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Ausgabe:

1961 Nr. 6

Spalte:

459-461

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bouillard, Henri

Titel/Untertitel:

Karl Barth; II 1961

Rezensent:

Weerda, Jan Remmers

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 6

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die spiritualistische Einseitigkeit bei Berkeley wie auch die
materialistische Einseitigkeit bei Ludwig Feuerbach möglich geworden
. Ein eigenes Kapitel untersucht das Verhältnis von
Seele und Leib im archaischen Denken, während die biblische
Anthropologie mit 8 Seiten allzu kurz wegkommt. Sehr viel breiter
wird dann wieder das Denken der Gegenwart berücksichtigt
unter Heranziehung der wichtigsten Werke von Gehlen, Plessner
und Sartre.

In zwei Schlußkapiteln stellt sich der Verfasser die Aufgabe,
eine eigene Schau vorzutragen. Er versucht, den Menschen unter
dem Wort „Ich" zu erfassen. ,,Das Ich ist nicht etwas Verborgenes
, sondern im Gegenteil etwas, das sich fortwährend manifestiert
, aber nicht als Objekt, als ein Teilchen der Welt, sondern
als Begleitung der Welt, die auf diese Weise zu meiner Welt
wird" (154). Das Ich schließt die Leiblichkeit mit ein. „Der
leibliche Mensch ist erst er selber innerhalb der Zusammenhänge
mit Mitmenschen" (164). Der Gefahr, daß das Ich sich selbst
entweicht, kann allein dadurch begegnet werden, daß der Geist
des Menschen an den Geist Gottes angeschlossen wird. Die
Übersetzung hat sich um größtmögliche Deutlichkeit bemüht.
Die Fülle der philosophischen und theologischen Antworten zum
Leib - Seele - Geist - Problem einmal auf knappem Raum beisammen
zu haben, ist verdienstvoll und wird vielen willkommen
sein.

Tübingen Adolf Köberle

Benz, Ernst: Zur Geschichte des Über-Mensch-Begriffs.

Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte XIII, 1961 S. 66—69.
Coreth, Emeridi: Ansatz und Vermittlung der Metaphysik.

Zeitschrift für katholische Theologie 82, 1960 S. 440—451.
Dee, Helmut: Auf dem Weg zu einem neuen Denken?

Monatschrift für Pa6toraltheologie 50, 1961 S. 13—21.
Lübbe, H.: Die geschichtliche Bedeutung der Subjektivitätstheorie

Edmund Husserls.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 2, 1960 S. 300—319.

Melzer, Friso: Lessing und die Wahrheitsfrage.
Deutsches Pfarrerblatt 61, 1961 S. 60—62.

P1 a c h t e, Kurt: Der Grund der Hoffnung — Der Mensch an der
Grenze zwischen Utopie und Eschatologie.
Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 14, 1960 S. 337—341.

— Das Seinsdenken und die Gottesfrage.

Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 15, 1961 S. 41—43.

Q u i 1 e s, Ismael: Experiencia metafisica y experiencia etica.
Ciencia y Fe XVI, 1960 S. 147—156.

Sanchez-Ruiz, Jose, Ma: La estructura trägica y problemätica del
ser, segün Don Miguel de Unamuno.
Salesianum XXII, 1960 S. 570—627.

Welte, Bernhard: Über das Wesen und den rechten Gebrauch der
Macht. Eine philosophische Untersuchung und eine theologische These
dazu. Freiburg/Br.: Rombach [i960]. 60 S. 8° = Politik. Schriftenreihe
z. grundsätzl. u. aktuellen Fragen, hrsg. von A. Bergsträsser.
Geb. DM 5.80.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Bouillard, Henri: Karl Barth. II. u. III.: Parole de Dieu et exi-
stance humaine. Paris: Aubier 1957. 288 u. 308 S. 8° = Theologie.
Etudes publiees sous la direction de la Faculte de Theologie S. J. de
Lyon-Fourviere.

Der erste Band ist in dieser Zeitschrift 1959, Nr. 10,
Spalte 786—788 angezeigt.

Seinen Ausgangspunkt für die systematische Entfaltung der
Theologie Barths umschreibt B. mit den Worten: „Nicht als Zeugnis
des Protestantismus hat uns Barths theologisches Werk zuerst
angezogen, sondern weil es das ausgebreitetste und originalste
ist, das seit langem im Bereich des Christentums erschienen
ist" (II, 16). Darf man das als einen Hinweis verstehen, daß Barth
als Theologe der christlichen Kirche gelesen wird von seinem
katholischen Berichterstatter? Wahrscheinlich nicht; Christenheit
und Kirche werden einem Katholiken nicht das gleiche sein, wenn
er streng theologisch denkt. Da aber B. keine eigentliche Auseinandersetzung
mit Barth schreiben will, bleibt der Sinn dieser
laudatio im Hintergrund seiner Arbeit letztlich verborgen; es
geht mehr um eine Bestandsaufnahme, die allerdings nach B.

(I, Vorwort) keine vollständige Darstellung der Theologie Barths
beabsichtigt, sondern hauptsächlich die Themen berührt, „die
unmittelbarer die Beziehung zwischen Natur und Gnade angehen"
(ebd.).

B. teilt dementsprechend seinen Stoff auf zwei Hauptteile
auf: 1. Der göttliche Anruf, 2. Die Antwort des Menschen. Jedem
Teil ist ein Band gewidmet. Die fünf Kapitel des ersten Teils
behandeln: Die Versöhnung des Menschen mit Gott; Die Versöhnung
: Kritische Bemerkungen; Die Prädestination; Die Schöpfung
; Der Mensch. Der zweite Teil enthält vier Kapitel: Die
subjektive Verwirklichung des Heils; Die Erkenntnis Gottes
(Kernstück bildet das Problem der natürlichen Theologie); Fortsetzung
(hier wird über die Gottesbeweise und Grenzen der
Gotteserkenntnis, besonders über die Analogie gesprochen);
Theologische Ethik. Ein kurzer Schlußabschnitt versucht die
Eigentümlichkeit der theologischen Methode Barths kritisch zu
erfassen. „Er beabsichtigt eine Theologie auszuarbeiten, die eine
konsequente Christologie sein soll. . .. Mag sein, aber unter der
Bedingung, daß die Christologie sich als Theologie darstelle"
(II, 290. 292). Er kommt auf den „Aktualismus" Barths zu sprechen
, ohne auf das darin sich ankündigende Verhältnis des
Barth'schen Denkens zur Ontologie anders einzugehen als durch
Verweise auf Bonhoeffer und Bouyer und weitere Thesen über
Barths Kantianismus, Hegelianismus und Existentialismus, was
alles für B. nicht entscheidend ins Gewicht fällt gegenüber der
unmittelbaren Nähe zu Grundanliegen der Reformation: „Nehmen
wir doch das Denken Barths als das, was es ist: Seine
Originalität ist unableitbar. Man kann ihm seinen Platz nur anweisen
durch Beziehung auf die Reformatoren, von denen es seine
Prinzipien empfing, mit dem Wollen, sie folgerichtiger fruchtbar
zu machen, und das im Bereich eine6 neuen geistigen Universums
" (II, 299). Ihn stört am meisten an Barths Art, Theologie
zu treiben, die „ultradogmatische Position, die den menschlichen
Wahrheitskriterien einer menschlichen Gedankenentwicklung
(discours) ihren Platz anscheinend nicht vorbehält, nämlich der
philosophischen Reflexion und der historischen Analyse" (II, 300).
Dadurch bekomme alles Gesagte den Schein einer Gnosis, die
vom Himmel gefallen ist: „Er kann nicht mehr zeigen, worin, inwiefern
das Mysterium, von dem er spricht, Wahrheit für den
Menschen ist. Will die Theologie einen Sinn haben, muß sie darauf
verzichten, ein Gedankengang über den Menschen, ausgesprochen
vom Standort Gottes aus, 6ein zu wollen; sie muß ein
Gedankengang des Menschen bleiben, der die Gegenwart Gottes
anerkennt" (ebd).

Ob man dieser Kritik dadurch nahekommt, wenn man für
„philosophische Reflexion" setzt: Ontologie und Metaphysik,
etwa die des Thomismus, und für „historische Analyse" die vom
kirchlichen Lehramt verwaltete Tradition mit ihrer angeblichen
Beweiskraft für die wahre Wirklichkeit und die wirkliche Wahrheit
der im Dogma aufgefangenen Gehalte? Ebenso unschlüssig
bleibt man vor der Forderung, über den Menschen in der Gegenwart
Gottes zu theologisieren, anstatt vom Standpunkt Gottes
aus zu reden. In welchem Sinne „Gegenwart Gottes"? Ich will es
mir gern als evangelische Überinterpretation verweisen lassen,
wenn man zuerst an irgendwelche Hintergründigkeiten wie das
sakramentale und juridische Vergegenwärtigen Gottes durch die
Kirche zu denken geneigt ist, falls man hier nicht doch an den
Heiligen Geist, das Wort Gottes und den Glauben und darin
beschlossen die Kirche denken soll, deren Funktion nach Barth
die Theologie ist.

Liest man von diesem als Kritik gemeinten Satz her die
beiden Bände, dann wird man bald gewahr, daß die Berichterstattung
über Barth, die B. sich angelegen sein läßt, doch in
der Form des Gesprächs verläuft. Wenn B. sich das Thema für
seine Darstellung der Barthschen Theologie in der „Beziehung
von Natur und Gnade, von menschlicher Existenz und göttlichem
Wort" (III, 220) gegeben sein läßt, kann das nicht anders sein.
Wir haben also letztlich nicht nur, nicht rein einen Informationsversuch
vor uns, sondern durchaus einen Beitrag zur Kontroverse.
Das ist dann auch in keinem Kapitel verleugnet. Die Einführung
wird immer auch zur Abgrenzung, die Fragezeichen, Warnungszeichen
, Halteschilder aufrichtet. So versteht B. Barths These
über die Rechtfertigung durch den Glauben allein als die Behaup-