Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1958 Nr. 9

Titel/Untertitel:

Von den theologischen Fakultäten

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

653

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 9

654

ist die Unterordnung des sensus allegoricus im Schema des vierfachen
Schriftsinns unter den sensus tropologicus. Obwohl die Rechtfertigungslehre
noch nicht das eindeutige Zentrum der Dictata ist, ist sie doch
der Ort, von dem aus die Art des häretischen Verhaltens entscheidend
bestimmt ist. Der „Glaube" des Häretikers ist ein Fehlglaube deshalb,
weil er sich nicht dem Judicium Dei beugt, das im Kreuz Christi alle
menschliche Sclbstgercchtigkeit vernichtet. Der orthodoxe Glaube wird
in das Geschehen des Kreuzes hineingezogen. Sein Wesen ist damit
Bewegung auf das Kreuz zu. Diese Bewegung macht der Häretiker nicht
mit. Innerhalb der Dictata wird eine Stelle sichtbar, an der sich die so
gewonnene Position gegenüber der Häresie bereits kirchenkritisch auswirkt
. Luther sieht in den mönchischen Sonderobservanzen, die zum
Schutz besonderer Heiligkeit erfunden wurden, häretischen Geist wirksam
. Damit beginnt seine Kritik am Mönchstum.

Die Vorlesungen über den Römer- und Galaterbrief zeigen, daß
Luther den in den Dictata gewonnenen Ansatz unverändert beibehält.
Insofern ändert 6ich jedoch die Lage, als er nun entdeckt, wie die gesamte
scholastische Gnadenlehre, von dem für ihn gültigen Wesen des
häretischen Afterglaubens aus beurteilt, zu einer Prägung häretischen
Denkens wird. Philosophie und Juristerei sind die Faktoren der Scholastik
, die deren Theologie das häretische Gift einspritzen.

Die Hebräerbriefvorlesung bringt einen weiteren, entscheidenden
Schritt über die seitherige Entwicklung hinaus. Hatte Luther seither bei
seinem ganzen Ringen um das Verständnis des häretischen „Glaubens"
die von der Scholastik geschaffenen äußeren Normen für Rechtgläubigkeit
und Ketzerei nicht nur nicht aufgelöst, sondern seinerseits kräftig
betont, so bricht ihm nun auch der äußere Rahmen des Häresiebegriffs
zusammen. Er entdeckt die biblische Rechtfertigung für die Notwendigkeit
der singularitas in Glaubensdingen und die Pflicht des Protests
gegen die fides communis der sichtbaren Kirche. Damit ist der katholische
Häresiebegriff für Luther endgültig zerstört und 6eine katholische
Periode auch in bezug auf seine Anschauung von der Ketzerei vorüber.

Neugebauer, Fritz: Das Paulinische ev XoiöuTj im Verhältnis
zur m'axig. Diss. Halle 1957, XV, 207 S.

Die Aufteilung der Paulinischen Theologie in eine „juridische" und
eine „mystische" Komponente ist das Problem, bei welchem Verf. in
einem Forschungsrückblick einsetzt. Er kommt dabei zu dem Ergebnis,
daß für den sog. juridischen Kreis der Glaubensbegriff, für den sog. mystischen
Kreis die Wendung „in Christo" als charakteristisch gelten.
Darum kann eine Verhältnisbestimmung dieser beiden Kreise in einer
Verhältnisbestimmung der beiden genannten Begriffe gesucht werden.
Dieser Aufgabe will 6ich Verf. mit besonderer Berücksichtigung des
Ausdrucks „in Christo" unterziehen, weil dessen Klärung gebotener
erscheint als die des Glaubensbegriffs. Nachdem die Forschungsgeschichte
jenes Ausdrucks dargestellt ist, wird in einer grundsätzlichen methodischen
Erwägung festgestellt, daß es zur Sinnerhellung jenes häufig
vorkommenden formelhaften Ausdrucks zwei Wege gibt: 1. sollte
diese formelhafte Wendung im Einklang mit dem sonstigen Paulinischen
Sprachgebrauch stehen, so daß sich also ihr Sinn aus dem Sinn ihrer
Elemente konstruieren läßt, und 2. muß sich der Sinn besagter Wendung
vermöge ihrer Häufigkeit auch aus dem Kontext der jeweiligen
Formelstellen erschließen lassen. Im 1. Falle ist also das Material außerhalb
der Formelstellen zu untersuchen, im 2. dasjenige der Formel-
steilen selbst. Damit ist also 1. sowohl eine Untersuchung des Paulinischen
ev-Gebrauchs als auch der Paulinischen Christusnamen und
des Kyriostitels gefordert und 2. eine Exegese sämtlicher Formelstellen
verlangt, wobei nur die zweifellos echten Paulinen materialmäßig
heranzuziehen sind.

Hinsichtlich des Paulinischen «V-Gebrauchs fragt Verf. primär
nicht nach dem Sinn des tv, sondern im Blick auf unseren formelhaften
Ausdruck nach der Bedeutung von formelhaften «V-Konstruktionen bei
Paulus. Dabei ergibt sich, daß der Apostel überaus häufig „^"-Verbindungen
als adverbiale Bestimmungen verwendet, die wie im Aramäischen
und Griechischen leicht formelhaften Charakter gewinnen

können. In vielen Fällen besitzt das mit ev konstruierte Substantiv
für die menschliche Existenz übergreifende Bedeutung, was wohl damit
zusammenhängt, daß Paulus den Menschen nicht als ein Wesen versteht
, welches über sein Dasein verfügt, sondern als eines, das von
Mächten bestimmt ist. So handelt und existiert der Mensch tv oaoxi,
ev vdfup, tv nvev/iaxi usw. Verf. will die „in Christo"-Wendung von
hier aus erklären, so daß sich ihm „bestimmt von" zur Umschreibung
des ev anbietet. Die Untersuchung der Christusbezeichnungen zeitigt
ein wichtiges Kriterium dafür, daß es sich bei ev Xqioxoj und seinen
Varianten wirklich um eine Art Formel handelt, sofern Paulus, abgesehen
von einer noch textkritisch zweifelhaften Ausnahme, stets „in
Christo Jesu" und nicht „in Jesu Christo" formuliert. Diese im Gegensatz
zu anderen Präpositionalverbindungen der Christusnamen stehende
Erscheinung läßt sich begründet nur mit der Formelhaftigkeit des Ausdrucks
erklären, so daß für „in Christo" nebst Varianten in allen
Fällen ein möglichst ähnlicher Sinn angenommen werden darf. Doch ist
für die Wendung ev xvqUo eine vom Sinn des ev Xgiaxq) abweichende
Bedeutung zu erwarten, denn die Untersuchung der Christusbezeichnungen
ergibt, daß der Jesus- und Christusname wesentlich den für
uns Gekreuzigten und Auferstandenen meinen, der Kyriostitel aber den
fordernden Herrn; anders ausgedrückt: 'Irjoovg Xgioxög und xvgwg
verhalten 6ich wesentlich wie Indikativ zu Imperativ, während im
'"'cü/ia-Begriff Indikativ und Imperativ kombiniert erscheinen, sofern
dieser Gabe und Aufgabe bedeutet (Gal. 5, 2 5).

( Die Exegese der Formelstellen bestätigt das zu erwartende Bild.
ev Xoiotö) Clrnov),lv avro) und ev xä> Xgiaxo) (2 mal) erscheinen 1. in
Verbindung mit Heilsbegriffen, 2. mit der Ekklesia und 3. mit dein
Apostel, also sämtlich Begriffen, die in irgendeiner Form dem Heils-
geschehen korrespondieren. Verf. meint, daß an allen Formelstellen
eine befriedigende Interpretation von „in Christo" durch die Umschreibung
„bestimmt von dem Umstand, daß Jesus Christus gestorben und
auferstanden ist" gelingt. Diese „umständliche" Umschreibung bedeutet
aber nichts anderes als: bestimmt sein vom Christusgeschehen und
einbezogen sein in dieses, „in Christo" ist also nicht räumlich, sondern
vielmehr „geschichtlich" insofern gedacht, als bei Paulus immer der
Leib mit seiner Geschichte, mit seinem Tun und Erleiden zusammengehört
. Die Geschichte des Christus bzw. des Leibes Christi aber konzentriert
sich für Paulus in Kreuz und Auferstehung. So muß das „in
Christo" aus der bei Paulus vorliegenden Einheit von Leiblichkeit und
Geschehen verstanden werden. Als solches aber ist diese Formel ein
charakteristischer Ausdruck des Indikativs, während ev xvquo als ein
typischer Ausdruck des Imperativs zu gelten hat. Das kommt auch rein
grammatikalisch zum Ausdruck, vor allen Dingen aber durch den Kontext
der ev-xvQuo-Stellen, der wesentlich auf die Gcschöpflichkeit des
Menschen, welche den Rahmen des Imperativs bildet, ausgerichtet ist.
Der Mensch als Mann und Frau, der Mensch, welcher arbeitet usw.,
wird als solcher durch „im Herrn" in dem Sinne determiniert, daß er
diesem Herrn untergeordnet ist.

Nach einem den Paulinischen Glaubensbegriff betreffenden Forschungsrückblick
wird der Intention dieses Begriffs in Auseinandersetzung
mit R. Bultmann nachgegangen. Verf. verneint ein Glaubensverständnis
, das die mang wesentlich als Gehorsam und Entscheidung
begreifen will, und sucht diese vielmehr als Geschenk bzw. eschatolo-
gisches Geschehen zu verstehen, niaxevetv erscheint grammatikalisch
nie im Imperativ (!), und Paulus verlangt nur das Stehen und Sein im
Glauben. In dem allem gehört die maxig ganz zum Indikativ, weshalb
j. ?'esen ßegrin< al>ch nur mit ev Xgiaiöi verbindet. Darin ist die
auch rein denkmäßig engste Zusammengehörigkeit von „Glaube" und
„in Christo" erschlossen, so daß von diesen beiden Wendungen aus
eine Doppelschichtigkeit im Denken des Paulus unvertretbar sein sollte.

Drei Anhänge beschäftigen sich einmal mit der Problemlage in
Kol. und Eph., zum anderen mit hebräischem Denken bei Paulus und
schließlich mit den sog. Korrespondenzformeln. Hinsichtlich Kol. und
Eph. ergibt sich das Resultat, daß Kol. völlig dem aus den Homologu-
mena gewonnenen Ergebnis entspricht, während Eph. formal wie sachlich
stark divergiert.

VON DEN THEOLOGISCHEN FAKULTÄTEN

Erlangen

Die Evangelisdi-Theologische Fakultät der Friedrich-Alcxandcr-
Universität Erlangen wählte für das akademische Jahr 1958/59
(1. August 1958 bis 31. Juli 1959) Herrn Professor D Wilfried
Joest zu ihrem Dekan. Prodekan: Prof. D. Dr. E. S t a u f f e r
Promotionen: Pfarrer Karl Leipziger, Bergen über Weißenburg
: „Die Lehre vom Heiligen Abendmahl im 19 Jahrhundert
innerhalb der evangelischen Theologie" (Referent: Professor D. Dr.
Althaus).

Pfarrer Manfred S e i t z, Erlangen: „Hermann Bezzel. Theologie,
Darstellung und Form seiner Verkündigung. Bandl: Werden und
Wirken; Wort Gottes und Predigt" (Referent: Prof. D. Steinwand).

Leipzig

Ernennungen: Dr. theol. Kurt W i e s n e r mit Wirkung vom
1. 4. 1958 zum Professor mit Lehrstuhl für Religionssoziologie und
Systematische Theologie.

Dozent Dr. theol. Christoph Haufe mit Wirkung vom 1.4. 19 58
zum Professor mit vollem Lehrauftrag für Neues Testament.

Promotionen : Bernhard U h 1 m a n n, cand. theol.: „Ansätze
zur Behandlung der ökumenischen Frage in der Lehre von der Kirche
bei Theodor Kliefoth und August Vilmar" (1. Ref.: Prof. D.
Sommerlath).