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Ausgabe:

1962

Spalte:

450-453

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Hülsmann, Heinz

Titel/Untertitel:

Die Methode in der Philosophie Nicolai Hartmanns 1962

Rezensent:

Brelage, Manfred

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Die Kontinuität Antike-Christentum bzw.
christl. geprägte Kultur des Abendlandes
wird in einer Reihe von Themen besonders deutlich; so bei den
4 Elementen, ein großer Art., eingeleitet durch einen Abriß
der E.-Iehre (G.Frey - E. J. Beer - K. A. Wirth, 32 Sp.).
Die Bildgeschichte ist hier besonders interessant: in der mittelalterlichen
Kunst gehören die 4 E. zum Bild des kosmisch interpretierten
Heilsgeschehens. Während sie im Spätmittelalter fast
verschwinden, folgt in der Neuzeit ein neues Hervortreten, fast
einer „Wiederentdeckung" vergleichbar (Sp. 1269), nun aber in
deutlicher Absetzung von der Tradition des Mittelalters und in
Anknüpfung an die Antike. Zur Lit. jetzt auch RAC IV,
1073 ff. — Carl Burckhardt hat kürzlich in einem humanistischen
Vortrag über wortgeschichtliche Probleme darauf hingewiesen,
wie die heute abstrakt und farblos gewordenen Begriffe einst
lebensnah als Personen gesehen wurden. Eine Gruppe von Artikeln
vermag dies in der Kunst zu erläutern: die Personifikation
von Ehre (K. A. Wirth), Ehrgeiz, Eifer, Eifersucht
(alle drei von E. Guldan), Einfalt (K. A. Wirth), Eintracht
(L. v. Wilckens). Aus Antike und Bibel genährt, im
Mittelalter in die christliche Tugendlehre einbezogen, erleben
diese Bildthemen — unter dem Einfluß der Emblematik des
16. Jhdts. — in der Neuzeit wieder eine Blüte, nun im Dienst
einer zunehmend rationalisierten und profanisierten Moralisation,
bis hin zur sozialen Karikatur im 19. Jhdt. (Sp. 954. 961).

Zu Eifer, Sp. 946: Zu den christl. Quellen gehört auch I. Clemens
IV ff., der lange zum Kanon gehörte (vgl. M. Dibelius, Botschaft
und Geschichte II, 1956, 177 ff.). — Zu Eintracht, Sp. 1032: es
fehlt der Hinweis auf Concordias Rolle bei der ,dextrarum iunetio';
vgl. die oben zit. Literatur: PW XXIII, 1 750ff. und Reekmans, a.a.O.
P. 60 ff. — Zu Einfalt jetzt auch RAC IV, 821 ff. Die col. 980
referierte Episode vom Konzil zu Nicaea stammt aus Rufinus hist. eccl.
X, 3 (CSEL 9/2, 1908, p. 962, E. Schwartz — Th. Mommsen) und ist
bei Büchmann ungenau wiedergegeben. Nicht der Bekenner spricht von
.saneta limplicitaf', sondern der Verf. Er sieht sie — im Sinne der versammelten
Bischöfe — in dem Bekenner verkörpert und möglichem
Spott ausgesetzt, während diese „virtus" am Schlüsse dann doch den
wortgewandten Philosophen besiegt. — Allgemein wäre hier, wie bei
andern bibl. Begriffen ein Hinweis auf Kittel, Theol. Wörterbuch,
wünschenswert. — Druckfehler Sp. 876: statt .sordiditas' muß es heißen
.sorditas'.

Unser Bericht hat die speziell den Theologen angehenden
Themen ausführlicher gewürdigt. Daneben stehen die vielen rein
kunstgeschichtlichen bzw. kunsthandwerklichen
Stichworte, die nur genannt werden können,
voran einige Haupt-Artikel: Egypten und die Rolle ägyptischer
Kunst im Abendland bes. Deutschland (E. Hubala, 25 Sp.);
H. M. v. Erffa's große Untersuchung (61 Sp.) über die Ehrenpforte
, den vom Triumphbogen zu unterscheidenden ephemeren
Aufbau: die Gruppe (Sp. 1060-1 167) von Themen, die das
Eisen (W. Huber) und seine Verarbeitung behandeln: E.-
aetzung (P. Post — A. v. Reitzenstein), E. - b 1 ä u u n g
(B.Thomas — O. Gamber), E. - g u ß (A. Kippenberger), E.-radier
u n g (W. Wegner - G. Saur). E. - s c h n i 11 (A. v. Reitzenstein
), aber auch der kriegerische E i s e n h u t (A. v. Reitzenstein
) und das Eiserne Kreuz (O. Neubecker). Ferner der
große Art. Elfenbein (E.Herzog - A.Rees, 55 Sp.).

Zu Elfenbein jetzt auch RAC IV, 1106 ff. (J. Kollwitz). Hier
auch zur Kathedra des Bischofs Maximian v. Ravenna, die RDK
•M>. 1321 mit C. Cecchelli ,,Alexandria und Syrien" zusdireibt, die nach
Kollwitz aber richtiger Konstantinopel zuzuordnen ist.

Hinzu kommen die vielen kleinen Art. über Fragen der
Architektur (Ehrenhof: L. Hager), des Ornaments
(Eierstab: W. Rave), der Werktechniken
(Einhängen: Regina Flury - v. Bültzingslöwen; Einlege-
l r b e i t, besonders in Holz: H. M. v. Erffa - J. Greber), kunst-
handwerkl. Gebrauchsgegenstände: Ehrenbecher
(W. Braun), Eimer (H. M. v. Erffa), E i s g 1 a s und E.-k a n n e
ing)' aber auch Eiskeller (H. E. Pappenheim), end-
J'ch Elle (Maria Nocken), deren Geschichte in die Welt des
Alten Orient zurückreicht und in Deutschland von den Karolingern
bis zur Einführung des Metermaßes 1872 läuft.

Indem das einzelne Kunstwerk im Rahmen der „geistigen
und materiellen Voraussetzungen seiner Entstehung" betrachtet
"nd beurteilt wird (Vorwort zu Bd. L, O. Schmitt), entwirft sich

— weit über das rein Kunstwissenschaftliche hinaus — ein Bild
abendländischer Kulturgeschichte. Der außerordentlichen Leistung
an Planung und an Forschung gebührt Anerkennung und
Dank. Man wünscht dem Werke ausgiebige Benutzung, auch
außerhalb seines engeren Fachgebietes.

Bona Erika Dinklar - TOI Schubert

Nordhagen, P. J.: The Origin of the Washing of the Child in
the Nativity Scene.

Byzantinische Zeitschrift 54, 1961 S. 333—337.
Schaffran, Emerich: Frühchristliche Mosaiken. München U. Ahrbeck
: Knorr & Hirth 1961. 16 S„ 32 Taf., davon 15 färb. kl. 8° =
Das kleine Kunstbuch, hrsg. v. B. Fricke. Kart. DM 3.80; Lw.
DM 4.80.

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Hüls mann, Heinz: Die Methode in der Philosophie Nicolai Hartmanns
. Düsseldorf: Schwann [1959]. 218 S. m. 1 Abb. -8°. Kart.
DM 18.-.

Nach dem posthumen Erscheinen der „Ästhetik" (195 3; und
der dreibändigen Sammlung der „Kleineren Schriften" (195 5
—5 8) liegt das Gesamtwerk H.s nunmehr, zehn Jahre nach seinem
Tode, in relativer Abgeschlossenheit vor. Damit stellt sich
der Gegenwart die Aufgabe, sich mit der H.sehen Philosophie in
ihrer Ganzheit auseinanderzusetzen. Die vorliegende sorgfältige
Arbeit trägt dieser Forderung Rechnung, indem sie von einem
Punkte aus, der nach Ansicht des Verfs. das „Grundgesetz" der
H.schen Philosophie enthüllt, diese in ihrer genetischen und
systematischen Erstreckung darzustellen und zu analysieren
sucht. Als leitender Gesichtspunkt dient dabei die Frage, welche
Rolle die Methode, so wie H. sie in seinen methodologischen
Erörterungen zu fassen sucht, für den inhaltlichen Aufbau seiner
Philosophie spielt. Der Verf. schickt das Ergebnis selbst in Form
einer These voraus: „Die Methode ist der philosophische Grundakt
der Philosophie H.s, und zwar als gnoseologische Reflexion
auf die Identität von Seins- und Erkenntniskategorien und als
ontologische Reflexion von Dependenz und Determination.
Diese Reflexion ist zugleich konstitutiv für den systematischen
Aufbau des Ganzen" (S. 9). — Selbstverständlich liegt der Wert
der Arbeit nicht in diesem „Ergebnis", sondern in der konkreten
Durchführung der Interpretation H.scher Lehrstücke. Die
vier Teile der Arbeit behandeln: I. Die Methode und die Geschichte
der Philosophie bei N. H. II. Die einzelnen Methoden
und ihr systematischer Zusammenhang. III. Methode und Sachgebiet
. IV. Philosophie als Methode. — Auf eine Darstellung
der darstellenden bzw. interpretierenden Partien des Werkes
müssen wir hier verzichten. Wir beschränken uns auf die Besprechung
der „immanenten Kritik" (S. 15), die der Verf. mit
seiner Darstellung verbindet, wobei wir die Kenntnis der H.schen
Philosophie voraussetzen müssen. Diese Kritik erstreckt sich
zunächst und vor allem auf das zentrale Thema der Methode
selbst (A); daneben aber auf die eng mit dem Methodenproblem
und untereinander zusammenhängenden Themenkomplexe der
Geschichte und des Menschen (B), die stillschweigend
wohl auch die Kritik des Verfs. an H.s Theorie der Methode
motiviert haben. Schließlich • gehört auch das Verhältnis der
H.schen Philosophie zu Religion und Theologie (C)
zu den bei ihm nach Ansicht des Verfs. „unbewältigt" gebliebenen
Problemen (S. 66).

A. Auf den Zusammenhang von Methode und Reflexion
deutete schon das zitierte „Ergebnis" hin. Verf.
unterscheidet — an manchen Stellen auch durch ihre verschiedene
Schreibweise — die ontologische „Reflektion" als Weg, auf dem
das Seiende sich im Menschen reflektiert, von der gnoseologischen
„Reflexion", durch die sich das Denken seiner Seinsbezo-
genheit versichert (S. 123; vgl. 101, 175, 201 ff. u. ö.). Beide
verhalten sich wie zwei Stadien eines Prozesses (S. 201 f.).

Daß ausgerechnet bei H. die Reflexion das „strukturiende Prinzip
" (S. 14) seiner gesamten Philosophie bilden soll, überrascht zunächst.
Man wird auch fragen müssen, ob nicht der Verf. H. damit zu stark
den idealistischen Systemen annähert. Jedenfalls fehlt bei H. dem
Stufenbau der Welt jeder teleologische Zug. Im übrigen ist dem Verf.