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Ausgabe: | 1956 Nr. 10 |
Spalte: | 603 |
Kategorie: | Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Arens, Hans |
Titel/Untertitel: | Sprachwissenschaft 1956 |
Rezensent: | Melzer, Friso |
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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 10
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Los in die Gemeinde von Eitelkeit und meinen Bereich nicht ge- gen2'9 [. .] und in der Fülle deines Erbarmens für alle Gerichte
setzt hast in den Kreis der Heimlichen. 35) (Und auch)"'70 ich (bin 36) (deiner Gerechtigkeit280 [.] sr [. .] Frevel und am Busen.
angewiesen) auf deine Hulderweisungen und deine Vergebun- ———-
_ ) Ergänzung: sljhwtjkh.
Ergänzung: wgm. 2*°) Mögliche Ergänzung: sdqtkh.
ALLGEMEINES
Arens, Hans, Dr.: Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung
von der Antike bis zur Gegenwart. Mit Schemazeichnungen im Text.
München: Alber [1955]. X, 568 S. 8° = Orbis Academicus. Problemgeschichten
der Wissenschaft in Dokumenten u. Darstellungen, hrsg.
v. F. Wagner u. R. Brodführer f. Lw. DM 34.—.
Der erste (kleinere) Teil dieses umfangreichen Werkes behandelt
den „Aufstieg der Sprachwissenschaft" (S. 1—132); der
zweite (ausführlichere) Teil die Sprachwissenschaft selbst (S. 133
bis 522). Den Schluß bildet ein Quellennachweis, eine ausführliche
Bibliographie von 20 Seiten, sowie Personen- und Sachregister
. Verf. legt die bedeutendsten Texte sprachwissenschaftlicher
Art (wo nötig, in Übersetzung) vor und gibt jeweils geschichtliche
Einleitungen. So führt er von Plato bis zu den römischen
Grammatikern, zeichnet kurz die scholastische Sprachbetrachtung
und verweilt eingehender beim 17. und 18. Jhdt.
Die eigentliche Sprachwissenschaft setzt mit der Romantik ein:
die Brüder Schlegel und vor allem Wilh. v. Humboldt, dazu Bopp
u. a. kommen ausführlich zu Wort. Sehr gründlich wird der Leser
durch das 19. Jhdt. geführt: von der naturwissenschaftlich gerichteten
Sprachwissenschaft über die Junggrammatiker und ihre
Gegner bis hin zur Neubesinnung durch W. Wundt, B. Croce,
E. Husserl u. a. Sehr dankenswert ist, daß im 20. Jhdt. nicht nur
die Deutschen wie Porzig, Cassirer, Weisgerber, Schmidt-Rohr
angeführt werden, sondern daß auch das Ausland dargestellt
wird (Italien, Frankreich, Sowjetunion, Amerika). Rezensent
kennt kein anderes Werk, das solchen umfassenden geschichtlichen
Überblick darbietet, und begrüßt diese Hilfe, seltene Texte
so leicht zu erhalten.
Was aber ganz fehlt, ist der Beitrag christlicher Erkenntnis zur
Frage. Die ersten beiden Seiten des Werkes über „Die Sprache im Mythos
" blicken kurz auf Genesis 1 u. 2 sowie 11, aber was die christliche
Theologie dazu herausgearbeitet hat, was heute Allgemeingut der
ev. Theologie geworden ist, bleibt ungenannt. Wir vermissen Luthers
„Sendbrief vom Dolmetschen" und ihm folgend die Erkenntnisse der
missionarischen Bibelübersetzung; Hamann hätte auch textlich dargeboten
werden müssen; aus unserem Jhdt. auf jeden Fall F. Ebner mit
seinem Buch „Das Wort und die geistigen Realitäten" als der Entdecker
der Du-Ich-Beziehung. Was sonst noch an christlicher Sprachdeutung
wichtig ist, vor allem die Frage des christlichen Wortschatzes,
hat Rezensent in mehreren Arbeiten dargelegt. Die amtliche Sprachwissenschaft
täte gut, sich mit den christlichen Einsichten auseinanderzusetzen
und auch auf solche Denker wie Eugen Rosenstock-Huessy und
Max Picard zu hören, die gleichfalls in verschiedenen Werken tiefste
Einsichten über die menschliche Sprache ausgesprochen haben. Doch —
das gäbe das Material fast für einen eigenen neuen Band oder müßte
zu Worte kommen in einem Bande, der die Sprachphilosophie darstellt,
denn diese müßte die Theologie der Sprache, die wir in mancherlei
Entwürfen haben, auf jeden Fall mit bedenken.
Künzelsau Friso Melzer
Wackernagel, J.: Kleine Schriften. Bd. 1 u. 2. Hrsg. v. d. Akademie
der Wissenschaften zu Göttingen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
in Komm. [1953]. VII, V, 1425 S., 1 Bildn. gr. 8°. DM 80.-.
In Zeiten, die uns immer ferner rücken, war die Theologie,
soweit sie sich der Auslegung der Hl. Schriften widmete, ein Teil
der Altertumswissenschaft, und durch diese ging der Weg zu ihr.
Noch heute sollte der Ausleger des Texts der griechischen Bibel
an ihre sprachliche Seite mit derselben vollen Ausrüstung herantreten
wie ein Philologe an die seinen. An ehrlicher und auch
erfolgreicher Bemühung darum fehlt es nicht, aber oft kann man
beobachten, daß die Basis zu schmal gewählt ist und Handbücher
wie Grammatiken und Lexika als ausreichend angesehen werden.
In den seltensten Fällen gestatten diese aber einen Blick in die
fruchtbare Tiefe der Forschung, und zu oft genügen die bloßen
Ergebnisse nicht; denn abgelöst von der Forschung, die zu ihnen
führte, sind sie wie von ihren Wurzeln abgeschnitten. Ohne
Bild: der Benutzer muß den Beweisgang kennen, um, in Zustimmung
oder Ablehnung, eine des Namens werte Entscheidung zu
treffen. Darum ist es so eminent wichtig, daß der NTler auch in
der Hilfswissenschaft der griechischen Sprache die Forschung und
nicht bloß oder vorwiegend die Kompilation befragt, sei es auch
nur in Ausschnitten, die genügen, um die Maßstäbe zurechtzurücken
.
Solche Befreiung vom Handbuch und Auflockerung des sprachlichen
Wissens leisten nun seit mehr als dreißig Jahren Jacob
Wackernagels zweibändige „Vorlesungen über Syntax", wie jeder
Benutzer an sich erfahren hat. Seine einzigartige Kunst, von treffenden
Beispielen aus Probleme aufzubauen und zur Lösung zu
führen, bereichert, wie das kein Flandbuch vermag. Darum ist es ein
Ereignis, daß nun, 1956, endlich die auf W.s 100. Geburtstag,
1953, erwarteten Kleinen Schriften vorliegen1. Zusammen mit den
Kleinen Schriften des zehn Jahre jüngeren Wilhelm Schulze (ihm
zum 70. Geburtstag überreicht), den W. um mehr als drei Jahre
überlebte, sind sie die reife Ernte eines Geschlechts, das genaueste
Kenntnis der Philologie der Einzelsprachen mit ebenso genauer
und eine reiche kombinatorische Phantasie beflügelnder
Handhabung der sprachvergleichenden Methode verband2.
Die Mehrzahl der Aufsätze ist dem Griechischen gewidmet.
Dazu tritt das Indische und später das Indo-Iranische. Latein und
Deutsch treten zurück, ohne unvertreten zu sein. Ein Kennzeidien
aller Arbeiten ist, daß sie auf jahrelanger kritischer Lektüre von
Texten und der daraus erwachsenen Fülle von Belegen beruhen.
Sie gehen nie von Theoremen, Spekulationen oder gar Einfällen
aus, stets aber führt die oft an einer Einzelstelle gemachte Beobachtung
zu weittragenden lichtvollen Ergebnissen, vor denen
bloße Hypothesen dahinfallen. W. nahm oft Gelegenheit, sich in
Einzelheiten zu korrigieren. Was dann aber dastand, steht wirklich
über den Tag hinaus.
Die folgenden Beispiele steigen von gramm. Einzelheiten zu
größeren Zusammenhängen auf.
Unsere Bibeldrucke sind immer noch nicht frei von Akzentlehlern.
AG 21, 20; 22, 13 und vielfach in der LXX muß der Vokativ alieXtps
lauten. Die antiken Grammatiker beschränken diese Betonung nicht
auf das Attische, und noch im neugr. heißt es äfftX<pt. Schon 1879 stellt
das W., vom Vok battS ausgehend, in den weiteren Rahmen der
wenigen diese indogerm. Vokativbetonung bewahrenden Formen wie
Zsv, 3i6.tf.q, yvvai, oöiieg (756—64). Der Imperativ des aor. ebia
Mt 18, 17; Lk 10,40; Joh 10,24 muß etjtov betont werden und nicht,
wie herkömmlich, e'mnv (diese Ztg 1936, 284). Das nimmt W. auf und
A. Debrunner vervollständigt die Belege (878—80). Fehlschreibungen
wie nXr)ti(ti)vQ- Lk 6,48 (1164) und Xrvxa/v)&iC<o LXX (853) werden
beseitigt. Zu Wortschatz und -bildung wird aus Zusammenstellungen
wie Jiaides (SovXot) xai jiai&ioxai erwiesen, daß und warum
es hier kein altes nai&ioxo; gibt (838 ff.). Der Nachweis, daß
naxQixos älteres jrorowoc und dies noch früheres näxnwq verdrängt
haben, und die Begriffsentwicklung von JtaxQiaoxrji geben erst den
') Daß nicht zu W.s Lebzeiten eine erste Sammlung herauskam,
dürfte mit seiner ganz außerordentlichen Bescheidenheit zusammenhängen
. Im Alter schenkte er dann alle Kraft seiner „Altindischen
Grammatik". Ein schönes Bild aus den Jahren der Kraft ziert die Ausgabe
.
2) Die Kennzeichnung „der letzte und vielleicht bedeutendste Vertreter
der philologisch ausgerichteten Indogermanistik" im lahrcsbcricht
der Göttinger Akademie (Geschäftl. Mitt. 1939, 21) wird durch Ed. Hermanns
Gedenkaufsatz im gleichen Heft als Mißverständnis erwiesen:
„So begründete er eine neue Methode in der Sprachwissenschaft . . ."
(78). W. selbst sagt es so: „In größter Dankesschuld steht (die Sprachwissenschaft
) der Philosophie und der Naturforschung gegenüber: sie
wird insbesondere der engen und stetigen Anlehnung an die psychologische
Forschung nie entraten können, wenn es gilt, das Sprechen
schlechthin, das durch die Sprachen gleichmäßig durchgehende zu verstehen
. Aber den einzelnen Sprachen in der Vielgestaltigkeit ihrer
Eigenheiten und Beziehungen kann sie nur in Verbindung mit philologischer
Arbeit gerecht werden. Sie darf nicht aufhören eine geschichtliche
Wissenschaft zu sein" (127). Damit daß er die gängige Verabsolutierung
der Naturwissenschaft nicht mitmachte, weist W. in die Zukunft.
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