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Ausgabe:

1959 Nr. 5

Spalte:

333-335

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Herders kleines Bildungsbuch 1959

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 5

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dessen größte Freude und bestes Eigentum Jesus ist." —
M i s a n d e r oder Johann Samuel A d a m i, der vielgelesene
Prediger, Johann Quirsfeld au6 Pirna, der in seiner
Brautmystik zarte Töne anschlägt und gleichzeitig warnende und
vermahnende Gesichtspunkte im Glaubensleben hervorhebt,
und Samuel Lau durch seine Schrift „Die Kraft des Blutes Christi"
haben ebenso schon früh ihren Weg nach Finnland gefunden.
Etwas unerwartet scheint es, daß Rambach, Scriver und
S p e n e r erst 6päter bekannt geworden sind. Der letztgenannte
hat allerdings einen mittelbaren Einfluß auf Grund seiner Predigten
geübt, die Johan Wegelius der Jüngere in seiner Postille
(zwei Teile 1747-49) als Material gebraucht hat (Erkki Kan-
sanaho, Wegeliuksen postillan lähteet ja teologia, 1950). Erst
1868-69 hat Karl Enebäck, ein fleißiger Übersetzer, zwei Sammlungen
von Spenens Predigten herausgegeben. Diese haben doch nur
eine begrenzte Verbreitung erlangt, und man kann kaum von
irgendeinem Spener-Interesse in Finnland sprechen. Von Scrivers
„Seelen-Schatz" ist eine Predigt im Jahre 1800 in finnischer
Sprache gedruckt; das Werk als Ganzes hat bis zu 1889-91 warten
müssen. Man versteht aber, daß die Übersetzung dieses
riesigen Werkes keine Bagatelle war. Sie forderte von dem Übersetzer
Juho Saarinen eine jahrelange Arbeit. Die pietistischen
Leser haben auch neue Postillen nicht nötig gehabt, denn außer
den oben genannten Postillen von Wegelius und Arndt wurden
die Postillen von Björkqvist (ein finnischer Pfarrer), Nohrborg
(Pfarrer in Stockholm), Bugge (Norwegen), Retzius (Schweden)
u. a., die alle pietistisch gefärbt waren, in finnischer Sprache verbreitet
. Scrivers Gotthold-Erzählungen hat man schon früher ins
Finnische übertragen. — Rambachs Schrifttum hat in Finnland ein
ähnliches Los gehabt: seit 1764 hat man ein kleines Kinderbuch
von ihm und nach diesem einige andere kleinere Schriften, aber
das erste größere Werk, „Christus in Mose", ist erst um die
letzte Jahrhundertwende in die Hände der finnischen Leser gelangt
. Wie verkehrt die geschichtliche Ordnung in diesen Sachen
ist, wird sehr anschaulich bei P r a e t o r i u s. Seine „Geistliche
Schatzkammer" gehört zu den 6pät erschienenen Übersetzungen,
gedruckt 1852. Praetorius' genuines Luthertum kann vielleicht
der Grund dafür sein, daß als Luther selbst aufs neue in den
dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gefunden
wurde, auch andere Autoren, die die Glaubensgerechtigkeit klar
hervorheben, Widerhall fanden. Die Einseitigkeit der pietistischen
Heilspredigt war ja der immer wieder akzentuierte Christus in
nobis. Doch: dies kann man auch bei Praetorius feststellen, wenn
auch in modifizierter Form. Es sei hinzugefügt, daß Praetorius'
mittelbarer Einfluß wahrscheinlich ziemlich groß gewesen ist. Der
viel gelesene Schwede Sven Baelter hat manches von ihm gelernt,
und in den schwedisch sprechenden Kreisen Finnlands hat man
wieder Baelter fleißig studiert. — Wie umfassend der geistliche
Geschmack der Pietisten ist, zeigt sich in der interessanten Sachlage
, daß das oben genannte neue Interesse für Luther und die
Glaubensgerechtigkeit die fortwährende Begeisterung für die
katholisch-mystische Erbauung nicht gedämpft hat. Zwei Übersetzer
arbeiten gleichzeitig an Thomas a Kempis — und noch
1862 werden, wie schon gesagt. Taulers Predigten herausgegeben
.

Von den anderen deutschen Pietisten, die man in finnischer

ALLGEMEINES: FESTSCHRIFTEN

Herders Kleines Bildungsbuch. 4., durchgesehene u. erweiterte Aufl.
Freiburg/Br.: Herder 1957. XVI, 879 S. mit 216 Abb auf 160 Bildtaf.
u. loo Abb. im Text. 8°. Lw. DM 16.50.

Dem Buch eine allseitige Würdigung zu geben ist hier nicht
ü. A'S Budl <Jer A11gemeinbildung handelt es umfänglich
auch vom menschlichen Leib, von Schönheitspflege, Geschlechts-
nygiene, Wirtschaftsproblemen, Schulgattungen, Berufsaussichten
u. a., - Fragen, die hier auf sich beruhen bleiben dürfen.
dagegen wird auf die Themen Psychologie, Natur und Naturwissenschaft
. Kunst, geistige Welt, auch auf eine kurze Charakteristik
der Gegenwart aufmerksam zu machen sein, am meisten

Sprache gelesen hat, müssen hier in erster Linie noch Ritt-
meyer, Tersteegen, Polycarpus Müller (Brüdergemeine
), Zieguerer (Schweizer), Hohburg, König
(Schweizer), Sturm (das Gebetbuch), L i 1 j e n t h a 1, B o-
gatzky, Werne r, F. W., Krummacher, Gossner und
HeinrichMüller genannt werden. Die literarische Arbeit
des letztgenannten hat in Finnland 6chon früh Aufmerksamkeit
erweckt. Im Jahre 1692 kommt das Konsistorium vonTurku zu
dem König mit dem Gesuch um Einwilligung, die Predigtsammlung
„Evangelischer Hertzens-Spiegel" übersetzen zu lassen.
Die Übersetzung wurde auch gemacht, aber aus unbekannten
Gründen ist die Drucklegung ihr nicht gefolgt. Das Manuskript
ist erhalten (Toivo Palo, Eräs julkaisematta jäänyt postilla-
käännös 1600—luvulla. Teologinen Aikakauskirja 1952). Es sei
erwähnt, daß Ev. Hertzens-Spiegel in schwedischer Sprache erst
1851 erschienen ist. 1861 ist ein Teil von Müllers „Erkwick-
Stunden" gedruckt und danach mißleitend als sein Predigtbuch
geliebt. Diese „Predigten" sind ja ganz kurze Betrachtungen.
Der Übersetzer war der oben genannte Karl Enebäck. — Die Frage
von Polycarpus Müller ist etwas schwieriger. In Dänemark wird
1760 ein anonymes Passionsbuch erwähnt. Die Übersetzungen
ins Schwedische und Finnische sind auch anonym — eine oft vorkommende
Verfahrungsweise in diesen Zeiten. Die finnische hat
den Namen Meidän Vapahtajamme Jesuxen Christuxen Kärsimi-
sen ja Kuoleman Tutkistelemus, gedruckt 1778. In den Übersetzungen
wird angemeldet, daß die dänische Ausgabe eine Übersetzung
aus dem Deutschen wäre. In einigen Literaturverzeichnissen
wird der dänische Herrnhuter Michael Cröger als Verfasser
genannt, aber diese Nachricht muß falsch sein. Wahrscheinlich
ist Cröger der erste Übersetzer und der Mittler des Buches nach
Norden. Der schwedische Forscher Hilding Pleijel weist hin auf
eine Stelle bei Schartau, wo das Buch „biskop Müllers passions-
berraktelse" vorgestellt wird. Neue Schwierigkeiten entstehen,
wenn man Ritschis Angabe über die Kritik Zinzendorfs an Müller
liest: dieser se*i allzu theoretisch und nicht genug seelsorgerisch.
Das Büchlein muß nämlich von einer Person geschrieben sein,
die einem unmittelbaren Einfluß auf seine Leser nachstrebt. -
Ich habe ausführlicher von diesem kleinen Buch geschrieben wegen
dessen ungewöhnlich großer Verbreitung. Der ersten Ausgabe
vom Jahre 1778 folgen über 20 andere. Das Problem wird
noch interessanter durch folgendes: eine andere kleine Passions-
betrachtung Uskon ja Rakkauden Silmäminen Herran Jesuxen
Puoleen Ristin Päällä wurde mit der oben genannten zusammengebunden
und folgte mit ihr durch die meisten Auflagen. Beide
enthalten Passionsmystik, können aber kaum von demselben
Verfasser herstammen. Dazu ist der Stil der letzteren allzu verschiedenartig
. Von wo sind diese Bücher?

Zum Schluß: der Württembergische Pietismus
hat einen eigentümlichen Widerhall in Finnland gefunden
durch seinen theologischen spätzeitlichen Vertreter J. T. Beck.
Beck hat hier Schule gemacht (Gustaf Johansson). In weiteren
Kreisen hat man Steinhofer und R o o s in Übersetzungen
gelesen. Das Fehlen B e n g e 1 s fällt einem in die Augen. Die
kleinen Schriften, die von ihm übersetzt sind, haben nur den
Namen des großen Mannes bekannt gemacht, nicht aber seine
prophetische Theologie.

aber auf die umfang- und inhaltsreichen Ausführungen zur
Glaubensfrage, die den Schluß des Buches bilden. Im Hinblick
auf alle behandelten Fragen gilt der Satz des Vorwortes: „Die
Fragestellung des Werkes ist weltoffen in der Art jener, die noch
kein Spezialwissen suchen, sondern umfassend fragen." Wir halten
nicht mit der Anerkennung zurück, daß hier besonders der
gebildeten katholischen Jugend die imponierende Schau eines
religiösen Weltbildes geboten ist, an das hinzugeben und in dem
zu leben Gewissen, Vernunft und Tradition gebieten werden.

Das Kapitel über den Glauben handelt in seinem größeren
Teil natürlich von der katholischen Lehre. Billige kontroverstheologische
Kritik, die möglich wäre, wird sich für den verbieten
, der das Streben nach Offenheit, Weitherzigkeit und Wahrheit
erkannt hat. Der Wille zur biblischen Begründung des Gan-