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1963

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 3

216

tionsgeschichtlichen Erstlingsschrift eine unentbehrliche Grundlage
geschaffen für die künftigen Historiographen der Konstanzer
Reformation, deren Einzigartigkeit vom Verf. treffend
gekennzeichnet wurde.

Marburg/Lahn Ekkehart Fabian

Lara, Dioni6io de: Richard Hooker's Concept of Law.

Anglican Theological Review 44, 1962 S. 380—389.
Lau, Franz: Zweifel um den 31. Oktober 1517.

Lutherische Monatshefte 1, 1962 S. 459—463.
Müller-Streisand, Rosemarie: Zur Rezeption Augustins bei

Luther.

Evangelische Theologie 22, 1962 S. 602—615.

KIRCHEN- UND KON FESSIONS KÜNDE

Lackmann, Max: Credo Ecclesiam catholicam. Evangelisches Bekenntnis
gegen den Protestantismus. Graz: Styria [i960], XX, 616 S.
8°. Lw. DM 3 5.-.

Lackmanns neues Buch setzt sich aus zwei Teilen zusammen
. Die erste Hälfte ist eine scharfe Absage an unsere evangelischen
Kirchen (S. 3—235). Nachdem Lackmanns „Hilferuf aus
der Kirche für die Kirche" nicht gehört sei, fordert er mit dieser
Schrift alle evangelischen Christen und Gemeinden auf, das
„Gehäuse" ihres Kirchcntums zu verlassen und sich der römisch
-katholischen Kirche anzugliedern.

In dem zweiten Abschnitt (S. 239—597) hat Lackmann als
eine Art Handreichung für diesen Schritt aus evangelisch-lutherischen
und römisch - katholischen Quellen Aussagen über die
wichtigsten Lehren der Kirche von der Schöpfung der Welt bis
zum Gericht am Ende der Tage zusammengestellt. Das Schwergewicht
liegt auf den Ausführungen über die (7) Sakramente;
auch die Gebetspraxis ist nicht vergessen. Eingeleitet wird die
Zusammenstellung durch die drei gemeinsamen Glaubensbekenntnisse
, das Apostolicum, Nizänum und Athanasianum
wie durch Luthers Glaubenslied.

Für die „lutherische" Seite hält Lackmann sich an die
Bekenntnisschriften, denen jedoch die antirömischen Zähne gezogen
sind, vor allem die eindeutigen Aussagen der Schmalkal-
dischen Artikel sind unterdrückt. Sodann zieht er das Evangelische
Kirchengesangbuch und den Band I der Agende für
evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden heran. Die
Lehraussagen werden jeweils eingeleitet durch ausführliche lateinische
Zitate aus den Loci theologici Johann Gerhards; hierdurch
möchte Lackmann den römisch-katholischen Theologen
den Zugang zu den lutherischen Stimmen erleichtern und zugleich
die evangelischen Lehraussagen orthodox-scholastisch
ausrichten. Die römisch-katholische Stimme kommt zu Wort
aus den Dekreten und Canones des Trienter Konzils und dem
Katholischen Katechismus der Bistümer Deutschlands.

Diese gewiß einseitige und begrenzte Sammlung der verbindlichen
Lehraussagen und lebendigen Glaubenszeugnisse der
evangelischen wie der römisch-katholischen Christenheit ist
das Beste an Lackmanns Buch. Diese Zusammenstellung zeigt
uns, welche weithin ungehobenen Schätze in unseren Bekenntnissen
wie in unserem Gesangbuch schlummern, und schenkt
uns einen guten Einblick in den Katechismus des modernen
Katholiken; zugleich eröffnet sie den römischen Gläubigen einen
Zugang zu unserer Frömmigkeit und unserem Bekenntnis.
Hilfreich wäre es gewesen, wenn nicht allein die Abschnitte aus
Gerhards Loci und die Lieder aus dem EKG, sondern auch die
Zitate aus den lutherischen Bekenntnissen und den Trienter
Entscheidungen genau nachgewiesen wären. So ist der Leser,
der in diesen Schriften nicht zu Hause ist, Lackmanns Auswahl
und deren Tendenz preisgegeben; den Zusammenhang der Zitate
kann er nur schwer nachprüfen. Jedoch tritt Lackmanns Intention
im ersten Teil so schroff heraus, daß ein kritischer
Leser auch ohne genauere Kenntnis der Quellen den einseitigen
Blickwinkel erkennen und in Rechnung stellen wird. Zudem ist
die Quellenzusammenstellung evangelischer als es die Ausführungen
Lackmanns sind.

Die Stoßkraft dieses Buches liegt jedoch in dem ersten
Teil, in der Absage Lackmanns an den Protestantismus und

seiner Zusage an die Katholizität. Um Mißverständnisse aus
dem Wege zu räumen, muß betont werden, daß Lackmann in
dieser Schrift nicht mehr für den Kreis der Sammlung spricht.
Er hat sich von Asmussen, Fincke und Lehmann geschieden und
einen „Bund für evangelisch-katholische Wiedervereinigung'
gegründet. Jedoch kann nicht geleugnet werden, daß er mit
diesem Schritt eine Folgerung aus demjenigen zog, was sich in
den 12 Thesen der Sammlung vom 16. März 1957 andeutete.
Sind diese doch bereits der Ansicht, „die römisch-katholische
Kirche bedürfe im wesentlichen nur einer Reform, die lutherische
Kirche dagegen einer Reformation". (So faßt der Theologische
Ausschuß der VELKD in seiner Stellungnahme vom 5. August
1961 die Tendenz dieser Thesen zusammen; die 12 Thesen wie
diese Stellungnahme sind abgedruckt im Informationsblatt für
die Gemeinden in den niederdt. luth. Landeskirchen, 1961,
Nr. 17/18, S. 282—286). Jetzt stößt Lackmann in der eingeschlagenen
Richtung weiter vor. Er ruft die evangelischen Christen
auf, ihre protestantischen Kirchenkörper zu verlassen und
sich zu evangelischen Gemeinschaften zusammenzuschließen,
„die zielstrebig darauf ausgehen, ihre evangelische Christenexistenz
eines Tages als eine katholische Kirchen-Gemeinschaft
innerhalb der römisch-katholischen Kirche zu verwirklichen"
(S. 195). Kirchenrechtlich gesehen, könnten die Unionen Roms
mit einigen östlichen Gemeinschaften zum Vorbild dienen.

Lackmanns quasi-prophetischer Aufruf gründet in der schon
vom Kardinal Newman in dessen Apologia pro vita sua aus-
geprochenen Alternative, „daß es in der wahren Philosophie
kein Mittelding zwischen Atheismus und Katholizität" gäbe.
Auch für Lackmann bleiben „nur zwei Möglichkeiten: der Weg
nach Rom oder in den Atheismus" (S. 229). Um sich und seinen
Lesern diese Alternative überzeugend zu gestalten, treibt
Lackmann die angeblich auf den Atheismus hindrängende
Selb6tauflösung evangelischen Kirchentums unter dem Stichwort
„Protestantismus" bis in die reformatorischen Anfänge selber
vor. Die liberalen Stimmen sind ihm Wasser auf seine Mühle.
Dagegen wendet er sich scharf gegen Theologen wie Prcnter,
die zwischen dem Alt- und dem Neuprotestantismus unterscheiden
möchten. Liegt ihm doch alles daran zu zeigen, daß vom
ersten Anfang an der Tod im Topf saß. Mit Lortz 6ieht er in
Luthers Kampf gegen die Schwärmer eine Inkonsequenz, rebellierte
doch in dem Reformator selber das „christlich autonome
Ich gegen das Katholon der Kirche" (S. 8 5). Lackmanns Ausführungen
6ind ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie die
römisch-katholische Kritik an der Reformation einen „evangelischen
Theologen" überwältigte und aus seiner Bahn warf. Sie
vermochte dies jedoch nur — und das dürfte das eigentlich
Bedenkenswerte an dem Phänomen Lackmann sein —, weil in
und hinter ihr die Wucht des Protestantismus in seiner idealistischen
Gestalt steht. Der Hinweis auf diese unterschwelligen
Einwirkungen sei hier in die Darstellung hineingewoben.

Mit der Aufklärung und dem Idealismus möchte Lackmann
die Reformation aus deren „Grundprinzipien" heraus deuten.
Mit Congar und Sartory nimmt er dabei primär Anstoß an
Luthers sogenannter Lehre von der Alleinwirksamkeit Gottes
(etwa S. 18. 213). In dieser „Nihilisierung des Geschöpfes"
(S. 19) verschwände das Humanuni wie das Kreatürliche überhaupt
. Schon in der Christologie verlasse Luther den Boden des
Chalcedonense (S. 54 ff.); das freie Mitwirken der Menschennatur
zu unserem Heil würde verdrängt durch das Starren auf
das opus Dei. Dasselbe gelte für die „göttliche humanitas" der
Kirche (S. 62) wie für die Einbeziehung des Menschen in Gottes
Heilshandeln überhaupt. „Die Alleinwirksamkeit Gottes zu
unserer Rettung schließt nicht aus, sondern ein, daß der Mensch
— analog dem Gottmenschen Jesus Christus — zur Mitwirksamkeit
seiner leib-seelischen Wesenheit am eigenen und am Heil
der Welt befreit wird. Diese — vom Chalcedonense und vom
Ephesinum durchgehaltene — Gnadenlehre, Christologie und
Anthropologie der alten Kirche hat der Protestantismus nicht
zu bewahren vermocht. Sein Prinzip der Alleinwirksamkeit
hindert ihn daran" (S. 21).

Bewußt nimmt Lackmann den Protest der Geschichts- und
Kulturphilosophie Hegels, Marx', Nietzsches oder Lenins (S. 25)
auf, interpretiert ihn jedoch mit dem romantischen Flügel de«