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Ausgabe:

1963

Spalte:

259-261

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Register 1963

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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259

Theologische Literaturzeitung 8 8. Jahrgang 1963 Nr. 4

260

ja wohl nicht sein", 109). Greift sie zu Aussagen aus der Vergangenheit
, so muß sie die Wirklichkeit der Auferstehung Jesu
nachweisen. Aber an diesem Punkt sind historisch geschulte
Leute ja am verblendetsten.

Es wird also nicht ohne handgreifliche Maßnahmen abgehen
, denen dieses massive Dekret vorausging.

Der andere Weg ist der Rekurs auf das Wunder. Inwiefern
kann ein Wunder historisch gesehen beweiskräftig sein? Das
Wunder ist beweiskräftig, wenn es Folgen hat, deren Notwendigkeit
ihrerseits einsichtig gemacht werden kann. Das
scheint auf denjenigen Begriff der Offenbarung zuzutreffen,
den die Verf. vertreten. Offenbarung Gottes ist dann für den,
der sie beweisen will, geschichtskräftiger „Erweis", weil Gott
Gott bleibt, aber in der Geschichte „wirklich" anwesend sein
will. Die in diesem Fall zur Geschichte gehörende Notwendigkeit
muß entsprechend einem derartigen Denkansatz einer umfassenden
Notwendigkeit entsprechen, die es erlaubt, ja gebietet
, von einem „Selbsterweis" Gottes in der Geschichte zu
reden. Mag irgendeine Geschichtsideologie ebenfalls von geschichtlicher
Notwendigkeit reden — diese „theologische" Geschichtsauffassung
unterscheidet sich von einer außerchristlichen
dadurch, daß alles in einem Wunder festgemacht ist. In diesem
Gedankengang stimmen mindestens Pannenberg, Wilckens und
T. Rendtorff überein.

Die Frage ist nun aber die, ob das Wunder seinerseits bleibt,
was es ist, wenn man es in einen Zusammenhang anderer Art
(in welchem auch die Verf. „Kontinuität" als Strukturmoment
ansetzen!) hereinnimmt, es sei denn, man denke sich das Wunder
ak das Ereignis einer Art innergeschichtlicher Explosion, deren
Grund natürlich „tiefer" läge als der das Wunder umgebende
und von ihm beeinflußte innergeschichtliche Zusammenhang
z. B. der Zeit Jesu. Nur die Verständnisbedingungen des Wunders
müßten bereitliegen. Nun, das Heft statuiert die Aufer-
weckung Jesu als „Prolepse" der Auferstehung der Toten (von
der das Judentum sprach) und behauptet damit ein „Wissen
von der Auferstehung Jesu", wie Wilckens sagt (64). Dafür
scheint ja nun 1. Kor. 15, 1—11 gutzustehen. Dennoch beginnt
mit diesem urchristlichen Wissen (das sich W. aneignet)
eine ungemein spannende Problematik der Geschichte des Urchristentums
. Zwar gilt: die heidenchristliche Kirche hat „damit
im entscheidenden Ansatz den heilsgeschichtlichen Vorstellungszusammenhang
der jüdischen Apokalyptik als ihre Mitgift
bekommen" (64). Aber die Denkvoraussetzungen der Europäer
waren doch andere. Es entstand das immer neu zu lösende
Problem, wie Vergangenheit (Jesu Christi), Gegenwart (der
Kirche) und Ende (Totenauferstehung) miteinander in Beziehung
gesetzt werden sollten. Dementsprechend gehen schon die
nt.lichen Schriften auseinander, wenn man nicht die lukanische
Konzeption als Musterbeispiel der Zusammenschau ansehen
will. Im Grunde steht die Sache so: ohne jüdische Apokalyptik
kein Verständnis der auferstandenen Person Jesu; ohne die auferstandene
Person Jesu kein universales Verständnis der Geschichte
. Die geschichtliche Wirklichkeit und Jesu Person korrespondieren
also miteinander — eins hat vom andern etwas anzunehmen
, das Wunder von der Geschichte, die Geschichte vom
Wunder (der Auferstehung Jesu). Kurz, die Geschichte ist sich
in der Person Jesu sozusagen zuvorgekommen (65; P. 101. 104).
Daher — so muß man folgern — ist die Geschichte eigentlich
Heilsgeschichte (W. neigt in der Tat der lukanischen Theologie
zu).

Ich wundere mich, daß nicht wenigstens Wilckens den ideologischen
Charakter dieses „theologischen Geschichtsverständnisses
durchschaut. Er müßte sich doch fragen, inwiefern der lukanische
Entwurf die anderen theologischen Konzeptionen verdirbt
! Dem kann man doch nicht mit P. ausweichen, indem man
ein dialektisches Spiel mit den Bällen „Verheißung", „Weisung",
„Kerygma" (Bericht!) veranstaltet (112) und dazu noch das
Ventil des „Symbols" einbaut. Das Unternehmen — sofern es
auf das Programm der Geschichte selbst rekurriert, wird es freilich
kein Programm sein wollen — ist gegen seinen eigenen
ideologischen Charakter starblind. An der Bibel orientierte
Theologie ist in der Tat nicht Religionswissenschaft. Aber sie
rutscht in die Ideologie ab, sobald sie den historischen Aporien
nicht mehr standhält, die infolge der historisch-kritischen Analyse
der Texte ja nicht abgeleugnet werden können. Worin
unterscheidet sich denn die Gruppe etwa von einer Soziologie,
die es 6ich leisten kann, ebenfalls auf Jesu Person und ihr Geschick
zu achten, sobald sich herausgestellt hat, daß das Urchristentum
historisch gesehen eine Art wunderbarer „Urgeschichte
" geblieben ist, der gegenüber die Kirche fortgesetzt
neue theologische Denkanstrengungen machen mußte, wie sie
sich schon in den nt.lichen Theologien abzeichnen (Paulus, Hcbr,
Joh)? Wo bleibt weiter die Auseinandersetzung mit O. Cull-
mann, der Ähnliches, aber differenzierter, vorgetragen hat?

Das ideologische Ergebnis heißt also: Offenbarung a I s
Geschichte! Geschichte ist nun infolge ihrer inneren Struktur
Heilsgeschichte. Dann wäre die Offenbarung Gottes eine Wirklichkeit
dialektischer Bewegungen? Aber leider — oder sagen wir
lieber: erfreulicherweise — kann man die Bewegungen der geschichtlichen
Wirklichkeit nicht streng dialektisch aufeinander
zuordnen. Das hat im Falle des Urchristentums und der frühkatholischen
Kirche die Forschung seit bzw. nach Baur klar
genug erwiesen. Die Diskontinuitäten sind zu evident, die
Kontinuität bleibt brüchig. Die Gruppe sollte dahinterkommen,
daß die Zirkelstruktur zwischen Tatsache und Deutung nicht
durch so verwaschene Begriffe wie „Sprache der Tatsachen" (100)
aus dem Denken ausgeschaltet werden kann. Wohl aber ist es
eine systematische Aufgabe, die Möglichkeiten von Zirkelstrukturen
selber zu eruieren. Worin gründet z. B. der Zirkel
zwischen Wort und Glaube? Endlich: An welche Bedingungen
ist denn der Begriff ,,Wirklichkeit" gebunden? Oder der Begriff
der „Tatsache"? Und der des „Umgreifenden", des „Ganzen"?
Es ist 6chon recht, wenn Exegeten und Systcmatikcr zusammen
arbeiten. Aber sie sollten, wenn die Beziehung fruchtbar werden
soll, einander Schwierigkeiten machen, wenn sie schon von
„Bedingung der Möglichkeit" u. dgl. mehr reden wollen. Mit
irgendeinem „Kalkül" ist in diesen Fragen niemand gedient.
Ein Kritiker wirft der Gruppe vor, sie habe die Theologie auf
das Niveau des homo religiosus heruntergeschraubt. Das kann
ich nicht finden. Ich finde aber allerdings, daß jeder Anlaß zum
Glauben selber fehlt, wenn die Gruppe Recht hat. Wozu brauche
ich den Glauben, wenn die Wahrscheinlichkeitsrechnung gilt,
die Wilckens und Pannenberg hier aufmachen: die Vergangenheit
begründe ein Vertrauen zur Zukunft! Ich finde, die Vergangenheit
jedenfalls der Geschichte, von welcher wir herkommen
, begründet weit eher kein Vertrauen zu irgendeiner
Zukunft. Wenn Wilckens Recht hat. dann lohnt es eich nicht
mehr, das Neue Testament zu pflegen. Wir werden also schon
etwas „wissen" müssen. Wir werden wissen müssen, warum wir
die Fragen anders ansetzen als das die Gruppe tut, nicht ideologisch
, sondern allerdings theologisch. Daß man das kann, dafür
hat W. Zimmerli in seiner Kritik an R. Rendtorff ein ansprechendes
Beispiel gegeben. Denn diese Texte sind eben nicht
ideologisch zu bewältigen.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Kirchenlexikon, Evangelisches. Kirchlich - theologisches Handwörterbuch
. Hrsg. v. H. Brunotte und O. Weber. Register.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1961]. V S., 924 Sp. 4°. Lw.
DM 34.-; Hldr. DM 38.-.

Ein mehrbändiges wissenschaftliches Handbuch ist ohne
einen Registerband unvollständig. Nachdem er jetzt für das
Evangelische Kirchenlexikon vorliegt, drängt 6ich das Urteil

auf, daß er sich als besonders nützlich, ja als unentbehrlich erweisen
wird. Wer mit dem EKL umgeht, weiß, daß die Raumbeschränkung
auf drei starke Bände die Verlegung des Schwergewichtes
in die Hauptartikel erzwang und die Beschränkung
der Nebenartikel. Die notwendige Folge war die relativ niedrige
Zahl der Stichwörter. Die in der Anlage des Werkes begründete
Eigenart wird jetzt durch das Sachregister ergänzt, in
dem mehr als 10000 Stichwörter und Begriffe erscheinen, die
zu den etwa 3000 Artikeln des Lexikons hinführen. Die Kreuz-