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Ausgabe:

1957 Nr. 2

Spalte:

147-149

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Agende der Evangelisch-Augsburgischen Kirche 1957

Rezensent:

Schulz, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 2

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belunterricht"; „die Kirchenliedkatechese" (mit „Wachet auf,
ruft uns die Stimme" als Beispiel.'); „religiöse Lebenskunde";
„Gebetserziehung"; „Gruppenunterricht"; „Berufsschule"; „Sonderschulen
". Beim Abschnitt „Bibelunterricht" überrascht die
Herausarbeitung des Offenbarungsinhaltes aus dem Text (der
Schöpfungsbericht ein Schöpfungsgedicht — der feurige Wagen des
Elia kein Wagen, sondern eine Erscheinung — die Taube bei der
Taufe Jesu ein Symbol); die Forderung, in der „Darbietung" den
wirklichen Bibeltext zu bringen; die Klage: „Unser katholisches
Volk kennt Paulus nicht", und Gedanken zur Abhilfe dieses Mißstandes
. Zur Instruktion des evangelischen Lesers bringt der Abschnitt
„Der Unterricht im neuen Katechismus" ein wichtiges
Stück. Über den „religiösen Berufsschulunterricht" referiert übrigens
W. V o s p o h 1, über den Religionsunterricht in der Hilfsschule
Rektorin B. S c h e r e r, über „Religiöse Unterweisung
in der Schwerhörigenschule" Rektor H. Schiemann und über
„Religiöse Betreuung in Kinderheilanstalten" Elfriede Ottow.
Interessant ist „Die große und die kleine Bücherei des Katecheten
" am Schlüsse des Buches. Polemik wird nicht getrieben, aber
eine „Anleitung zur Glaubensverteidigung" in „apologetischer
Schulung" verlangt (und als „Unterrichtsskizze" wird das Thema
gegeben: „Die katholische Kirche ist die allein wahre Kirche
Christi"). Man erfährt, daß es eine „Erziehungs-Enzyklika"
Pius XI, „Divini illius Magistri" von 1929 gibt, und daß in Rom
1923 ein eigenes „Officium Catechisticum" als höchste kirchliche
Behörde für alle Fragen der Katechetik eingerichtet wurde, das
zur „Konzilskongregation" gehört.

Der theologische Gewichts-Anzeiger an jeder Katechetik ist
die Weise, wie das Zusammen der göttlichen Gnadenwirksamkeit
und der humanen Pädagogie gezeichnet wird. Peil ist da strenger
Gnaden-Thomist (nicht Molinist, aber auch nicht Jansenist). Das
Ziel katholischer Religionspädagogie sieht er in der „Heranbildung
von Gotteskindern zum Vollalter der Mannesreife Christi".
Man kann einwerfen: Aber das ist doch allein Sache Gottes, also
katholisch auf der Linie Taufe, Beichte, Kommunion, Firmung —
und höchstens „Mystagogische Katechesen" können zur Verdeutlichung
helfen! Peil gewinnt aber die thomistische Ebene so: Gewiß
ist die Gnade Gottes der tragende Faktor und die menschliche
Pädagogie bloße „Mitwirkung" — aber diese „Mitwirkung"
(das zeigt die Erfahrung!) ist relativ-wichtig. Dogmatisch aber
hat die menschliche „Mitwirkung" ihren Platz dort, wo die Gnadenwirksamkeit
Gottes auf die menschliche Natur des Zöglings
stößt und diese Natur vergnadet. In der Taufe wurden dem Zögling
die Tugenden des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung als
göttliche Tugenden eingegossen; durch die eingegossene Tugend
des Glaubens hat der Zögling eine vom Glauben erleuchtete Vernunft
bekommen, durch die eingegossene Tugend der Liebe ein
natürlich-übernatürliches Streben nach Gott. Diese Ebene ist weder
rein-natürlich noch rein-übernatürlich, sondern „natürlichübernatürlich
"! Darum die relative Wichtigkeit der Religionspädagogik
— nicht bloß erfahrungsgemäß, sondern auch dogmatisch
. Und man kann es Peil zuerkennen, daß er diesen dogmatischen
Standpunkt durchhält (und nicht etwa nach einer dogmatischen
„Präambel" ein Theoretiker und Praktiker bloß der
„Mitwirkung" wird). Demgegenüber ist der neutestamentliche
Abriß dennoch einfacher: Alles tut Gott, ihr seid nur unnütze
Knechte — aber ihr seid Gottes Knechte, und habt alles zu tun,
was euch möglich ist. Parallelismus evangelicus.

Augsburg Leonhard Fendt t

Agenda Kosciola Ewangelicko-Augsburskicgo (Agende der Evangelisch-
Augsburgischen Kirche). Warszawa: Wydawnictwo straznicy Ewan-
gelicznej roku (Verlag der Evangelischen Wacht Warschau) 1955.
316 S. gr. 8°.

Bereits während der Kriegsjahre haben Geistliche der polnisch
-evangelischen Kirche die Grundordnung des Hauptgottesdienstes
aufgestellt, die durch die vorliegende Agende amtlich
eingeführt wird (S. 4). In den Jahren zwischen 1942 und 1952
wurde diese Grundordnung in einer Anzahl von Gemeinden erprobt
. Auf Grund der geleisteten Vorarbeiten und der Erprobung
im praktischen Gebrauch hat dann 1952 die Kirchenleitung in
Warschau eine liturgische Kommission mit der Fertigstellung der
Agende beauftragt. 1955 ist die von der Kommission ausgearbeitete
Vorlage durch die Kirchenleitung angenommen und amtlich
eingeführt worden. Bei diesem Verfahren fällt auf, daß weder
die Synode noch die einzelnen Kirchenkreise oder Gemeinden bei
dem Beschluß zur Einführung der Agende mitgewirkt haben, wie
es z. B. in Hannover geschehen ist.

Der Berichterstatter, der sich der Gefahren des Nationalismus
und anderer säkularer Tendenzen bewußt ist, sieht ein Werk
durch mit der Frage, ob die Herausgeber diesen Gefahren erlegen
sind. Er freut sich feststellen zu können, daß sich die Herausgeber
bewußt gewesen sind, ein kirchliches Werk schaffen zu
sollen, das von politischen Tendenzen freigehalten werden muß.
So wird in den Allgemeinen Kirchengebeten nicht eine aktuelle
Staatsbezeichnung, sondern lediglich das Wort „Vaterland" gebraucht
. Eine Ausnahme S. 136 bestätigt diese Regel, an die sich
die Herausgeber gehalten haben.

Die Herausgeber haben sich bemüht, ein ökumenisches Werk
zu schaffen. Das zeigt sich schon bei der Perikopenordnung, nach
welcher die Lektionen ausgewählt sind. Es ist die altkirchliche
Ordnung der alten Episteln und Evangelien. Auch für die Intro-
iten hat man sich an die hergebrachten Psalmen der abendländischen
Liturgie gehalten. Schon mit dieser Übernahme der Lektionen
und Introiten ist die Brücke zur gesamten lutherischen Kirche
geschlagen und darüber hinaus auch zur römischen Kirche. Eine
Isolierung der polnisch-evangelischen Kirche ist damit vermieden.

Mit der evangelischen Kirche in Deutschland verbindet diese
Agende die Hinzufügung von 3 weiteren Lektionsreihen, und
zwar je einer Epistel- und Evangelienreihe sowie einer aus AT
und NT gemischten Reihe, wie sie in den sogenannten Eisenacher
Perikopen vorliegt. Es sind also insgesamt 5 Lektionen pro Sonntag
zur Wahl gestellt. Grundsätzlich gilt dabei die Regel, daß in
jeden Gottesdienst zwei Lektionen gehören.

Einem durch die ganze evangelische Christenheit gehenden
ökumenischen Zuge entspricht es auch, daß dem Altarsakrament
mehr Raum zugewiesen wird als bisher. Grundsätzlich soll es mit
dem Gottesdienst verbunden sein, als dessen zwei Bestandteile
Predigt und Sakrament bezeichnet werden (S. 8). Doch wird zugegeben
, daß es praktisch nicht jeden Sonntag möglich sein wird
zu kommunizieren, da wahrscheinlich nicht jeden Sonntag Kommunikanten
vorhanden sein dürften. Daher wird empfohlen, je
einen Sonntag pro Monat als Kommunionssonntag festzulegen,
für die andern Sonntage wird statt dessen die Ordnung eines
Predigtgottesdienstes ohne Sakrament vorgelegt (S. 15 und 42),
dessen Eingangsteil das Kyrie im Sinne eines Sündenbekenntnisses
und das Gloria im Sinne einer Absolution enthält.

Bemerkenswert sind an dieser Agende besonders zwei Züge:
Der eschatologische Zug und der große Raum, den die Buße einnimmt
. Die eschatologische Ausrichtung wird S. 8 betont und
kommt nicht nur in der Einfügung des Maranatha S. 12 und 40=
zum Ausdruck, sondern auch in einer eigenen eschatologischen
Liedstrophe für den Adventsgottesdienst sowie in der Bezeichnung
des letzten Trinitatissonntags als Sonntags vom Jüngsten
Tage S. 122.

Die Buße wird in den Vordergrund gestellt durch die Anordnung
, daß dem Abendmahlsgottesdienst die Allgemeine Beichte
voranzugehen habe. Es wird als wünschenswert hingestellt, daß
die Beichte im Rahmen eines besonderen Beichtgottesdienstes
stattfinden solle, der am Vortage der Kommunion zu halten sei.
Durch diesen Beichtgottesdienst soll der Wunsch nach privater
Beichte geweckt werden (S. 8 u. 9). Während in der römischen
Kirche lediglich das Staffelgebet des Priesters und Ministranten
mit dem Optativen Vergebungswort und in der lutherischen
Kirche Deutschlands ein ähnlicher Vorbereitungsakt vorgesehen
ist, stellt die polnische Agende zum Bußpsalm Luthers Beichtgebet
, das von den Gemeindegliedern kniend mitgebetet werden
und auf welches die Absolution sowie ein Dankpsalm folgen
soll. Der Grundgedanke, der den priesterlichen Vorbereitungsakt
der römischen Kirche, die Rüsthandlung der neuen lutherischen
Agende und die Einfügung des Sündenbekenntnisses in die altpreußische
Agende veranlaßt hat, ist in der polnischen Agende
mit äußerster Konsequenz zu einer sehr verbindlichen Form entwickelt
worden. Schließlich ist in diesem Zusammenhang darauf
hinzuweisen, daß der Aschermittwoch als Bußtag ausdrücklich in
den Kirchenkalender aufgenommen ist S. 148.