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Ausgabe:

1962 Nr. 3

Spalte:

199-201

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bianchi, Ugo

Titel/Untertitel:

Problemi di storia delle religioni 1962

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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199

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 3

200

zung, sondern in der Andersartigkeit der theologischen Konzeption
(155). Gestützt auf eine Fülle von Beispielen wird gezeigt,
daß durch die Übersetzung der LXX nicht immer, aber oft
Anthropomorphismen beseitigt und mögliche Schmälerungen der
göttlichen Majestät vermieden werden (etwa in 6, 1 f., S. 165 f.).
Ganz anders ist der umfangreiche Beitrag von R. T.Stamm
„Luke-Acts and three cardinal ideas in the g06pel of John", mehr
in der Art einer Bibelarbeit gehalten und ausgehend von der
Frage von Alleman „How can the Christ of faith be the Jesus of
history?". Die Antwort wird durch den Hinweis auf die in Acta
und bei Johannes festzustellende „continuing presence of Jesus"
bzw. „ongoing revelation" (eine mehrfach vorkommende Wendung
) gegeben, wobei besonders an den „Geist" gedacht ist. Der
letzte Beitrag stammt von J. M. Myers und trägt die Überschrift
„The cultus and its significance". Ausgangspunkt ist
Art. 15 der CA, und auch der Schluß kommt auf eine allgemeintheologische
Erkenntnis hinaus, daß das „Sakrifizielle", sprich
Menschenwerk, nicht das „Sakramentale" beiseite drücken dürfe;
und überhaupt: „Im lutherischen Gottesdienst" ... „steht die
Kanzel höher als der Altar" (215). Dennoch schließt die Heilige
Schrift den Kultus ein, nicht aus. Diese besonnene Haltung des
Verfs. wird aus dem Befund der Bibel, hauptsächlich des AT, in
kundiger Weise herausgearbeitet.

Dieser Aufsatz bildet einen guten und würdigen Abschluß
des Buches, von dem man sagen darf, daß es wohl geeignet ist,
das Bild des Menschen H. C. Alleman als eines Mannes der Kirche
und der Wissenschaft hervortreten zu lassen und das Gedächtnis
dieses liebenswerten Lehrers bei seinen Freunden und Schülern
wachzuhalten.

Kiel Hans Wilhelm Hertzberg

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Bianchi, Ugo: Problemi di storia delle religioni. Roma: Editrice
Studium [1958]. 151 S. kl. 8° =■ Universale Studium 56. L. 300.—.

Mit Spannung greift der Religionshistoriker zu einem Buch,
das Probleme seiner Disziplin zu behandeln verspricht, denn
deren gibt es gar viele, besonders auf dem Felde der Vergleichenden
Religionsgeschichte und „Religionstypologie". Auf dieses
Feld will uns der italienische Religionsgeschichtler Ugo Bianchi
(Rom und Messina) führen. Er bringt dafür die beste Voraussetzung
mit, nämlich das auf Spezialstudien gegründete Wissen1.
Daher nimmt es nicht Wunder, daß B. die breitgetretenen Wege
einer vereinfachenden und kurzschlüssigen Typologie" verläßt.
B., der als Schüler Pettazzonis dieser außerordentlich fruchtbaren
„römischen" religionsgeschichtlichen Schule zugehört, vertritt
eine streng historische Religionsgeschichtsforschung,
die sich scharf abgrenzt gegen den unhistorischen „Irrationalismus
protestantisch-romantischer Eingebung" R. Ottos und G. van
der Leeuws (18 f., 114 f., 128 ff.). Für ihn ist die Religions-
phänomenologie — wie es Pettazzoni wiederholt betont hat —
ein Teil (ein „Schlußkapitel") der Religions g e s c h i c h t e (19).
Diese Auffassung ist außerordentlich begrüßenswert und stellt
ein notwendiges Korrektiv gegen den gerade im deutschen Bereich
immer noch nachwirkenden verhängnisvollen Einfluß
R. Ottos dar'1.

Die angedeuteten methodischen Probleme erörtert B. in der
Einleitung (5—26). u. a. auch die Frage der Werturteile im Zusammenhang
der Beziehung zur Religionsphilosophie und Theologie
(20 ff.). Werturteile und Vorurteile sind auch aus der

fc- ') Vom Verf. sind an größeren Arbeiten zu nennen:AIOS AISA
Roma 1953; % dualismo religiöse Roma 1958; Sarnau i Ohrmazd. Lo
Zoroastrismo nelle sue origine e nelle sua essenza, Torino (Soc. ed.
internat.) 1958 (gl. bereits SMSR 26, 1955, 83 ff. u. 27, 1956, 102 ff.);
Teogonie e Cosmogonie, Roma 1960 (demnächst von mir in dieser Zeitschrift
angezeigt).

s) Vgl. dazu Walter Baetke, Aufgabe und Struktur der Religionswissenschaft
, in: M. Doerne, Grundriß des Theologiestudiums, 3. T.
Gütersloh 1952, S. 216 ff.

3) Vgl. jetzt auch von B. ,,Apres Marbourg (Petit discours sur la
methode)" in: NUMEN VIII, 1961, S. 64-78.

historischen Arbeit nicht restlos auszuklammern, da „anche la
prospettiva storica . . . non puö esscre agnostica per prineipio"
(21 f,). Der methodische Unterschied zwischen Theologie und
Religionsgeschichte läßt sich für B. zurückführen auf die betreffenden
unterschiedlichen religionsphilosophischen Lehren (25 f.).
Denn in der historischen Arbeit betrifft das in erster Linie allgemein
„la questione del rapporto tra storia delle religioni e
Weltanschauung filosofica e religiosa dello studioso..." (26).
Die Verifizierung jeder Hypothese aber ist an die „normale
historische Methode" gebunden, der die Religionsgeschichte als
Wissenschaft verpflichtet ist (24).

In den folgenden zwei Hauptabschnitten behandelt B. im ersten:
I Religioni „etniche" e religioni „londate". Religioni „del libro".
Culti „proletici" (29—40). II Religioni „nazionali", „cosmopoli-
tiche" e „universali". Culti „misterici" (41—58). In diesen beiden
Kapiteln zeigt B. sehr lehrreich die Zusammenhänge und Unterschiede
der einzelnen „Typen", auch innerhalb einer Religionsform; volks- und
weltreligiöse Motive, wie auch kollektive und individuelle Tendenzen
können nebeneinander stehen, ohne den jeweiligen Rahmen zu sprengen.
III Culti „ieticisti", „animisti", „animatisti". Religioni „mono-
teisti" e „politeisti". Religioni „pagane" (59—75). Reine fetischistische
und animistische Religionen gibt es nicht (60 ff.). An der
Theorie vom „Urmonotheismus" P. W. Schmidts übt B. i. S. Pettazzonis
sdiarfe Kritik (63 ff.). Für sehr fruchtbar halte ich die dabei gemachte
Einteilung in „vertikale" und „horizontale" Vergleidiung der Götter
und ihrer Attribute (70 f.). Dem Versuch, dem Wort „heidnisch" eine
religionsgeschichtlidie Bedeutsamkeit abzugewinnen, und zwar im Gegensatz
zu einer „Offenbarungsreligion", 6tehc ich allerdings skeptisch
gegenüber. Beide Termini sind zu theologisch belastet, als daß man sie
weiterhin verwenden sollte (es sind „Glaubensbegriffe")4. IV Sistemi
religiosi „teistico-creazionisti" e „monistico-evolutivi". Sistemi
,,dualistici" (76—105). B. berücksichtigt hierbei besonders die Vorstellung
von den „Anfängen" (archai). Unitarische Konzeptionen des
Kosmos schließen nicht notwendig monistische Religionen ein, sondern
finden sich auch in theistischen Religionsformen (vgl. die idg. ethischen
Prinzipien rta, asa, dike). Polytheistische Systeme können oft in monistische
übergehen (86 f.), wobei sich das Problem der fortlebenden
„primitiven" Elemente stellt. B. hätte hier auch die unterschiedlichen
Haltungen, die sich in den „Weltschöpfungs-" oder „Wcltwerdungs-"
Lehren ausdrücken, berücksichtigen müssen''. Den monistischen Religionen
stellt B. die dualistischen gegenüber (96 ff.), die er audi in kosmo-
gonischen Mythen aus Nordost-, Zentralasien, Osteuropa und Nordamerika
ausgedrückt findet (Problem des Bösen)8. Mir scheint, man
müßte hier schärfer unterscheiden zwischen einem dualen Aspekt
mythischer Kosmogonien und dem eigentlichen Dualismus, wie er in
Iran, Gnosis und Manichäismus zu finden ist (mit jeweils unterschiedlicher
Form: ontologisdier und ethischer Dualismus). Wo da6 böse, negative
Prinzip erst sekundär entsteht, liegt doch eine Einschränkung des
Dualismus vor. Richtig ist daher, daß 6ich dualistische Tendenzen in
monotheistischen Religionen und umgekehrt monistische (und monotheistische
!) in dualistischen Systemen nachweisen lassen (102 ff.)'.

Im 2. Hauptteil behandelt B. allgemeinere Probleme: I La religi-
one e il „sacro" (109—119). Wie erwähnt lehnt B. die Auffassung
Ottos ab, die er mit Recht als „quasi introspettivamente .contemplato' "
und psychologisch kennzeichnet; sie leidet „di una scnsibilitä di timbro
protestantico-romantico, ma prima ancora di tipo etnico-germanico"
(115) und korrespondiert dem irrationalist. Modernismus kath.-lateinischer
Prägung (Buonaiuti). „Neil' uomo, non c'c . .. . L'Awe (il timorc
reverenziale) in se, ma c'e l'.Awe di fronte a quäle uno o qualche casa"
(114, auch 130). Bedauerlicherweise hat B. diese Debatte zu früh abgebrochen
und es unterlassen, die Begriffe der Gemeinschaft und der Tradition
gegenüber Otto herauszustellen, wie es W. Baetke in seinen
grundlegenden Ausführungen bereits 1942 getan hat". Daß die Tren-

4) Vgl. dazu Baetke, a.a.O., S. 207 f. u. 22 5 f.

5) Vgl. dazu jetzt S. Morcnz, Ägyptische Religion, Stuttgart 1960,
S. 167 ff.

6) S. die Anm. 1 genannte Arbeit B.s über den „religiösen Dualismus
" und jetzt „Le dualisme cn histoire des religions" in RHR t. 159,
1961, S. 1—46; ferner: Der demiurgische Trickster und die Religionsethnologie
, in Paideuma 7, 1961, 335—344 (H. 7). B. unterscheidet einen
„absoluten Dualismus", einen „gemischten", einen Dualismus der Theo-
gonie und einen Dualismus „monistischen Typs" (s. Resume in SMSR
32, 1961, S. 132). J. Duchesne-Guillemin, Exploration dualistes avec
Ugo Bianchi, in: L'Antiquitc Classique t. XXVIII, 1959, S. 285—295.

7) Das läßt sidi sehr gut auch bei den Mandäern zeigen (vgl.
meine Arbeit über „Theogonie, Kosmogonie und Anthropogonie in den
mandäischen Schriften", phil. Habilitationsschrift Leipzig 1961, Masch.)

8) Das Phänomen des Heiligen. Eine religionswissenschaftlidic
Grundlegung, in: Das Heilige im Germanischen. Tübingen 1942, S. 1
—46; vgl. meine demnächst als Sitzungsbericht der Sachs. Akademie d.