Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1963

Spalte:

231-233

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Berkouwer, Gerrit C.

Titel/Untertitel:

De verkiezing Gods 1963

Rezensent:

Jacobs, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

231

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 3

232

liches Namenregister und ein umfassendes systematisches Sachregister
schließen den Band ab.

Die Beurteilung dieses zweiten Bandes kann unter vier
Gesichtspunkten erfolgen. Der erste ist die Zweckmäßigkeit
einer solchen Sammlung überhaupt. Das Urteil darüber ist einerseits
vom subjektiven Bedürfnis des Lesers abhängig, andern-
teils vom glücklichen Griff der Auswahl. Wieweit die Auswahl
der Autoren und ihre Gruppierung vom Glück begünstigt gewesen
ist, darüber möchte ich das Urteil nach meinem Bericht
dem Leser der Anzeige selbst überlassen. Ich bestreite indessen
nicht, daß, die Autorenwahl einmal zugestanden, die Texte
schon einen Einblick in die Interessen und Tendenzen der zeitgenössischen
Theologie geben. Bei den heute sich in alle Breiten
ergießenden literarischen Aussagen ist es ja nicht leicht,
den modernen Büchern prägnante Aussagen abzuzwingen. Ein
drittes Problem ist die Proportion der Referate. Gogarten, der
im Bd. I mit 3 Seiten vertreten war, hat 5 Seiten eingeräumt
erhalten, U. Neuenschwander 30, W. Koehler 34. Hirsch, im
I. Bd. mit 1 Seite vertreten, hat nunmehr 5, v. Loewenich hingegen
15, Lackmann 14 Seiten. Das mag genügen. Daß verschiedene
Theologen sowohl im I. wie auch im II. Band vertreten
sind, was durch die in der angegebenen Jahreszahl bedingte
Zäsur begründet werden dürfte, das stört das Gesamtbild. Den
vierten Gesichtspunkt einer möglichen Beurteilung, den der
gegenwartsgeschichtlichen Zuordnung der heutigen Theologen in
einzelne Gruppen, möchte ich nur nennen, ohne ihn nach meiner
Darstellung noch einmal besonders zu erörtern. Ich möchte
nicht schließen, ohne zu bekennen, daß mir die Einschätzung
der sachlichen Gewichte in der heutigen Theologie durch den
Herausgeber nach wie vor rätselhaft ist.

Göttingen Wolfgang Trillhaas

Berkouwer, G. C, Dr.: De Verkiezing Gods. Kampen: Kok

1955. 414 S. gr. 8° = Dogmatische Studien. Lw. hfl. 11.75.
- Divine Elecrion. Transl. by H. Bekker. Grand Rapids/Mich.:
Eerdmans [i960]. 336 S. 8° = Studies in Dogmatics. Lw. $ 4.50.
Der Systematiker der reformierten (freien) Kirche der
Niederlande (Gereformeerde Kerk) und Professor an der Theologischen
Fakultät der Freien Universität in Amsterdam ist über
den Kreis seiner Kirche in den Niederlanden und von den dieser
Kirche abhängigen Gebieten in den USA und Südafrika
hinaus in der theologischen Welt bekannt geworden durch sein
Buch „Triumph der Gnade", die Auseinandersetzung mit Karl
Barth. Dieses Buch bedeutet zugleich ein Ereignis für die Reformierte
Kirche der Niederlande, indem hier der Vorstoß von
einer rein negativen Kritik an Barth zu einer konstruktiven, in
wesentlichen Punkten bejahenden Erschließung der Barthschen
Theologe gewagt wurde. Zugleich stellt dieses Buch — bis zum
heutigen Tage! — die einzige umfassende kritische Behandlung
der Theologie Barths auf protestantischem Boden dar und steht
»o in einer Reihe mit der kritischen Arbeit aus der katholischen
Theologie von Urs von Balthasar, während sich das Buch von
Küng bekanntlich nur dem Theologumenon der Rechtfertigung
widmet.

Wer sich an eine kritische Auseinandersetzung mit Barth
wagt, wird mit der Prädestinationslehre in Geschichte und
Gegenwart vertraut sein müssen. Denn wie Urs von Balthasar
mit Recht festgestellt hat, liegt in der Barthschen Fassung der
Prädestinationslehre, d.h. speziell in der dialektisch und christo-
logisch verstandenen Verwerfungslehre, nicht nur das absolut
Neue der Barthschen Konzeption innerhalb der gesamten Geschichte
der Prädestinationslehre, sondern auch der Angelpunkt
der Barthschen Theologie. So ist es nicht von ungefähr, daß
auch rein formal gesehen die Barthsche Prädestinationslehre in
ihren über 500 Seiten zum Teil im Kleindruck bisher das umfangreichste
Werk über die Prädestination darstellt. Wie das
vorliegende Buch B.s zeigt, ist der holländische Theologe nach
einer gründlichen Durchdenkung der Prädestinationslehre in
biblischer, dogmengeschichtlicher und systematischer Beziehung
zur Auseinandersetzung mit Barth angetreten.

In zehn „Hauptstücken" — Calvin hatte schon einmal „in
zehn Büchern an Pighius" die Prädestinationslehre behandeltl —
bewältigte B. den umfangreichen Stoff. Nach einer Besinnung

über die Grenzen des Problems (I), nach einer dogmengeschichtlichen
„Perspektive" (II) wendet sich B. der systematischen Behandlung
zu, indem er Erwählung und Willkür (III), Erwählung
und Verborgenheit (IV), Erwählung und Verwerfung (VI), Erwählung
und Verkündigung (VII), Supralapsarismus und Infral-
apsarismus (VIII), Erwählung und Heilsgewißheit (IX) einander
gegenübergestellt und schließlich sich mit dem großen Mißverständnis
(X), dem Ärgernis der Erwählungslehre, befaßt.
In der Mitte dieser zehn Hauptstücke steht da nicht etwa in
gleichlaufender Gegenüberstellung Erwählung und Christus, sondern
in thetischer Behandlung das Hauptstück Erwählung in
Christus (V).

Der Verfasser wendet sich hier wie in seinen anderen Büchern
, die mit diesem Buch in der Reihe „Dogmatische Studien"
erschienen sind, an einen doppelten Leserkreis, an die Theologenschaft
wie an die interessierte Gemeinde, die sogenannten
Laien. Dies erscheint in Ländern deutscher Zunge erstaunlich,
nahezu unglaublich. Indessen ist das niederländische Volk bi«
zur Gegenwart weithin nicht nur biblisch, sondern geradezu
dogmatisch und dogmengeschichtlich interessiert und geschult.
Ein Blick in die Programme des niederländischen Rundfunks mit
ihren immer wiederkehrenden zentralsystematischen Themen
beweist das auch dem Außenstehenden. Das erfordert allerdings,
daß sich der niederländische Dogmatiker einer breiten biblischen
Grundlegung nicht entziehen darf, sondern das biblische Zeugnis
in exegetischer Breite zu bieten hat und dies in einem
Tenor des persönlichen Bekennens! Nur unter dieser Voraussetzung
ist einem theologischen Buch in dem relativ beschränkten
Sprachbereich auch die vom Verlag notwendig verlangte
Leserzahl garantiert.

Seit den Tagen der ersten großen ökumenischen Begegnung
auf europäischem Boden, der Dordrechter Synode von 1618,
und erneut seit dem Wirken des holländischen Theologen und
Staatsmanns Abraham Kuyper ist das Volk der Niederlande an
theologischen Lehrfragen so sehr interessiert, daß in ihnen die
Entscheidungen fallen, die für die Existenz des Volksganzen
ausschlaggebend sind. B.s Buch will ein Buch für die Kirche,
speziell für die Gemeinde, für den protestantischen Teil seines
Volkes sein.

„Wer 6ich anschickt, auf das Bekenntnis der christlichen
Kirche bezüglich der Erwählung Gottes sich zu besinnen, muß
von Anfang an davon durchdrungen sein, daß er fortlaufend
von einer Zahl von Gefahren umringt wird . . . Diese Gefahren
sind aber nicht von rein theoretischer Art, sondern sie berühren
direkt die ganze Glaubenspraxis der Gemeinde" (5). „Wer nicht
ganz der Fragen unkundig ist, die in einer langen Geschichte
aufgekommen sind und der Gefahren, die die Lehre der Erwählung
begleiteten, wird verstehen, daß wir zuerst unsere Aufmerksamkeit
auf zwei Fragen richten müssen, die in der Besinnung
über die Erwählungslehre immer wieder viele Gedanken
bestimmt haben . . . Zunächst hat die Frage viele beschäftigt,
ob wir angesichts des erwählenden Gottes nicht in Konflikt
kommen mit der Willkür in Gott selbst. Und wenn diese Frage
- außerhalb, am Rande der Kirche und Theologie — unkundig
beantwortet wird, dann erhebt sich die andere Frage nach dem
Verhältnis zwischen Erwählung und Verborgenheit . . . Angesichts
dieser beiden Wege werden wir uns dann bemühen zu
fragen, was wohl das Zentrum und das Geheimnis der biblischen
Botschaft der Erwählung genannt werden kann: die Erwählung
in Christus" (55). „Während die Idee der Willkür das
Menschenleben in das Meer der Willkür stürzt, befreit Gottes
Barmherzigkeit zu Festigkeit und Vertrauen" (111).

Ausgangspunkt, Zielpunkt und Mitte der Erwählung ist
die Erwählung in Christus. Nur wenn die Erwählungslehre
christozentrisch gefaßt wird, gewinnt man den legitimen Maßstab
für die Beurteilung der dogmengeschichtlichen Entwicklung
und die Erkenntnis des Unterschiedes zwischen philosophischer
Determination und biblischer Gnadenwahl. „Dabei ist es nun
nicht möglich, die Erwählung Gottes und die Offenbarung in
Jesus Christus auch nur einen Augenblick voneinander gelöst
zu denken, als ob wir über die Erwählung nachdenken könnten
, ohne auf Christus zu 6chauen" (150). „Um dieser Unmöglichkeit
willen ist Jesus Christus wahrlich der Spiegel der