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Ausgabe:

1957 Nr. 11

Spalte:

863-867

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Ancien testament 1957

Rezensent:

Wessel, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 11

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Widerspruch rechnenden Darstellung fällt auf, daß auf eine Erwähnung
der kirchenpolitischen Richtlinien insbesondere im
Warthegau verzichtet wird, die die Kirche unter Vereinsrecht
setzen und in fast zusammenhanglose Einzelgemeinden aufsplittern
wollte. Liegt es daran, daß das Kirchenideal bei Karl Barth
und anderen Theologen in einer Umwandlung der vor allem aufdeutschem
und lutherischem Boden gewachsenen Volkskirche in
eine Gemeindekirche von mehr angelsächsischem und kalvinisti-
schem Typ liegt und darum solche Versuche, die in dieser Stromrichtung
nicht quer liegen, übergangen werden können?

Eine andere Frage: Ist die Bedeutung der Jungreformatorischen
Bewegung hier schon endgültig abgesteckt worden? Ist tatsächlich
bei der Kirchenpolitik der „intakten" Kirchen, bei der
ganz im Sinne des Verfassers nichts verschwiegen und beschönigt
werden darf, wirklich alles oder das Wesentlichste von einer
falschen, einer talmilutherischen Obrigkeitserziehung zu verstehen
? Wer wollte ihre lähmende Auswirkung beschönigen? Aber
Ist die lutherische Geschichtsauffassung durch den Verlauf des
Kirchenkampfes, wie immer wieder, wenn auch nicht hier so unmittelbar
ausgesprochen wird, tatsächlich ad absurdum geführt
worden? In einer umfassenden kritischen Darstellung des Kirchenkampfes
möchte man nicht auf die Wiedergabe der anderen
hochdramatischen Bischofsgespräche mit Hitler verzichten. In
der steigenden Selbstverantwortlichkeit der Gemeinden sieht der
Verfasser den vorgewiesenen Weg, vielleicht mit vollem Recht
und aus einer Einsicht des Historikers heraus. Wir müssen aber
dann sehr deutlich die Gefahr sehen, daß nicht das Verständnis
der lutherischen Kirchen, die keinesfalls auf die Selbstverantwortlichkeit
der Gemeinden verzichten und sich wirklich bemühen
, den geistlichen Auftrag des Amtes mit der lebendigen Verantwortlichkeit
der Gemeinden in Zusammenhang zu bringen, zu
6ehr erschwert wird. Die Sachlage ist wohl komplizierter und
weitschichtiger und spielt in theologische Grundsatzfragen hinein
, als daß man zu schnell nur restaurative, hierarchisch-bischöfliche
, landeskirchliche und konfessionalistische Beharrungserscheinungen
konstatieren könnte. Dieser Gefahr entgeht der Verfasser
, aber seine Leserschaft?

Jedenfalls möchte man doch die Warnung aussprechen, daß
sich die Kirchengeschichtsschreibung der jüngsten Kirchenkampf-
periode nicht zu sehr von einem vorausgesetzten Kirchenverständnis
bestimmen läßt, sondern diese Gefahr scharf sieht, ohne
freilich selbst orientierungslos zu werden.

Das starke Bekenntnis des Verfassers zu seiner Sicht verleiht
natürlich dem letzten Kapitel, in dessen Vorbereitung die
vorangestellten stehen, die starke und erregende Kraft, den Ernst
und die Eindringlichkeit, für die man dankbar sein muß. Mit
dem Jahr 1945 bricht die Darstellung ab. Das Schlußwort zieht
die Linien nur ganz sparsam aus. Es steht wohl in gewollter Zurückhaltung
unter dem nachwirkenden Eindruck, daß die Kirchen-
kampfperiode „kein Siegesmarsch" und daß es eigentlich der
Kriegsausgang war, der die DC aus dem Sattel warf und der BK
die Führung der Kirche übergab, die ihr von außen und nicht
allein von innen durch ihre Vollmacht zukam. So legt man das
Buch, um viele Anregungen bereichert aus der Hand, in der Hoffnung
aber, daß eine Neuauflage weiteren Forschungen des Verfassers
und Klärungen Raum schaffe, die hier noch nicht zur
Auswirkung gelangen konnten.

Leipzig Eridi Beyreulher

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Reau, Louis: Iconographie de l'Art Chretien. Tome II: Iconographie
de la Bible. I.: Ancien Testament. Paris: Presses Universitäres de
France 1956. VIII, 470 S., 32 Taf. gr. 8°. ffr. 2.400.—.

Der nunmehr vorliegende erste Halbband des zweiten Bandes
der großangelegten Darstellung der christlichen Ikonographie
aus der Feder des bekannten französischen Kunsthistorikers umfaßt
die Ikonographie des Alten Testamentes. Er ist, der christlichen
Historiographie gemäß, in zwei Hauptteile unterteilt:
Ante legem und Sub lege. Der erste Hauptteil, in drei Bücher
gegliedert, bietet: Gott und die Schöpfung (mit den Kapiteln:
Ikonographie Gottes, Die Engel, Satan und die Dämonen, Die

Erschaffung der Welt), Der Fall und die Strafen (mit zwei entsprechenden
Kapiteln) und Die Patriarchen und Joseph (mit den
beiden Kapiteln: Die drei Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob,
sowie Joseph). Eine eingehendere Wiedergabe der Unterteilung
des ersten Kapitels mag die Anlage des Werkes verdeutlichen:
Es beginnt mit einer Schilderung der Ikonographie der drei göttlichen
Personen; hierbei gliedert sich der Abschnitt über Gott-
Vater in eine Einleitung, die sehr kurz über die alttestament-
lichen Namen Gottes referiert, um dann von der Unsichtbarkeit
Gottes und dem Bilderverbot auf die Frage nach dem Recht des
Gottesbildes zu kommen, dann je einen Abschnitt über die göttliche
Hand, den „Alten der Tage", den mittelalterlichen himmlischen
Papst oder Kaiser und schließlich den „christlichen Jupiter
" der Renaissance; es folgt der Abschnitt über Gott-Sohn, der
vom Pantokrator und vom Hohepriester handelt, und der über
den Hl. Geist, der zunächst den Kult kurz schildert, dann die
Ikonographie umreißt und dabei die sieben Gaben des Hl. Geistes
und Aufstieg und Abstieg des Hl. Geistes gesondert behandelt
; dem schließt sich eine Darstellung der Ikonographie der
Trinität an, wobei einleitend vom Kult und von der trinitarischen
Architektur berichtet wird und dann die Ikonographie mit den
Symbolen (Dreieck, Kreis und andre Symbole) und den anthropo-
morphen Darstellungen bringt; diese sind unterteilt in „Die byzantinische
Formel" (die drei Engel bei Abraham) und „Die abendländischen
Formeln" (die dreiköpfige Trinität, die horizontale
Trinität — drei ähnliche Personen, zwei ähnliche Personen und
die Taube, drei unähnliche Personen — und die vertikale Trinität
oder der Gnadenstuhl, angeschlossen werden noch die Trinitä"
mit zugefügter Maria = Quaternite mariolatrique und die
Quinität von Winchester). Dieses recht umfangreiche Programm
nur eines einleitenden Kapitels wird auf 27 Seiten abgehandelt;
natürlich ist dabei manches etwas gar zu knapp, aber dem helfen
die abschließenden bibliographischen Hinweise ab, die das Wichtigste
bis 195 5 umfassen. In den einzelnen Unterabschnitten werden
dabei die wichtigsten Denkmäler entweder im Text genannt
oder listenmäßig angefügt (in zeitlicher Ordnung, so daß eine
Entwicklung der Themen in groben Zügen erfaßt werden kann

Der 2. Hauptteil gliedert sich ebenfalls in drei Bücher: Moses
und Josua (mit den Kapiteln Moses und der Auszug aus
Ägypten sowie Josua und die Eroberung des Landes der Verheißung
), Richter und Könige (mit drei Kapiteln: Die Richter,
Die Könige, Biblische Heroen und Heroinen) sowie Die Propheten
Israels (mit den sechs Kapiteln: Elias und Elisa, Die drei großen
Propheten der hebräischen Bibel, Die kleinen Propheten,
Legendare Propheten = Daniel und Jonas, Die Sibyllen, Johannes
der Täufer). Hiob, Tobias, Jahel, Judith und Esther figurieren
dabei als die jüdischen Helden und Heldinnen, Susanna erscheint
bei Daniel. In den einzelnen Unterabschnitten wird dabei
nach der Textordnung der Bibel vorgegangen, apokryphe und legendäre
Erweiterungen des kanonischen Erzählungsgutes werden,
als solche gekennzeichnet, eingeschoben bzw. nachgetragen. Die
Quellen werden stets genannt, meist wörtlich oder im Zusammenhang
wiedergegeben.

Bei aller Knappheit der Darstellung ist das Ganze eine bewundernswerte
Leistung und wird für die mittelalterliche Ikonographie
Westeuropas ein unentbehrliches Hilfsmittel werden.
Gelegentlich werden auch sehr bestechend ältere Anschauungen
widerlegt, so z. B. S. 240 die von Franz Cumont, wonach der den
Löwen tötende Simson durch das Bild des den Stier tötenden
Mithras angeregt sein soll.

Wenn nun freilich der Gesamteindruck nicht so ganz befriedigend
ist, so liegt das an drei Mängeln, durch die das Buch seinem
Titel nicht ganz gerecht wird: es fehlt ausreichende Berücksichtigung
der frühchristlichen Kunst, über die sich R. nicht recht
informiert zeigt; es fällt weiterhin auf, daß die christliche Kunst
des Ostens (Byzanz, die Balkanslaven und Rußland) keineswegs
ausreichend behandelt werden; und schließlich kommt auch die
deutsche Kunst im ganzen ein wenig zu kurz. Schließlich muß erwähnt
werden (ohne hier Vollständigkeit anzustreben), daß auch
die deutsche ikonographische Literatur nicht ausreichend bekannt
ist: es fehlen, um nur einige zu nennen, so wichtige Arbeiten wie
die von Josef Fink (Noe der Gerechte, Münster 195 5), Josef
Anton Endres (Das St. Jakobsportal in Regensburg und Honorius