflektieren" (86). Zum Ganzen: „Wer sich als Kirche und als
Einzelner auf den Boden dieser Sätze stellt, wird sich der Abendmahlsgemeinschaft
der EKD auf die Dauer nicht nur nicht widersetzen
dürfen, sondern wird sie fördern müssen" (97).

Eine Beurteilung der vorliegenden Untersuchung fällt nicht
ganz leicht. In einer größeren Anzahl von Einzelfragen wären
Korrekturen teils nötig, teils möglich. Nur das als Beleg
zitierte Wort von K. G. Steck sei erwähnt: „ ,Es spricht viel
für die radikale These des Konvertiten Oskar Bauhofer, Konfession
sei von Anfang an Kirche unter dem Aspekt des Säku-
lum, von der Welt her gesehen, z.B. als öffentlich-rechtliche
Institution. Ja, man könnte sogar sagen, daß die Konfession,
jede Konfession eine Schöpfung des Staates ist, weil eben erst
das staatliche Recht die Kirche zur Konfession macht' " (34).
Ist hier nicht eine scharfsinnige Beobachtung so überspitzt, daß
diese Übertreibung sich selbst widerlegt?

Dem reformierten Verfasser ist es m. E. gelungen, die
Abendmahlslehre seiner Kirche kritisch zu 6chen und exegetisch
aufzulockern. Daß er in seiner breit ausgeführten Kritik
am konfessionellen Luthertum und an Luther nicht zu einem
vollen Verständnis seines Gegenübers gelangt ist, erklärt sich
zum Teil daraus, daß er mit Fleiß fast nur die kritischen Lirteile
zusammengetragen hat. Man könnte leicht eine Gegenrechnung
vom Consensus Tigurinus bis Heppe aufstellen, die nodi negativer
ausfiele. Konfessionelle Polemik im deutschen Protestantismus
kann etwas Förderlidies sein, nur möchte sie dem Partner
auch gerecht werden.

Da Haas* Streitschrift eigentlich eine Apologie der „neueren
Exegese", genauer der „kerygmatischen" Theologie sein
will, sei noch auf seine Lösung eines Fundamentalproblems der
Abenrlmahlsexegese eingegangen. „Wenn das Faktum des Mahles
als solches nicht bestritten wird, die Einsetzungsworte seitens
der Gemeinde hinzugefügte sachrichtige Interpretation
sind, so steht uns das Mahl einerseits als das Mahl des für uns
in den Tod gegebenen Herrn fest, der andererseits in den
Einsetzungsworten durch seine Gemeinde zu uns als der Erhöhte
redet" (71). „Hier schockiert sein, hieße über dem historischen
Jesus von damals den gegenwärtigen Jesus Christus von
heute vergessen. Es hieße zuletzt, den Heiligen Geist nicht
ernstnehmen, der in der Gemeinde und ihrem Zeugnis wirksam
ist und seinen Ausgang vom Vater und vom Sohne
nimmt" (72). Ähnelt das nicht dem römisch-katholischen
„Glaubenssinn" der Kirche, aus dem unter Leitung des HI. Geistes
durch Konvenienzschlü6se neue Glaubenssätze als Entfaltung
biblischer Wahrheiten abgeleitet werden? Weiter, wenn
exegetisch erwiesen wäre, daß die Einsetzungsworte aus
dem „Glaubenssinn" der Urkirche stammen, müßte dies für die
methodisch strenge Exegese im Protestantismus nicht erhebliche
Folgen haben (man vgl. nur die „frühkatholischen" Partien des
NT)? Eine solche Konsequenz und Llnvoreingenommenheit läßt
aber in diesen Punkten die „kerygmatische" Exegese noch nicht
erkennen. Schließlich, ist mit exegetischen Mitteln be-