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1959 Nr. 8

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 8

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zum Glauben" wirken. Dazu sollen hier einige Analogien dienen,
die, so schwach und ungewiß sie sind, dennoch zu besserm Verstehen
helfen können. Und zwar wählt der Verfasser als Ausgangspunkt
nicht, wie die großen Kirchenlehrer und die meisten
Dogmatiker, den BegTiff der geistigen Substanz, der Seele, insofern
sie sich selbst kennt und liebt, sondern den Begriff der Liebe,
nach einem Verfahren, das zwar bei Augustin, Thomas und andern
angedeutet ist, aber nur von Richard de Saint-Victor und den
Franziskanern durchgeführt wurde. Er zeigt, daß das Wesen der
Liebe zunächst auf eine Mehrheit von Personen, dann auf die
drei Personen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Gei6tes
hinführt, und weist zuletzt nach, wie in diesem innergöttlichen
Liebcsleben die ganze Heilsgeschichte sich gründet und wie es in
dieser sich darstellt und offenbart. In diesem Zusammenhang entwickelt
der Verfasser einen bedeutsamen Begriff der Person;
unser spontanes Verständnis derselben ist die Vorstellung eines
Wesens, das sich selbst besitzt, indem es den Reichtum seiner
Natur besitzt; durch die Betrachtung der Geheimnisse der göttlichen
Dreieinigkeit reinigt sich diese Vorstellung von allen
egoistischen Beimischungen; Person heißt jetzt ein Wesen, das
besitzt, um zu geben, das sich nicht selber sucht und sich doch
in einem andern findet.

Schließlich lockt den Verfasser das reformatorische Thema
des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium, dem er die vierte
Abhandlung widmet: „Das Gesetz in unsern Herzen". Er geht
aus von der Bestätigung des Gesetzes durch Christus in Matth.
5, 17 f. Zwar weiß er Bescheid über alles, was in der Schrift gegen
das gesetzliche Verständnis der Religion gesagt wird, und über
die radikale Stellungnahme, die auf Grund dieser Schriftstellen
die Reformatoren eingenommen haben. Dennoch entscheidet er
sich für ein einseitiges Geltendmachen von Matth. 5. Das Gesetz
wird aufrechterhalten nicht bloß um der Sünde willen, sondern
weil der Mensch ein geistiges Wesen in einem Leib ist, das sein
inneres Leben in äußeren Handlungen ausdrückt. Bis in das
Freundesverhältnis zu Christus hinein bleibt der Christ ein Knecht.
Indem Christus das Gesetz aufgreift, wandelt er es, macht es zum
Gesetz der Liebe, zum Gesetz in den Herzen, zum Gesetz der
Gnade, der Freiheit, des Fortschreitens. Jetzt ist es das Gesetz
Christi, bei welchem der Mensch es nicht mehr mit einem geschriebenen
Text, sondern mit einer lebendigen Person zu tun
hat; ja Christus selbst ist das Gesetz. Dieses ist in das Evangelium
hineingenommen, so daß man nun Gesetz und Evangelium nicht
mehr zueinander in Gegensatz bringen kann: hier berührt sich
die katholische Theologie des Verfassers ganz nahe mit der
Theologie Karl Barths. Aber alsbald scheint 6ich der Gedankengang
in die umgekehrte Richtung zu wenden: es ist die Kirche,
die im Namen Christi spricht. Sie vergewissert den Gläubigen,
daß die oft unverständlichen Vorschriften und geringfügigen
Gegenstände des kirchlichen Gesetzes Gottes eigener Wille sind,
und der Fromme hat sich darauf zu verlassen: ,,Nous n'avons plus
des lors qu'ä nous reposer dans cette assurance" (S. 185).

Im Vorwort sagt der Verfasser, er beabsichtige in diesen
Abhandlungen nichts anderes als auf den unausschöpfbaren Reichtum
Jesu Christi hinzuweisen. Er drückt seine Vorliebe für eine
christozentrisdie Theologie aus, ohne zu verheimlichen, daß mit
den Gnaden und Freuden des christusgläubigen Lebens auch der
Kreuzesweg und die Selbstverleugnung verbunden sind. Mit dieser
Selbstverleugnung ist offensichtlich der Gehorsam gegen die
Kirche in jenen „infinitesimalen" (S. 27; 186) und oft unverständlichen
Kirchengeboten mitgemeint.

Friedrich Heiler schreibt in seinem Kapitel „Evangelisches
Christentum im Katholizismus": „Das katholische Christentum
kann sich rühmen, alle evangelischen Ideen in irgendeiner Form
zu besitzen. Aber das ist das Tragische, daß gerade die evangelischen
Grundmotive . . . sich nicht in ihrer vollen Kraft entfalten
4 H2tü' ^ Sie immer wieQ,er von an^crn Mächten gehemmt und
durchkreuzt werden" (Der Katholizismus, seine Idee und seine
Erscheinung. München, 1923, S. 589). Dieses Urteil gilt auch für
das Buch Salets. Der evangelische Leser wird darin immer wieder
in seinem eigensten Wesen angesprochen und doch immer neu in
der Zustimmung durch fremde Elemente zurückgehalten. Trotz
einer manchmal einseitigen Polemik gegen Luther wird er oft an

Gedanken des Reformators erinnert, aber diese werden nicht mit
der Folgerichtigkeit durchgeführt, die 6ie in der Reformation
haben und auf die unser evangelisches Gewissen nicht verzichten
kann. Es scheint uns, daß alle Unterschiede im einzelnen sich auf
einen durchgehenden Hauptgegensatz zurückführen lassen: die
reformatorische Theologie ist durchweg von einem Begriff des
Wortes Gottes getragen, der bei Salet ganz fehlt; an dessen Stelle
tritt als tragender Grundbegriff der des Sakraments, während in
der Reformation auch der Sakramentsbegrifr durch den des Wortes
unterbaut ist.

Paris Th. Süss

D e 1 e k a t, Friedrich: Über den Begriff der Säkularisation. Heidelberg:
Quelle & Meyer 1953. 73 S. 8°. DM 4.80.

Die für den Druck erweiterte Rektoratsrede versucht den
Begriff der Säkularisation als Ausdruck des heutigen europäischen
Kulturbewußtseins zu verstehen. Erst seit dem Abbruch des
naiven Fortschrittsglaubens und nur dort, wo Menschen geschichtlich
denken, kann von Säkularisation gesprochen werden.

Der Begriff Säkularisation stellt die Welt, die von Gott geschaffen
ist und zugleich unter der Herrschaft widergöttlicher
Mächte steht, unter die eschatologische Aussage, daß Gott
herrscht. Durch das Wort vom Kreuz wird diese Herrschaft aufgerichtet
.

Von da her müssen drei Begriffe (und Stadien) von Säkularisation
unterschieden werden.

1. Die vor- und außcrchristliche Welt kennt Dämonen. Der
christliche Glaube beseitigt die Lokalgötter; es gibt keine Rassenunterschiede
mehr; Gott und Welt treten auseinander.

2. Wird die Welt durch die Christianisierung verchristlicht,
so wird unvermeidlich auch umgekehrt das Christentum verweltlicht
. Christliche und weltliche Strukturen vermischen sich. Erneuerung
des verweltlichten Christentums gibt es nur durch Reformation
. Kommt sie nicht, dann fällt die Welt ins Antichristen-
tum.

3. Die Welt will nur Welt sein. Das ist die Folge der Versündigung
. Atheismus ist Verneinung des christlichen Gottes;
Antihumanismus Enttäuschung über die dem Menschen nicht gelingende
Perfektion des Menschen und der Welt; Nihilismus hat
seine Wurzeln in christlicher Eschatologie.

Diese Lage muß für alle Bereiche des Lebens durchdacht werden
. Der Kirche ist die Frage nach dem Unterschied zwischen
humanistischer und geschichtlich - existentieller Auslegung aufgegeben
; die Unkenntnis der Massen in Glaubensfragen führt zur
Verkürzung der Fronten. Die Wissenschaft kann die Gewißheitsfrage
nur noch bis auf die religiös-weltanschaulichen Voraussetzungen
zurückführen.

Wehmut ist unangemessen. Notwendig ist die Feststellung
von „objektiver Kulturschuld". Die Welt geht zugrunde, wenn
der Mensch sie länger als Material betrachtet. Das Fehlen von
Autorität führt zum Conformismus, auch zur Restauration. Andererseits
sind wir in Gefahr, nur noch Verantwortlichkeit, kein
Schicksal mehr zu kennen.

Aus allem folgt, daß wir unsere Kulturkrise durchdenken
müssen. Denn das Denken verändert die Wirklichkeit; aber es
ist schwer. —

Delekats Darstellung hat ihren Vorzug in der Unterscheidung
der drei Begriffe von Säkularisation. Unklar bleibt der Begriff
des Eschatologischen. Der Appell zum Denken wirkt leer,
da ja das Denken im Zeitalter der Säkularisation eben nicht
neutral ist.

Hamburg-GroBflottbek Hans-Rudolf Müller-Schwefe

Brink trine, Johannes: Zu dem neunten Glaubensartikel: Et unam

sanetam catholicam et apostolicam ecclesiam.

Catholica 12, 1959 S. 141-143.
Brunotte, Wilhelm: Dss geistliche Amt bei Luther als ordinatio Dei.

Luther - Mitteilungen der Luthergcsellsdiaft 1959 S. 24-31.
Chavanne«, Henry: La presence reelle chez saint Thomas et chez

Calvin.

Verbum Caro XIII (Nr. 50), 1959 S. 151-170.