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Ausgabe:

1962

Spalte:

108-110

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Brinkel, Karl

Titel/Untertitel:

Luthers Hermeneutik in seiner Übersetzung des Alten Testaments und die gegenwärtige Revision der Lutherbibel 1962

Rezensent:

Baumgärtel, Friedrich

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einandersetzten: die Verbreitung der Bibelwissenschaft und die
kirchlichen Dokumente, die Erwartungen, die die Kirche an die
Bibelwissenschaftler richtet. In diesen Ausführungen wurde besonders
die Frage der Inspiration angesichts der kritischen Bibelwissenschaft
aufgeworfen, wie sie durch die Päpstliche Enzyklika
„Divino afflante Spiritu" vom Jahre 1943 vorgegeben ist. Es geht
um theologisch-methodische Fragen der katholischen Auslegung
der Heiligen Schrift, die Integration der Exegese in der Theologie
(M. Peinador, S. 158—179), die besonders dort problematisch
wird, wo inspirierte Geschichtsschreiber sich widersprechende
Doppelberichte in ihre Darstellung aufnehmen (Schildenberger,
S. 119—131), ja, es geht unter diesem Vorzeichen um die Auffassung
der Inspiration 6elb6t (P. Benoit, S. 86—99).

Im 2. Teil (S. 219—299) wird die Umwelt des Alten Testaments
betrachtet: ägyptische Einflüsse auf die Weisheitsliteratur
(E. Drioton S. 229—241) und die Entwicklungen der ägyptischen
Gottesvorstellung (van de Walle, S. 219—228). Dann werden Geschichtsauffassung
und religiöse Erscheinungen des weiteren Alten
Orients ins Auge gefaßt. Unter diesen Themen findet sich eine
Untersuchung über die Einordnung des Ugaritischen (M. Dahood,
S. 267-279).

Der 3. Teil, Exegese und Theologie des Alten Testaments
(S. 303—579), kommt dann zu den eigentlichen Fragen der alt-
testamentlichen Disziplin. Zunächst haben textkritische und
traditionsgeschichtliche Fragen das Wort, u. a. die interessante
Frage der Motivtransposition (H. Groß, S. 325—334), nach der
gewisse Motive in den verschiedenen Zeiten alttestamentlicher
Literatur in gewandelter Prägung auftreten.

Die Einzelfragen der Exegese sind nach der Reihenfolge der
Bücher des katholischen Kanons — der Vulgata — angeordnet:
Zunächst sind da Untersuchungen über bestimmte Stellen der Genesis
zu nennen, die Erschaffung der Eva nach Gen. 1, 26—27 und
Gen. 2, 18—25 (L. Arnaldich, S. 346—357), sodann pessimistische
und optimistische Reflektionen über Gen. 4, 17—24 (C. Hauret,
S. 358—365). Weiterhin werden Fragen des SchelamJm-Opfers
(A. Charbel, S. 366—376), des Bannes bei den Propheten des
Nordreiches und im Deuteronomium (C. Brekelman6, S. 377—383)
und der Theologie des Chronisten (A.-M. Brunet, S. 384—397) erörtert
. Es folgt eine Reihe von Untersuchungen über das Jesaia-
Buch: den Messianismus (H. Renard, S. 398—407), die Theologie
des Geistes Jahwes bei Jesaia (R.Koch, S. 419—433) sowie die
Textstelle Jes. 7, 15 b (P. G. Duncker, S. 408-412), ferner Jes. 9,
7-9 nach dem Qumrän-Text (IQJsa) (E.-J. Kissane, S. 413--H8).
Das Rätsel des Knechtes Jahwes wird noch einmal zu lösen versucht
(J. Coppens, S. 434-454). Die Sprache Ezechiels (P. Auvray,
S. 461—470) sowie die Textumdeutung im Buch Ezechiel (E. Vogt,
S. 471—494) bilden weiterhin den Gegenstand von Überlegungen.
Danach wenden sich die Titel dem Psalter zu: Ps. 48 (47) (A.
Deissler, S. 495-503) und Ps. 88 (89) (J. Hofbauer, S. 504-510)
werden auf ihre formale Gestalt und zeitliche Einordnung hin
untersucht. Über die Geburt der Weisheit (Prov. 8) (H. Cazelles,
S. 511—515) geht es dann zu den theologischen Fragen des Alten
Testaments über: Monotheismus im Alten Testament (V. Hamp,
S. 516—521), Anthropologie des Alten Testaments (A.-M. Du-
barle, S. 522—536), Das Priestertum des Königs in Israel (J. de
Fraine, S. 5 37—547), Segen als heilsgeschichtliches Motivwort
(H. Junker, S. 548—558), die Reue im Alten Testament (O. Garcia
de la Fuente, S. 5 59—579). Damit schließt der erste Band der
Sacra Pagina ab.

Der zweite Band vereinigt Studien der neutestamentlichen
Bibelwissenschaft. Der nach der Gesamtzählung 4. Teil (II,
S. 7—97) der Kongreßakten wendet sich zunächst wieder der Umwelt
des Neuen Testaments zu. Es überrascht nicht, daß hier die
Qumrän-Referate den ersten Platz einnehmen: die nicht-biblischen
Schriften von Qumrän (R. Busa, S. 7—12), die KriegsTolle (J. van
derPIoeg, S. 13—19), der Beitrag der Qumrän-Rollen zur Exegese
der Makkabäer-Bücher (J. Mejia, S. 20—27), Jerusalem und
der Tempel des Herrn in den Handschriften von Qumrän und dem
Neuen Testament (J. Caubet Iturbe, S. 28—46), der Begriff
„Fleisch" in den Qumrän - Schriften und im Römerbrief (R. E.
Murphy, S. 60—76); eine Untersuchung über die Exegese des
Valentianers Herakleon über die Episode der Samariterin (Joh. 4)
(Y. Janssens, S. 77—85) und ein Bericht über drei Ausgrabungskampagnen
auf dem Vatikan und am Petrus-Grab (J. Ruysschaert,
S. 86—97) beschließen diesen Teil.

Der 5. Teil (S. 101—463) befaßt sich nun ausführlich mit den
Fragen der Exegese und Theologie des Neuen Testaments. Die
Ordnung der Aufsätze folgt wieder der des Kanons des Neuen
Testaments. Die Synoptiker eröffnen die Reihe: das messianische
Geheimnis (F. Gils, S. 101—120), Einzelfragen über Mtth. 5,48
und Luc. 6, 36 (J. Dupont, S. 150—162) werden verhandelt. Dann
folgen Fragen des 4. Evangeliums: die Lesart eyevvrjftr) (Joh. 1,13)
(A. Houssiau, S. 170-188), Joh. 12,45 — 50 (M.-E. Boismard,
S. 189—192), der Begriff des Zeugnisses bei Johannes (I. de la
Potterie, S. 193—208), die Bedeutung des auf Christus angewandten
Begriffes „Fleisch" im 4. Evangelium (S. de Ausejo, S. 219—
234) die Sakramente bei Johannes (R. Schnackenburg, S. 235—254)
und weitere Themen. Der Römerbrief und seine Theologie werden
verschiedentlich untersucht: die Gerechtigkeit Gottes nach
Rö. 3,5 (S. Lyonnet, S. 342—356) sowie die Eschatologie nach
Rö. 13,11-13 (K. H. Schelkle, S. 357-372). In diesen Zusammenhang
wird nun eine Erörterung über den Kult Israels im
Hebräerbrief hineingestellt (S. Lach, S. 390—403). Nach einer
Behandlung des Kap. 10 der Apokalypse (A. Feuillet, S. 414—429)
werden Fragen der neutestamentlichen Theologie aufgegriffen:
die zentrale Bedeutung des Glaubens (J. Duplacy, S. 430—439)
und der Begriff Agape im Neuen Testament (C. Spicq, S. 440—455).
— Ein Index der Autoren und der bearbeiteten Sachgegenständc
bilden den Abschluß des Bandes (S. 465-479).

Dieser angesichts der Fülle des Stoffes kurz gehaltene Abriß
soll erkennen lassen, daß auf diesem Kongreß wichtige Fragen der
alt- und neutestamentlichen Exegese zur Erörterung standen.
Historische wie linguistische Probleme blieben am Rande und
nahmen gewissermaßen dienende Stellung ein. Das besondere
Interesse galt den Themen der Exegese und Hermeneutik im
Sinne der katholischen Konzeption, auch dort, wo Spezialuntersuchungen
über begrenzte Themen geboten wurden. Die
Lektüre dieser Aufsätze gibt einen guten Überblick über die
katholischen Bemühungen um die Auslegung der Schrift und das
gegenwärtige katholische Schriftverständnis, die Definition der
Inspirationslehre. Mag die protestantische Forschung in mannigfacher
Beziehung andere — ja, grundsätzlich andere — Wege gehen
, so ist es doch sehr lehn-eich und anregend, die katholische
Forschung kennenzulernen.

Halle/Saale Gerhard Wallis

B r i n k c 1, Karl: Luthers Hermeneutik in seiner Ubersetzung des
Alten Testaments und die gegenwärtige Revision der Lutherbibel.

Berlin: Luth. Verlagshaus 1960. 56 S. 8° = Luthertum, hrsg. v.
W. Zimmermann, F. Lau. H. Schlyter, J. Pfeiffer, H. 24.

Brinkel entwickelt in einem I. Teil Luthers in seiner Übersetzung
des AT zutage tretende Hermeneutik an den drei Themen
: Weissagungen auf Christus, die Ausdrücke des Rechtfertigungsglaubens
, die Vergegenwärtigung des alttestamentlichen
Zeugnisses. Im II. Teil unterzieht er anhand dieser dreifachen
Thematik die Einstellung der gegenwärtig laufenden Revision
des AT zu dem Verständnis Luthere einer Überprüfung. Das Ergebnis
: „die gegenwärtige Revision des AT der Lutherbibel hat
gemeint, diese Erkenntnisse der alttestamentlichen Forschung
nicht unberücksichtigt lassen zu können. So hat sie trotz ihres
Bemühens, Luthers Hermeneutik in seiner Übersetzung de6 AT
tunlichst zu bewahren, doch auch Eingriffe in diese Übersetzung
vorgenommen, die Luthers Hermeneutik verändern . . . Wohl
ist das Verständnis des AT, das die heutige Theologie auf Grund
ihrer Einsichten in die besondere Geschichtlichkeit de6 AT hat,
ein anderes als das Luthers, aber es ist zu fragen, ob dieses Verständnis
, vor allem in seiner Beziehung auf das NT und damit auf
das Ganze der biblischen Botschaft, schon 60 geklärt ist, daß
Luthers Übersetzung und seine darin mitgegebene Auslegung des
AT aufgegeben werden kann" (S. 52). Die gegenwärtige Bibelrevision
verletze mit ihren Abstrichen von Luthers Hermeneutik
den ersten für sie aufgestellten Grundsatz, nach dem „die Lutherbibel
als der lebendige Ausdruck des reformatorischen
Evangeliums in der deutschen Sprache das Einheitsband der ganzen
deutschen evangelischen Christenheit bleiben muß" (S. 53).